Ruslana
Ich zuckte erschrocken zusammen und stolperte nach hinten. Nico raufte sich genervt die Haare und ich ging auf sein Bett zu. Mit zittrigen Händen holte ich mein Handy aus meiner Tasche raus und nahm den Anruf an, ohne auf die Nummer zu schauen.
„Hallo?", fragte ich mit heiserer Stimme. Doch keine Antwort kam zurück. Stattdessen hörte ich ein starkes Schniefen auf der anderen Leitung. Ein Schniefen, dass mir eindeutig zu bekannt vorkommt. Lussiana? Panik machte sich in mir breit und mein Griff um das Handy wurde stärker. Ist etwas mit ihren Eltern passiert? Hat Marco-
„Ruslana", mein Name entwich ihrer Kehle kaum hörbar. Ein tiefes Schluchzen folgte und meine Augen wurden kugelrund. Etwas in mir zog sich zusammen und ich bekam ein ungutes Gefühl. „Lussiana", fing ich vorsichtig an und schaute auf, um Nico's blauen Augen zu begegnen, die mich fraglich musterten. „Was ist denn los?", fragte ich sie und wartete auf eine vernünftige Antwort.
Doch es kam keine.
Sie schluchzte und schluchzte. Ihre Atmung wurde unregelmäßiger und sie bekam kaum ein Wort raus. „Es tut mir so-so leid", stotterte sie weinend rum. Es tut ihr Leid? Was? Was ist denn passiert? Ich verstand garnicht mehr. Inzwischen hat sich Nico wieder angezogen und stand nun mit einer gerunzelten Stirn vor mir, während er genauso wie ich versuchte zu verstehen, was denn los war. So allmählich bekam ich wirklich Angst.
„Lussiana", versuchte ich es noch einmal. „Mein Schatz, wo bist du?", fragte ich sie. Es wurde kurz still und das einzige was zu hören war, war ihr schmerzerfülltes Schluchzen. „Im Krankenhaus", brachte sie krächzend raus und ließ mich erstarren. „Was?", fragte ich sie, während meine Stimme brach. Nico's Gesichtszüge wurden ernster und er blickte mich besorgt an. Doch er war gerade die kleinste meiner Sorge.
Es raschelte auf der anderen Leitung und mein Herz wurde schneller. „Lussiana, was ist los?", fragte ich sie, während meine Augen anfingen zu brennen. Mein Herz hämmerte so fest gegen meinen Brustkorb, dass es schon fast wehtat. „Ruslana, d-dein Vater-", der Rest des Satzes blieb ihr im Hals stecken und ein weiteres Schluchzen ertönte über die Leitung. Mein Herz klopfte nun so schnell, dass es drohte zu kollabieren. Meine Lippen spalteten sich, doch kein Wort verließ meinen Mund. Meine Augen weiteten sich und die erste Träne rollte meine Wange runter. Ich konnte spüren, wie Nico an mir rüttelte und fragte, was denn los war, doch ich war wie stumm geschaltet. Mein ganzer Körper hörte auf zu arbeiten. Ich fühlte gar nichts mehr.
„Dein Vater hatte einen Herzinfarkt."
~
Der Weg zum Krankenhaus verlief wie in Zeitlupe. Damit auch Nico's erbärmliche Versuche mich zu beruhigen und mein Herz, dass nicht aufhören wollte zu zerbrechen. Tränen und Tränen rollten mir die Wangen runter. Meine Hände hörten nicht auf zu zittern und mir wurde schlecht.
Herzinfarkt
Herzinfarkt
Ruslana
Dein Vater hatte einen Herzinfarkt
Wir kamen vor dem Krankenhaus an und ich machte wie benommen die Tür auf. Meine Beine trugen mich von alleine durch die Eingangstüre, während mir Nico still folgte. Vor der Rezeption angekommen, übernahm er das Reden, während mir langsam die Luft ausging. Der scheußliche Geruch von Desinfektionsmittel schlich sich in meine Geruchswege und ich kämpfte gegen den Drang an auf die Knie zu fallen, um zu schreien. Papa. Ich wollte zu Papa.
Nico griff sanft nach meiner Hand und zog mich mit sich. Er drückte einmal fest und warf mir einen besorgten Seitenblick zu, doch ich war gerade nicht in der Lage vernünftig zu antworten. Wir liefen die Treppen hoch und durchdrangen tausende von Fluren, bis wir endlich auf der richtigen Station ankamen.
Von weitem konnte ich bereits ausmachen, wie sich Lussiana von ihrem Stuhl erhob und uns erblickte. Auch Marco, der neben ihr saß, stand langsam auf und kam auf uns zu. Meine beste Freundin sprang mir in die Arme und drückte mich so fest, als würde ich mich jede Sekunde in Luft auflösen. Ihren Kopf vergrub sie in meine Kopfbeuge und fing an bitterlich zu weinen. Auch meine Augen fingen wieder an zu brennen, als ich meine Arme um sie schlang und doppelt so fest zurückdrückte. „Es tut mir so leid", flüsterte sie gegen meine Haut und schluchzte leise auf. Ich schüttelte stumm den Kopf und legte mein Kinn auf ihre Schulter ab.
„Wie schlimm ist es? Was ist passiert?", fragte ich und löste mich langsam von ihr. Ihre roten Augen trafen auf meine und blickten mich bemitleidend an. „Ich war zu Hause, als es passierte. Es soll mitten in seiner Arbeitszeit gewesen sein. Die Mitarbeiter fingen natürlich an Panik zu schieben und riefen einen Krankenwagen an. Kurze Zeit später erfuhr auch ich davon. Ich wollte nicht, dass sie es dir sagten, da du Angst bekommen würdest, also übernahm ich das Bescheid geben. Was deinen Vater angeht. Die Ärzte meinten er wird wieder", sprach sie mit heiserer Stimme und legte ihre Hand beruhigend auf meine Schulter ab. Ich atmete erleichtert aus, während mir eine weitere Träne die Wange runter kullerte und ein kleines Lächeln sich auf ihre Lippen legte. „Ich wusste nicht mehr was ich tun sollte, also habe ich Marco angerufen", sagte sie leise und ich nickte einfach nur. Ich hatte gerade nicht die Kraft dazu Fragen zu stellen.
Ich schaute zu Nico, der gerade dabei war sich von Marco abzuwenden und lief auf ihn zu. Ich warf meine Arme um seinen Torso und drückte mein Gesicht in seine Brust. Überrumpelt stolperte er einen Schritt zurück und blieb regungslos stehen. Ich konnte hören, wie seine Atmung schneller wurde und lächelte einfach im mich hinein. Ich war so erleichtert. Seine angespannten Schultern sackten langsam ein und ich atmete seinen Duft ein. Seine breiten Arme wickelten sich langsam um meine Taille und zogen mich näher an ihn ran. Sein Gesicht verschwand in meinen Haaren und endlich ging es mir wieder gut.
Endlich konnte ich wieder atmen.
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𝐏𝐬𝐲𝐜𝐡𝐨 ✓
RomanceEs existierten viele Worte, die das Leben der jungen Ruslana beschrieben. Gefährlich war jedoch nie eines davon. Sie hielt sich zurück und versuchte immer das Richtige zu tun, selbst wenn es andere nicht so sahen. Alles änderte sich jedoch, als ein...