Ruslana
Es ist nun schon Tage her, seitdem ich Nico gesehen habe. Meine beste Freundin war nicht so begeistert von der ganze Sache und ließ mich richtig ahnen, als sie anfing mir eine ganze Predigt vorzutragen. Trotzdem war die leichte rote Farbe auf ihren Wangen nicht zu übersehen, als ich Marco erwähnte. Heute hatte endlich wieder der Blumenladen offen und ich konnte arbeiten gehen. Frau Martin war die letzten Tage im Urlaub und kommt morgen wieder zurück, also konnte ich sie dazu überreden mir die Aufschließung zu überlassen. Ich liebte meine Arbeit. Sie beschäftige mich und gab mir die Zeit meine Gedanken zu ordnen.
Papa war gerade dabei den Abwasch zu machen, trotz meines Protestes. Ich griff nach meiner Tasche und lief auf ihn zu. Schnell gab ich ihm einen Kuss auf die Wange und eilte aus der Wohnung bevor er überhaupt die Chance hatte, vernünftig zu antworten. Mit schnellen Schritten rannte ich die Treppe runter und übersprang ein paar Stufen. Unten angekommen öffnete ich die Tür und genoss die warme Luft die mir entgegen wehte. Heute war der erste Sommertag und ich freute mich jetzt schon endlich wieder Kleider tragen zu können.
Die Aufregung in mir brachte mich schon beinahe zum Platzen. Ob heute viele Kunden kommen werden? Ich ließ meine Augen um die Umgebung wandern und lächelte leicht, als ich eine etwas jüngere Frau erblickte, die gerade dabei war ihrem Kind einen Kuss auf die Wange zu geben. Sie verabschiedete sich von ihm mit einem einfachen Winken und schaute ihm zu, wie er mit seinen Freunden in die Schule lief. Ich sollte nicht traurig sein, doch ich konnte nichts dagegen tun. Dann erinnerte ich mich daran, dass ich Papa immer gehabt habe. Manche haben nicht einmal die Möglichkeit ein Elternteil zu kennen. Ich sollte mich nicht beklagen.
Mit etwas positiveren Gedanken kam ich endlich an und schloss auf. Ich lief auf die Theke zu und ließ all meine Sachen auf einen Stuhl fallen, der in der Ecke stand. Ich zog meine Ärmel nach oben und band meine Haare zu einem tiefen lockeren Zopf. Die Fenster machte ich alle auf, da der wundervolle Duft der Blumen vergeht, wenn die Luft nicht rein ist. Ich drehte das Schild um, dass an der Eingangstür hing und wechselte die alte Erde mit neuer aus.
Das Klingeln der Tür ertönte und ich schaute auf. Ein Lächeln legte sich auf meine Lippen und ich öffnete den Mund um den Kunden zu begrüßen, doch die blauen Augen die auf meine trafen, ließen mich stocken. Nico betrat den Laden und brach kein einziges Mal den Augenkontakt mit mir, während er mit langsamen Schritten auf mich zulief. Was machte er denn hier? Er blieb nicht stehen bis er vor mir stand und auf mich hinab blickte.
Er legte seine rechte Hand auf meine Wange ab und die Linke auf meine Hüfte. Meine Haut begann zu brennen, was ich ignorierte. Er kam mir etwas näher und lehnte sich runter bis sich unsere Nasenspitzen berührten. Während sein Atem auf meinen Lippen abprallte, schienen seine Augen sich nicht von ihnen trennen zu können. Sein Blick wurde immer intensiver und sein Griff um mich wurde fester. "Printsessa", hauchte er. "Ich habe dich vermisst", er wollte seine Lippen auf meine drücken und ich legte meine Hände auf seine Brust ab, um ihn aufzuhalten.
"Nicht hier", warnte ich ihn. Ich war selbst überrascht, dass ich ihn nicht komplett von mir drückte und ihm verbot mich zu berühren. Aber ganz innerlich wusste ich wieso. Die ganze Anziehung die ich ihm gegenüber verspürte war die ganze Zeit in mir versteckt und ich versuchte sie immer und immer wieder weg zu schubsen. Ich hatte Gründe, doch nun sind diese Gründe zu Staub verfallen. Er war nicht der, für den ich ihn immer gehalten habe. Mein Hass wandelte sich in etwas um, wovor ich selbst Angst hatte. Ich meinte einst, dass ich befürchtete, ihm zu verfallen; ihm den Eindruck zu geben, dass seine Manipulation bei mir wirkte. Aber das hier war anders. Das hier war real. Es hatte nichts mit Lügen oder Manipulation zu tun.
Ich wusste nicht, ob ich mir das nur einbildete, doch ich glaube ein kleines Schmollen an seinen Lippen entdeckt zu haben. "Wieso?", fragte er mich schlecht gelaunt und zog mich noch näher an ihn ran. "Es ist niemand hier", er ließ seinen Kopf in meine Halsbeuge fallen und platzierte einen zarten Kuss auf meine Haut. Ich seufzte und drückte an seinen Schultern damit er mich ansah. Als er dies nicht tat, legte ich meine Hände auf seine Wangen ab und zwang ihn, mich anzusehen. Seine Augen trafen meine und ich wollte wieder loslassen, doch er griff nach meinen Händen und legte sie wieder an seinen Wangen ab. Zufrieden seufzte er auf.
"Wenn uns jemand sieht, dann-", fing ich an, doch wurde harsch von ihm unterbrochen.
"Es interessiert mich einen verfickten Scheiß, ob uns Leute sehen oder nicht, Ruslana", sagte er und presste die Zähne zusammen. Ich schüttelte schnell den Kopf. Er verstand nicht, worauf ich hinaus wollte. "Mein Vater", sagte ich und zog meine Hände wieder zurück. Er ließ mich. "Wenn er das herausfindet, dann-", der Rest des Satzes blieb mir im Hals stecken. Enttäuschte Augen, die meinem Vater gehören, passten nicht in meinen Alltag rein. Sowas könnte ich nicht verkraften. Was würde er nur von mir denken?
Als ich nicht aufschaute, griff er nach meinem Kinn und zwang mich dazu seinen Blick zu erwidern. "Er wird es akzeptieren müssen", sagte er und lehnte sich vor, bis sein heißer Atem an meinem Ohr zu spüren war.
"Denn du gehörst mir", flüsterte er.
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𝐏𝐬𝐲𝐜𝐡𝐨 ✓
RomansEs existierten viele Worte, die das Leben der jungen Ruslana beschrieben. Gefährlich war jedoch nie eines davon. Sie hielt sich zurück und versuchte immer das Richtige zu tun, selbst wenn es andere nicht so sahen. Alles änderte sich jedoch, als ein...