Kapitel 58

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"Und? Wie geht es euch jetzt, Bones? Besser?" Beckett lief Schritt für Schritt umher, ehe er stehen blieb und sie mir hinab sah.

Ich hatte mich zurück auf den Boden gesetzt gehabt, als Groves dabei war mir die Eisen anzulegen. "Ist das eine rhetorische Frage?" Ich musterte ihn misstrauisch. "Keinesfalls. Ich nahm nur an, dass ihr euch nun besser fühlen würdet nachdem ihr mit..." Sein Blick glitt kurz rüber zu Groves, der noch hockend hinter mir mit den Eisen beschäftigt war. Dieser stoppte für einen Moment in seiner Bewegung und erwiderte den Blick. "...einem Freund gesprochen habt." beendete Beckett seinen Satz. "Was wollt ihr?" zischte ich und sah Beckett zornig an, richtete so seine Aufmerksamkeit wieder auf mich. Abwehrend hob er die Hände. "Es war nur eine einfache Frage." verteidigte er sich.

Zeitgleich schien Groves fertig gewesen zu sein, stand und setzte sofort zum Gehen an.

"Danke, Lieutenant." kam es von Beckett.

Wie auf Kommando stoppte Groves und drehte sich ein letztes Mal um. Er nickte Beckett zu und warf mir noch einen letzten Blick zu ehe er dann auch verschwand.

"Wo ist der Governor? Habt Ihr ihn erneut getötet?" Schoss es aus mir heraus. Ziemlich verwundert schaute mein Gegenüber mich an. "Ich habe ihn damals nicht getötet." Meine Stirn legte sich in Falten. Ich folgte jedem seiner Schritte die er durch das Zelt machte. "Mercer war es." Ich schnaubte.

"Lord Beckett. Ich muss euch wohl nicht sagen, dass wenn Ihr jemanden dazu beauftragt - Ihr ebenfalls die Schuld tragt." - "Nein. In der Tat. Dessen bin ich mir bewusst." kam es von ihm.

"Wo ist er?" Fragte ich ein weiteres Mal.

Ohne sich davon stören zu lassen lief er langsam umher.

"SAGT ES MIR!" platzte es allmählich aus mir heraus.

Er blieb stehen. Wandte sich mir zu, ehe die Worte „Auf dem Weg zurück nach Port Royal" seine Lippen verließen als wäre es das Selbstverständlichste der Welt.

Meine Wut änderte sich in zunehmendes Misstrauen und Verwunderung. Wieso sollte Governor Swann fort segeln? Wieso sollte er mich hier zurücklassen? Auch wenn ich Becketts Worten in jenem Moment Glauben geschenkt hätte, bliebe diese Frage völlig unbeantwortet. Es schien mir schlichtweg unmöglich. Reflektierte ich jedoch das Vergangene, dachte über alle möglichen Situationen und Intrigen nach, schien es mir garnicht mehr so unmöglich zu sein.

"Sagt mir: Wenn ich euren Worten Glauben schenken soll..." - "Das könnt ihr, Bones." Unterbrach er mich mal wieder, was mich vorerst länger verstummen ließ. Noch immer musterte ich ihn. Versuchte irgendetwas zu erkennen zu können, versuchte zu verstehen.

"Na dann. Sagt mir, Lord Beckett." Ich betonte seinen Namen missbilligend, während er mich beinahe belustigt ansah. Seine vermeintliche Überlegenheit mir gegenüber schien ihn sichtlich zu amüsieren.

Ja, er mochte mir zwar politisch überlegen sein. Das stritt ich auch nicht ab.

Er hatte Macht, verfügte über eine große Anzahl an Truppen der englischen Marine.

Doch wie oft wird Macht den falschen Menschen vermacht?

"Wie gelang es euch Governor Swann glauben zu lassen, dass ich ebenso nach Port Royal zurückkehre?" Fuhr ich fort. Denn genau das war es was ich befürchtete. Sie ließen Governor Swann davon ausgehen, dass ich ihn begleiten würde.

Beckett sah keineswegs überrascht aus. Genauso wenig machte es den Anschein als fühle er sich ertappt.

"Wie es mir gelang spielt wohl keine Rolle mehr. Fakt ist er geht davon aus, dass ihr genau wie er auf dem Weg zum Ufer seid wo die Schiffe bereits auf euch warten." - "Weil er vor gerade mal vor einer oder zwei Stunden gesehen hat wie die Soldaten mich von euch wegführten? Weil ihr ihm gesagt habt, ich würde dort auf ihn warten? Das ganze erscheint mir nicht gut durchdacht zu sein, Lord Beckett." Ein kurzes, gehässiges Lächeln zierte meine Lippen. Dieser Plan war ganz und garnicht durchdacht. Was hatte Beckett davon? Governor Swann loswerden, damit er seine Pläne nicht durchkreuzen kann? Spätestens wenn die Segel gesetzt werden und er mich aber bisher kein einziges Mal zu Gesicht bekommen hat, würde er die Abreise sofort abbrechen. Und dann? Würde er mich holen kommen.

"Ihr schreibt euch selbst ziemlich viel Bedeutung zu wenn es um den Governor geht." Warf er mir vor.

Für einen Moment schwieg ich.

Für einen Moment ließ ich diese Worte zu nah an mich rankommen.

"Vielleicht tu ich das. Vielleicht aber auch nicht. Ihr kennt uns nicht. Ihr wisst nicht was er alles für mich getan hat. Ihr wisst nicht wie dankbar ich ihm bin. So etwas wie Dankbarkeit scheint ihr ja garnicht zu kennen. Also mischt euch nicht in die Angelegenheiten meiner Familie ein." - "Eure Familie?" Entgegnete er rasch. Meine Stirn legte sich in Falten. Ehe ich etwas einwerfen konnte, fuhr er fort.

"Und wo genau ist diese Familie? Wer ist diese Familie überhaupt? Ein Governor, der so gutherzig war euch aufzunehmen und dessen Güte Ihr mit Füßen getreten habt in dem Moment als ihr euch der Piraterie zugewandt habt? Die Schwester die in den letzten zwei Jahren gut ohne euch zurecht gekommen ist und sogar einen Sohn hat, von dem ihr nichts wisst?"

Bones - Ewige Jugend Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt