Alles rot

6.4K 244 22
                                    

Am Montag treibt mich die Wut aus dem Bett. Obwohl ich duschen und schlafen konnte, hat sich das brennende Feuer in mir, das mein Blut vor Wut und Hass zum kochen bringt nur minimal abgeregt. Als um 8 Uhr Morgens meine Tür geöffnet wird, stehe ich schon fertig angezogen davor und dränge mich aus dem Zimmer, dass sich mit jeder weiteren Stunde, die ich darin verbringe, immer mehr wie ein Käfig anfühlt. Besonders gestern, als ich so in Rage war, war es schon eine Folter für sich in Vier Wänden eingeschlossen zu sein. Umso mehr habe ich dem Training mit Zane entgegen geblickt. „Vorsichtig!", meint der große Mann streng, als ich ihn mit der Schulter anremple und einfach weiter den Flur runter laufe. Natürlich mich alles drei in Schlepptau. „Halt die Fresse, das kannst du doch so gut.", knurre ich zurück. Mein erster Halt ist an diesem Morgen nicht das Speisezimmer, auch wenn mir ein Schokoküchlein nicht schaden würde, sondern direkt der Trainingsraum. Zane sagt nichts dazu, als ich am Esszimmer vorbei laufe. Er stellt nicht einmal eine Orientierung in frage. Ich brauchte nicht mal Vier Tage, um meine Wege zu lernen, obwohl dieses Gebäude ein ganzer Irrgarten aus Flügeltüren, Sälen und Fluren ist.

Er sagt nicht einmal etwas, als ich mich auf den Matten positioniere und ihn mit einer einfachen Handbewegung zum Kampf auffordere. Meiner Aufforderung folgt er, nachdem er seine Waffen abgelegt hat und sich kurz gedehnt hat. Als der Startschuss fällt, der mir erlaubt, auf ihn los zu gehen, sehe ich nur noch Rot. Nicht zum ersten Mal. In diesem Momenten ist alles, was mich packt Wut und Hass. Nicht grade eine gute Sache, wenn man bedenkt, dass ich dadurch Technik und Geschick äußerst vernachlässige. Schon mein Pate hat mir erklärt, wie mir meine Wut irgendwann zum Nachteil werden würde. Mein Pate ist übrigens, der Mann, der mich ausgebildet hat. Jede Assassine hat einen Paten und jeder Pate wiederum einen Paten und immer so weiter. Auch sein Name hat keine Bedeutung. Ich bin nichts. Ich bin der Tod., das waren die Worte, die ich Tag und Nacht sprechen sollte. Ein Gelübde, das sich in dein Hirn nistest, bis du es glaubst. Oder du denkst, du glaubst es...

Zurück zu der Sache mit dem Rot-Sehen. Ich war dafür bekannt gewesen, dass ich die Fassung verliere. Ein falsches Wort, ein klitzekleiner Fehler meiner oder anderer Seitz, eine Niederlage, eine nervige Person, ja selbst ein dummer Blick eines anderen, konnte mich zur Weißglut treiben. Ich hatte eine solche Wut in mir und wusste nicht wohin damit. Mir wurde gelehrt, wie ich Wut in Fassung umwandle und Fassung in Geschick und mit Geschick meine ich das Geschick zu töten. Präzise, leise, garantiert. Es hat funktioniert, ich konnte mich beherrschen, besser als jeder andere. Nur ein einziges Mal ließ ich meiner Wut noch einmal freien Lauf, und zwar als ich die Mörder meiner Familie umbrachte. Da war es nicht schnell, nicht einfach, es war blutig, laut und schmerzhaft. Doch gestern, gestern packte mich dieses Gefühl wieder. Ich muss nur an sein Grinsen denken und ich will alles um mich herum in Schutt und Asche legen.

Tja, wie bereits erwähnt, bringt mich die Wut nicht unbedingt weiter. Ich werde wie blind, wie taub, wie sinnlos. Und so ist es auch jetzt. Ich teile Tritte und Schläge aus, bis mir Blut ins Gesicht spritzt. Doch nur einen Augenblick nachdem sich der metallische Geschmack auf meiner Zunge ausgebreitet hat, werde ich zu Boden gerissen. Mein Kopf kommt hart auf dem Boden auf, meine Hände werden mit Kraft neben meinem Kopf auf dem Boden fixiert und das Körpergewischt von Zane hält meine strampelnden Beine von ihm fern. „Reiß dich zusammen!", dringt es dumpf durch das Rauschen in meinen Ohren. „Reiß dich zusammen!", schon wieder der Ruf. „Althea!" Meine aufgerissenen Augen lassen mich endlich wieder sehen. Zanes schönes verschwommenes Gesicht wird über mir immer schärfer, das Rauschen immer leiser. Er ist außer Atem, aus seiner Nase tropft Blut und in seinem Mundwinkeln scheint das Rot ebenfalls gefährlich. Auf seiner Stirn haben sich aus Anstrengung Falten gebildet. Er drückt mich noch immer mit all seiner Kraft auf den Grund.

Langsam spüre ich meinen Körper auch wieder. Spüre mein rasendes Herz, meinen schnellen Atem, die Tränen, die mir aus den Augen rinnen, wahrscheinlich weil ich einen kräftigen Schlag ins Gesicht bekommen habe, denn meine Wange brennt wie Feuer. Ich spüre wie meine Fingerknöchel schmerzen, weil sie nicht nur einmal mit voller Wucht auf Zanes Knochen geprallt sind und ich spüre, wie meine Zähne so fest aufeinander pressen, dass es knirscht. Ein weiterer Tropfen seines frischen Blutes tropft auf mein Gesicht. „Verflucht", schimpft er schwer. Ich versuche mich zu befreien, vergeblich. „Lass mich los.", zische ich böse. „Wenn ich dich loslasse, schlägst du dann wieder wie verrückt geworden auf mich ein?", fragt er ohne einen Funken Spaß.

Der Teufel ist eine Frau |✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt