𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟗

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Ruslana

Ich ging auf das Fenster zu und schaute runter. Und so verschwand mein Lächeln auch schon so schnell, wie es gekommen war. Das habe ich ja total vergessen. Wir befanden uns in einem der höchsten Stöcke. Runter zu springen war also keine Option. Außer natürlich ich will sterben.

Enttäuscht ging ich ein paar Schritte zurück und schaute mich hilflos um. Was jetzt? Papa hat etwas schlechtes vor. Das war mir klar. Ich kann ihn nicht aufhalten. Das war mir auch klar. Nur wie ich es schaffen sollte, ihn zu erreichen bevor er Nico erreichte, ist mir nicht klar.

Mit einem gefüllten Kopf setzte ich mich dann doch schließlich hin und wartete. Auf was, weiß ich selber nicht. Ob Papa nach Hause kommen wird? Ich hoffe es. Meine Augen füllten sich jedes Mal aufs Neue mit Tränen wenn ich daran dachte, dass ihm etwas zustoßen könnte. Doch bevor es überhaupt so weit kommen kann, blinzelte ich sie wieder weg.

Ich war alles andere als schwach. Mein Vater hat mir schon in einem jungen Alter beigebracht, meine Frust und Trauer nicht im Weinen rauszulassen. Er meinte, es wäre erbärmlich. Ich solle lieber aufstehen und versuchen das Problem zu lösen. Und das hatte ich ja auch eigentlich vor. Nur wie? Rumsitzen würde nichts bringen. Entschlossen stand ich auf und starrte die Tür an. Was wenn ich gegen sie laufe? Würde sie sich dann öffnen?

Das Klicken des Schlosses brach mich aus den Gedanken und ich schaute auf. Die Tür öffnete sich. Papa trat ein und schloss die Tür. Ohne ein Wort ging er an mir vorbei und lief geradeaus in sein Zimmer. Die Tür fiel hinter ihm zu und Stille herrschte. Mein Mund öffnete sich um sich keine zwei Sekunden wieder zu schließen. Was bitte war das? Was ist passiert? War er bei Nico? Was hat er dort gemacht?

Er kam wieder raus und setzte sich auf die Couch. Mit großen Augen wartete ich auf seine nächsten Worte. Er seufzte müde auf. „Du hast Glück", sprach er und ging sich gestresst durch die Haare. „Sie sind schon weg." Seine Worte ließen die Panik in mir verschwinden. Erleichtert atmete ich aus und schaute wortlos zu wie er sich erhob und an mir vorbeiging. Geradeaus in die Küche.

Ein ergebenes Seufzen entwich meinen Lippen.

Ich beschloss ihn jetzt erst mal in Ruhe zu lassen. Er könnte Zeit für sich alleine gerade wirklich gebrauchen. Ich seufzte auf und ging die Treppen hoch auf in mein Zimmer. Still setzte ich mich auf mein Bett und betrachtete die Wand. Jetzt heißt es abwarten.

~

Nachdem ich mich geduscht hatte und angezogen habe, machte ich das Fenster in meinem Bad auf und putzte meine Zähne. Ich griff nach der Hautcreme und legte sie zu den anderen Utensilien auf die Fensterbank. Meine dreckigen Klamotten hob ich vom Boden auf und trat aus dem Bad. Ich machte das Licht aus und drehte mich um.

Dann schrie ich auf und ließ alles fallen. Überrumpelt stolperte ich ein paar Schritte zurück.

Gemütlich an meine Zimmerwand gelehnt stand niemand anderes als Nico mit einem kranken Grinsen auf seinem Gesicht. „Vermisst?"

Mit großen Augen starrte ich den Mann vor mir and und konnte erstmals nicht realisieren, dass er wirklich in meinem Zimmer stand. Sein Jackett hatte er inzwischen abgelegt und stand nun in einem weißen Hemd, dass seinen Oberkörper stark betonte, vor mir. Schnell fasste ich mich aber wieder und trat einen weiteren Schritt nach hinten. Eine Falte legte sich auf seine Stirn, als er mich dabei beobachtete. Kommentieren tat er es aber nicht. Stattdessen stellte er sich wieder gerade hin und kam auf mich zu.

„Was-Was machst du?", auf meine Frage ging er erst garnicht ein, sondern drängte mich an die Wand. Vor mir blieb er stehen und betrachtete mich still. Mein nasses Haar und das kurzärmelige T-shirt, dass ich anhatte werden definitiv dafür sorgen, dass ich morgen krank im Bett liegen werde. Wenn nicht sogar, Fieber habe. Seine Hand hob sich und meine Augen schlossen sich reflexartig, bevor ich mich weiter an die Wand presste. Sanft berührten zwei Finger meine Wange und fuhren von da aus hoch zu meiner Stirn. Er griff nach einer Strähne und strich diese hinter mein Ohr. Er legte seine Hand auf meine Wange ab und hörte nicht auf mich anzustarren. Das konnte ich förmlich spüren. Langsam öffnete ich meine Augen und musste schlucken.

Das Grinsen war weg. Er schaute mich inzwischen mit einem undefinierbaren Blick an und kam mir noch näher, falls das möglich war. Als er meinen verängstigte Reaktion bemerkte, hielt er inne. Seine Hand blieb jedoch wo sie war. Leise, aber so, dass ich es hören konnte murmelte er etwas vor sich hin.

„Krasavyza."

Hübsche? So hatte mich bisher noch niemand genannt.

Etwas in mir zog an meinen Fäden und ich drehte meinen Kopf zur Seite. Die Hand fiel von meiner Wange und er trat einen Schritt zurück. Einer seiner Mundwinkel zuckten nach oben, und das war das erste mal, dass ich seine Grübchen bemerkte. Es war ein komisches Bild. Ein breitgebauter Mann mit einer Narbe über seinem Auge, der Grübchen besaß.

Seine Augen glitten noch einmal über meinen Körper bevor er sich umdrehte und auf mein offenes Fenster zuging
„Zieh dir etwas an, sonst erkältest du dich noch, Printsessa", rief er über seine Schulter und kletterte mich Leichtigkeit aus dem Fenster.

Da war auch schon wieder dieser Nickname.

Was wollte er nur von mir?

𝐏𝐬𝐲𝐜𝐡𝐨 ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt