𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟓𝟗

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Nico

Nach dem kleinen Spaß vorhin, wirkte sie noch schüchterner als schon sowieso. Ihre Augen vermieden meine und ihr Kopf blieb die ganze Zeit gesenkt. Ein krankes Gefühl machte sich in mir breit, als ich ihre roten Wangen, ihr zerzaustes Haar und ihre gespalteten Lippen wahrnahm, als ich mich von ihr lösen musste. Die Sucht nach ihr wurde nur noch stärker. Der Drang sie jede einzelne Sekunde meines Lebens bei mir zu behalten wurde größer und meine Kontrolle war wie vom Erdboden verschluckt.

Diese Mädchen tat mir nicht gut.

Sie jetzt loszulassen wäre Selbstmord.

Folter.

Reine Zeitverschwendung.

Denn dafür war es bereits zu spät. Die Definition von Liebe war mir immer fremd, doch dann fing ich an Dinge zu spüren, die ich noch nie in meinem Leben gespürt hatte. Ihre Berührungen lösten Reaktionen bei mir aus, die noch nie jemand auslösen konnte.

Leider war es bereits Nacht geworden und ich musste sie nach Hause fahren. Ich hatte vor niemandem Respekt. Bis vor kurzem gehörte Adrian noch zu den Leuten, die mir scheiß egal waren. Dann lernte ich die süße Seele kennen, die gerade neben mir auf dem Beifahrersitz saß und eine neue Perspektive fiel vom Himmel. Ich wollte Respekt vor ihm haben. Ich wollte Ruslana stolz machen. Ihr zeigen, dass sich ihre Geduld lohnen wird. Wegen ihr, will ich gut sein.

Etwas was ich plante nie zu sein.

Ich bog in die nächste Straße ein und hielt vor dem Wohnhaus an. Mein Griff um das Lenkrad wurde stärker, während ich einen Blick auf das schäbige Gebäude vor uns warf. Ein spezieller Gedanke geht mir nicht aus dem Kopf.

Ich könnte ihr besseres bieten.

Beiden. Da ich weiß, dass sie sich nicht von der Stelle rühren wird, ohne ihren Vater an ihrer Seite.

Mein Kopf schoss in ihre Richtung, als sie gerade dabei war sich abzuschnallen. Sie stieg jedoch nicht aus. Mit neugierigen Augen blickte sie zu mir und legte den Kopf schief. So verdammt niedlich. "Ist alles in Ordnung?", fragte sie mich in einem sanften Ton und ich schluckte stark. Ay, ich habe sie nicht verdient. Knapp nickte ich und blickte wieder nach vorne. "Sicher?", fragte sie noch einmal und machte mich verrückt mit ihrer Vorsicht.

Ich war ein Mann, der viel Dunkelheit in seinem Leben trägt und ohne jegliche Gründe schenkte man mir sie. Einen Engel. Eine Frau, die ich nicht verdiente. Ein Mensch, der ein zu großes Herz besitzt. Eine innere und äußere Schönheit auslebt. Mein Kopf schüttelte sich von selbst und ihre kleine zierliche Hand griff nach meiner, bevor sie anfing kleine Kreise auf meine Haut zu malen.

Ja, daran könnte ich mich auf jeden Fall gewöhnen.

"Wieso hier?", platzte es auf mir raus und ich bereute es sofort, als sich Verwirrung in ihren Augen wieder spiegelte. "Was meinst du?", fragte sie mich und ich spannte den Kiefer an. Jetzt oder nie. Ohne den Blick von den Wohnhaus vor uns abzuwenden, sprach ich weiter. "Warum wohnt ihr hier, Ruslana?", fragte ich und spürte wie ihr Griff um meine Hand langsam nachließ. "Ich könnte dir besseres bieten.", sprach ich weiter und schaute zu, wie sie nun komplett von mir abließ.

der'mo.

"Was soll das heißen?", fragte sie mich und starrte Löcher in meinen Kopf. Von ihrem sanften Ton war keine Spur mehr. Ich schluckte und befestigte den Griff um das Lenkrad so sehr, dass meine Knöchel an weiße Farbe annahmen. "Die Gegend ist nicht sicher. Von hier aus kommt man schwer in die Stadt. Was wenn du dich verletzt? Die Wohnung ist auch zu klein. Es ist einfach nicht genug", sprach ich und bemerkte erst zu spät wie sich meine Stimme mit jedem Wort erhob.

Aus dem Augenwinkel konnte ich erkennen, wie sie leicht aufzuckte. Meine Brust zog sich zusammen und ich konnte erkennen wie sie mich wütend anfunkelte. "Worauf willst du hinaus?", fragte sie mich in einem ungeduldigen Ton. Ich rollte meine Schulter und hoffte, dass diese verfickte Anspannung endlich meinen Körper verließ. "Lass mich euch helfen-", bevor ich den Satz auch nur ansatzweise aussprechen konnte, wurde ich von ihr unterbrochen.

"Wir brauchen deine Hilfe nicht!", rief sie und blickte mich streng an. "Uns geht es gut. Man braucht nicht immer unbedingt Geld, um glücklich zu sein! Mir reicht das alles hier aus. Mir geht es gut hier. Was ist daran so schwer zu verstehen?" Sie platzte. Mein Mund öffnete sich, bevor ich ihn wie der letzte Bastard wieder schloss. Ich konnte nichts erwidern.

Ich hatte schon wieder scheiße gebaut. Oder?

Ich blickte wieder ihn ihre Richtung und wollte zum Ansetzten ansprechen, doch sie ließ mich nicht. "Du machst einen noch verrückt. Andauernd muss du es einem recht machen. Schön, dass du dich so sehr um mich sorgst, doch es ist reine Zeitverschwendung. Wir haben es bis hierhin geschafft. Ich bin mir sicher, dass wir das auch weiterhin schaffen werden!", sprach sie und wurde mit jedem Wort wütender. Ihre Stimme zitterte etwas und ich wusste, dass sie verletzt war. Ich wollte mich entschuldigen, doch bevor ich überhaupt so weit kommen konnte, machte sie die Tür auf, stieg aus und machte sie mit voller Wucht zu.

Meine Augen verließen sie nicht, bis sie drinnen war.

Seitdem ich dieses Mädchen kenne, habe ich nie darüber nachgedacht, ob sie es mal schwer hatte. Sie hatte immer nur ihren Vater an ihrer Seite. Mehr wurde ihr nicht gegeben. Sie arbeitet sich fast täglich den Arsch ab, nur um die Miete bezahlen zu können. Und ich Bastard habe es ihr noch schwerer gemacht. Ich will ihr helfen. Aber alles was materialistisch ist, wird sie nicht annehmen. Egal wie sehr ich es auch versuchen werde.

Doch ich werde nicht aufgeben.

A/N
Übersetzung:
der'mo=Scheiße

𝐏𝐬𝐲𝐜𝐡𝐨 ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt