Ein kühler Windhauch strich über meinen Rücken und mich erfasste ein kalter Schauer. Was tat ich hier überhaupt? Es hatte mein Leben noch nie verbessert, wenn ich nachts auf der Terrasse stand und mich von der kalten Luft betäuben ließ. Und doch befreite es mich kurzfristig von meinen Sorgen. Ich ließ den Fokus meines Blickes schwinden, bis alles zu einer schwarzen Decke verschwamm. Meine Gedanken verflüssigten sich und ich konzentrierte mich auf das Flüstern des Windes, versuchte seine Sprache zu verstehen, wartete auf mehr als die Tiefe der Nacht. In meinem Geistformte ich Gedanken, die ich mit dem Wind fortschickte, in der Hoffnung jemand möge sie hören und mir beistehen. Es gab Leute, die daran glaubten, der Wind sei die Sprache der Geister, mit dem sie uns warnen, angreifen oder auch trösten wollten. Ich war nicht abergläubisch, aber trotzdem hielt ich an dem Glauben fest und hoffte meine verstorbene Freundin war irgendwo dort draußen in der kalten Finsternis. "Keyla? Bist du da?" Ich kam mir lächerlich vor, aber die Trauer machte Dinge mit Menschen, die sie nie für möglich halten würden. "Hört mich irgendjemand?" Eine heiße Träne rann mir über die Wange. Egal wie lächerlich es auch wirken mochte, ich würde alles dafür geben nur noch ein Mal mit meiner Freundin sprechen zu können. Die eisige Einsamkeit griff erneut nach mir und ich hatte ihr nichts entgegenzusetzen. Ich drehte dem an die Terrasse angrenzenden Garten den Rücken zu und fuhr mir über meine tränennassen Augen. Plötzlich strich mir ein eiskalter Hauch über die Schulter, fast wie eine Berührung. Ich fuhr herum, konnte aber nichts als dunkle Schatten erkennen. Das Gefühl war so schnell wieder weg, wie es gekommen war, aber ich war mir sicher, dass ich es mir nicht eingebildet hatte. Noch einmal drehte ich mich im Kreis. Vergebens. Enttäuscht und vor Kälte zitternd schlich ich zurück ins Haus. Meine Eltern hatten keine Ahnung, was ich inzwischen fast jeden Abend tat. Und das war gut so, denn wenn sie es wüssten wäre ich längst bei einem Psychiater. Zurück in meinem Zimmerlegte ich mich ins Bett, ohne das Licht einzuschalten, ansonsten müsste ich mich den Bildern von mir und Keyla gegenüberstellen, auf denen wir noch so glücklich wirkten. Es war gerade mal drei Wochen her, als ich sie das letzte Mal gesehen hatte. Ich schob die Gedanken weg, bevor mir wieder die Tränen kamen. Nachdem ich ungefähr zwei Stunden an die Decke gestarrt hatte konnte ich endlich einschlafen.
Ein lauter Knall ertönte und ich fuhr stocksteifhoch. Hatte ich geträumt, oder war das Geräuschecht gewesen? Vorsichtig tastete ich nach meiner Nachttischlampe und musste kurz blinzeln, bei der plötzlichen Helligkeit. Prüfend begutachtete ich mein großes Zimmer. Es schien alles in Ordnung, bis mein Blick auf mein Notizbuch fiel, das anscheinend vom Schreibtisch gefallen war. Hatte ich es so nah an die Kante gelegt? Ich war mir sichergewesen, es läge sicher in der Mitte. Mit einemmulmigen Gefühl im Magen machte ich das Licht aus und drehte mich wieder um. Aufheben konnte ich es auch morgen noch.
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Ghost Whispers
RomanceRayn hat den wichtigsten Menschen in ihrem Leben verloren: ihre beste Freundin. Zu ihren Eltern hat sie ein distanziertes Verhältnis, weshalb ihr nur ihre Freundin wirklich wichtig gewesen war. Doch Rayn will nicht einfach aufgeben, will nicht ohne...