Ruslana
Entspannt. So konnte man die Atmosphäre nennen. Nachdem ich aus meiner Schockstarre erwacht bin habe ich mich wortlos hingesetzt. Nico tat es mir nach und hat seitdem her immer noch nicht aufgehört mich anzustarren. Als ob das nicht genug war mich aus der Fassung zu bringen, hat er sich auch noch genau neben mich gesetzt. Keine halbe Person würde noch zwischen uns passen. Und irgendetwas sagte mir, dass er das alles extra machte, um mich zu provozieren. Wütend zu machen. Irgendeine Reaktion meinerseits zu bekommen.
Doch das gönnte ich ihm nicht.
Ich habe mich eiskalt von ihm weggedreht und seine brennenden Blicke auf mir ignoriert. Warum sollte ich auch mit ihm sprechen? Er wollte, dass ich hierher kam. Ich tat es. Und jetzt soll ich einfach rumsitzen und nichts tun? Das war mir zu dumm.
„Kann ich dich was fragen?" Seine Stimme brachte mich zurück in die Gegenwart. Wortlos nickte ich und wartete darauf, was er zu sagen hat. Aus dem Augenwinkel konnte ich erkennen wie er sich nach vorne lehnte und seine beiden Unterarme auf seine Oberschenkel ablegte. Die Augen hat er endlich von mir genommen. Seine ganze Aufmerksamkeit galt nun der Leere.
„Was muss ich tun, damit du dich an mich gewöhnst? Mir eine Chance gibst, meine ich. Es ist mir klar, dass ich nicht den besten ersten Eindruck gemacht habe und Schuld an den Verletzungen deines Vaters bin aber ich kann das doch nicht mehr ändern, oder?", fragte er ohne mich anzusehen.
Angespannte Stille breitete sich aus und ich wusste nicht was ich sagen sollte. Könnte ich jemals an seinen Fehlern vorbeisehen und so tun, als wäre alles nicht so wie es ist? Geht das? Und überhaupt...wäre dass, das Richtige? Ich gebe es zu. Etwas bestimmtes seinerseits zieht mich an. Seelisch und körperlich. Und ich mag es nicht. Überhaupt nicht. Mein Leben lang habe ich mich von Jungs ferngehalten.
Und warum das?
Aus Angst. Die Antwort war ganz simpel. Ich habe gesehen, wie die Leute um mich gelitten haben, und das wegen nur einer einzelnen Person. Klar, es gab Momente wo ich mir gewünscht hatte, dass ich jemanden an meiner Seite hätte, doch ich schmiss den Gedanken immer wieder weg. So schnell wie er auch gekommen war, denn das Risiko war zu groß.
Zu bereuen.
Zu leiden.
Nicht genug zu sein
Den Selbstwert zu verlieren
Also habe ich mir ein Ziel gesetzt, mich niemals zu verlieben, wie dämlich das auch klingen mag. Aber bin ich bereit, das alles zu ändern? Mit einer anderen Perspektive nach vorne zu schauen? Mit jemandem an meiner Seite?
Ich seufzte. Das alles bereitete mir unheimlich starke Kopfschmerzen. Ich war keine schlaue Person. Ich holte mir immer Ratschläge bei anderen, da ich nie die Verantwortung über eigene Entscheidungen tragen konnte. Ich wollte sie nicht. Das alles war mir zu viel.
Als Kind bin ich oft in diesen Park gegangen. In der Zeit hatte ich noch einen Haufen Freunde. Trotzdem verbrachte ich meine Zeit lieber alleine. Es gab keinen Streit und keinen Stress. Klang vorteilhaft für mich. Also setzte ich mich immer auf eine Bank und las. Ich las so viel, dass mein Kopf anfing Spielchen zu spielen und sich gegen mich zu wenden. Ich wollte ein Leben haben, dass meinen Büchern ähnelte.
Damals war ich noch dumm. Ich konnte nicht wissen, dass Perfektion nicht existierte.Dann wurde ich älter.
Und ich sah der Wahrheit endlich ins Auge. Ich wurde enttäuscht. Angelogen. Verletzt. Ausgeschlossen. Dinge die jedem Kind mal passierten. Und daraus lernte ich dann. Ich lernte, dass es das perfekte Leben garnicht gibt. Aber man kann versuchen, es sich so schön wie möglich zu machen. Und genau das tat ich.
Ich lief mit einer Schutzblase um mich rum, auf ins Leben. Ohne Sorgen. Ohne Stress. Und das alles blieb auch so, doch dann...
Dann kam dieser Mann neben mir in mein Leben und stellte mein gesamtes Leben auf den Kopf. Er lässt mich Dinge fühlen, die ich noch nie in meinem Leben gefüllt habe. Er lässt mich meine Sichtweisen hinterfragen. Er hat meine Schutzblase kaputt gemacht, und das ohne einen einzelnen Finger zu rühren. Das frustrierte und wunderte mich zugleich.
Also was nun?
Was sollte ich ihm antworten?
Ich atmete tief ein und aus, bevor ich mich zurück zu ihm drehte. Seine kalten Augen trafen auf meine und ich schluckte, als ich realisierte, dass er mich bestimmt schon die ganze Zeit angestarrt hatte.
Ergeben seufzte ich auf.
"Und du würdest alles dafür tun?", fragte ich ihn vorsichtig.
Er blieb für ein paar Sekunden still, und blickte mich einfach stumm an. Dann, so leicht, dass man es kaum erkennen konnte, nickte er und ich wusste endlich was ich zutun hatte.
„Entschuldige dich bei meinem Vater", sprach ich und bemerkte, dass es die richtige Entscheidung war.
Es soll keines Falls bedeuten, dass ich ihm in irgendeiner Hinsicht verziehen habe, aber...
Es war der erste Schritt in den Frieden.
Und wer weiß
Vielleicht kann ich ihm eines Tages in die Augen schauen und etwas anderes sehen als ein Monster.
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𝐏𝐬𝐲𝐜𝐡𝐨 ✓
RomanceEs existierten viele Worte, die das Leben der jungen Ruslana beschrieben. Gefährlich war jedoch nie eines davon. Sie hielt sich zurück und versuchte immer das Richtige zu tun, selbst wenn es andere nicht so sahen. Alles änderte sich jedoch, als ein...