Kapitel 29

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Wie gewohnt meldete ich uns bei Ms. Rodrigo an und wir nahmen auf dem weißen Sofa platz. Mrs. Pella holte uns schon nach wenigen Minuten ab.

Bei Silens Anblick zog sie kurz eine Augenbraue hoch, sagte dann aber nichts weiter.

Mit zittrigen Fingern klopfte ich an Hellens Tür. Mein Herz pochte heftig, als ich sie öffnete.

Hellen lächelte mich herzlich an, als ich eintrat, doch als Silen hinter mir erschien gefroren ihre Gesichtszüge. Tränen sammelten sich in ihren blassblauen Augen. Silen ging an mir vorbei und schloss seine Mutter in die Arme, die jetzt ungehindert weinte.

Auch mir stiegen Tränen in die Augen, bei diesem rührenden Anblick.

Wir verbrachten viel Zeit bei Hellen. Die beiden hatten viel zu bereden, das ich nicht hätte übermitteln können. In ein paar Stunden versuchten wir die verlorenen Jahre wieder aufzuholen. Bis uns Hellen wegscheuchte, mit der Bitte endlich Alea zu besuchen. Die Schwester, die Silen nie auch nur gesehen hatte. Also ließen wir uns ihre Adresse geben und machten uns auf den Weg.

*

Alea wohnte in einer kleinen Wohnung in einem Wolkenkratzer nicht weit von Keylas alter Wohnung entfernt. Nicht nur Silen war angespannt, als ich klingelte, sondern auch ich. Würde sie uns auch so einfach glauben, wie Hellen und Callam? Silens Mutter hatte Alea als eine geschäftige Büroarbeiterin beschrieben. Und das passte zu der großen, schlanken Frau, die uns jetzt die Tür öffnete. Sie hatte hellorangefarbene, kinnlange Haare und trug eine schwarze Brille. Ihr Gesicht war schmal und viel weicher als das ihrer Brüder. Selbst wenn es mir niemand gesagt hätte, hätte ich gewusst, dass sie mit Silen und Callam nicht wirklich verwandt war. Auch ihre grünen Augen sprachen dagegen.

Sie sah erst mich skeptisch an und dann Silen, doch auf ihm ließ sie ihren Blick ruhen. Allein diese Tatsache faszinierte mich aufs Neue. „Kennen wir uns?", fragte sie höflich und mit angenehm weicher Stimme.

Silen schenkte ihr sein typisch schiefes Grinsen und ihre Augen wurden augenblicklich groß. „Ich fürchte leider nein."

„Ich bin Rayn", begann ich. „Und das ist..."

„Silen", unterbrach sie mich fassungslos. „Doch wie kann das sein?"

„Du erkennst ihn wieder?", fragte ich verwirrt, da ich angenommen hatte sie hätten sich nie gesehen.

Alea nickte. „Ich habe früher viel Zeit damit verbracht, mir Fotoalben anzusehen." Sie musterte Silen von oben bis unten. „Allerdings habe ich nie ein Bild gesehen, auf dem du weiße Haare und rote Augen hast", stellte sie nüchtern fest.

Auch ich musste jetzt grinsen.

„Mir wurde gesagt du seist tot", bemerkte Alea trocken.

Silen verschränkte die Arme vor der Brust. „Das war ich auch, aber jetzt bin ich wieder lebendig." Ich hätte schwören können Stolz in seine Stimme zu hören und verdrehte die Augen.

„Dank mir", fügte ich hinzu.

Alea hob jetzt auch die zweite Augenbraue und wandte sich mir zu. „Und wer bist du."

„Ich bin seine... Freundin."

„Und du glaubst ihm?" Sie nickte in Silens Richtung.

Auch ich verschränkte jetzt die Arme vor der Brust. „Ich war von Anfang an dabei."

„Also wollt ihr jetzt beide, dass ich euch glaube?" Sie lachte kurz auf.

Im Gegensatz zu Callam konnten wir ihr keine Erinnerung erzählen, die nur sie beide kannten. Wir würden unsere Behauptung mit etwas anderem untermauern müssen. „Hellen hat uns zu dir geschickt."

„Und Cal glaubt uns auch", bekräftigte Silen.

Alea begann zu lachen. Es war ein glockenklares, angenehmes Lachen. „Na also, wenn Cal euch glaubt, der eigentlich nur seinen Paragraphen vertraut, dann muss ich das wohl auch tun."

Ich stellte fest, dass ich die junge Frau mochte. Sie war mir sympathisch.

Endlich trat Alea zur Seit und ließ uns in ihre Wohnung. Mein Herz setzte einen Schlag aus als ich mir die Wohnung genauer ansah. Sie erinnerte mich so sehr an Keylas Wohnung, dass es mir einen Stich versetzte. Ich versuchte den Kloß in meinem Hals hinunterzuschlucken.

„Was hast du?", fragte Alea fürsorglich, als mir Silen beruhigend eine Hand auf den Rücken legte.

„Meine Freundin", ich holte einmal tief Luft. „Deine Wohnung erinnert mich an die meiner verstorbenen Freundin."

Alea legte mir beruhigend eine Hand auf die Schulter.

Ich riss mich zusammen und wir setzten uns auf das braune Sofa in dem gemütlichen Wohnzimmer. Ein dunkler Teppich lag auf dem rötlichen Holzboden.

Silen und Alea begannen über ihre Familie zu sprechen und tauschten Erinnerungen aus. Ich hielt mich weitestgehend aus den Gesprächen raus und schwelgte in meinen eigenen Erinnerungen, während ich die vertraute Wohnung betrachtete.

Ghost WhispersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt