Josh Kariz, das stand auf dem kleinen Schild an der Tür. Ich befasste mich nicht lange mit Höflichkeiten, sondern trat die schäbige Tür einfach ein. Die Wohnung müffelte, wie auch schon bei meinem ersten Opfer. Ich war erneut komplett in schwarz gekleidet. Der Eingangsbereich war leer, weshalb ich nach links ins Wohnzimmer einbog. Dort vor dem kleinen Fernseher auf dem Sofa lag ein kleiner Mann mit schütterem blondem Haar. Ich schätzte ihn auf Mitte fünfzig. Erschrocken rappelte er sich auf, fiel auf den Boden und kroch auf allen vieren davon. Ich rollte mit den Augen, ging ihm mit schnellen Schritten nach und packte ihn am Kragen. Als ich ihn auf die Beine gezogen hatte jagte ich ihm meine Faust in den Magen und er krümmte sich zusammen.
„Wer bist du?", krächzte Josh.
Ich trug ein schwarzes Tuch, das die Hälfte meines Gesichts verdeckte. „Ich bin dein Tod", gab ich kühl zurück.
Josh rappelte sich wieder auf und erinnerte sich anscheinend daran, wer er war, denn er zielte mit der Faust auf mein Gesicht.
Ich blockte den Schlag ab, trat mit einem Bein hinter ihn und brachte ihn mit einem kleinen Stoß zu Fall. Als er wimmernd und bettelnd vor mir auf dem Boden lag zog ich meine Pistole. Ein letzter Blick in sein jämmerliches, faltiges Gesicht und ich drückte ab. Blut spritzte auf den Boden und eine Lacke breitete sich unter dem Kopf des Mannes aus. Silen hielt grinsend einen Daumen hoch. Ich wandte mich von seinem Anblick ab und verließ die Wohnung und das Haus, ohne gesehen zu werden.
Dieses Mal brachte ich die Pistole nicht in Silens Wohnung zurück, sondern behielt sie bei mir. Für den nächsten Auftrag. Die Welt war von einem weiteren Mörder befreit worden.
Silen verfolgte mich auf Schritt und Tritt und als wir wieder Zuhause waren verbrannte ich meine Klamotten im Wald und vergrub die Asche, wie auch schon beim letzten Mal.
„Weißt du eigentlich, wie heiß du mit einer Waffe in der Hand aussiehst?", bemerkte Silen, als ich die Pistole wieder in ihr Versteck in meinem Zimmer legte.
Ich hob eine Augenbraue und drehte mich zu ihm um. „Nein, ich habe noch nicht in den Spiegel gesehen."
Silen kam auf mich zu und schob mich so lange rückwärts, bis ich auf mein Bett fiel. „Ich werde es dir zeigen", hauchte er mir ins Ohr.
Mein langes graues Shirt verschwand, ebenso wie Silens schwarzer Pullover. Nach und nach flogen auch alle anderen Klamotten auf den Boden. Silen ließ mich alles vergessen. Er erfüllte mein Innerstes mit einem so strahlenden Licht, das meine grausame Dunkelheit vertrieb. Es war das erste Mal, seit sehr langer Zeit, dass ich mich völlig friedlich und mit mir selbst im Reinen fühlte. Hätte ich nicht schon längst gewusst, wie sehr ich Silen liebte, wäre es mir jetzt bewusst geworden.
*
Ich blinzelte. Ein starker Arm lag um meine Hüfte geschlungen. Vorsichtig hob ich eine Hand und strich Silen eine silberne Haarsträhne aus dem Gesicht. Er brummte zur Antwort und zog mich noch enger an sich. Ich musste lächeln, ansonsten wäre ich vor Glück explodiert.
Mein Magen knurrte und obwohl ich gar keine Lust dazu hatte musste ich mich aus Silens Umarmung befreien. Ich sammelte meine Klamotten vom Boden auf, holte mir neue aus dem Schrank und ging ins Bad, während Silen sich in meinem Bett noch einmal umdrehte. Zum Glück hatte ich heute keine Schule, weshalb ich zuerst ein langes entspannendes Bad nahm.
Nachdem ich meine Haare geföhnt und mich angezogen hatte, ging ich wieder in mein Zimmer.
Silen saß angezogen auf meinem Bett und machte ein nachdenkliches Gesicht.
„Was ist?", fragte ich heiter.
„Geister können ihre Klamotten mit nur einem Gedanken tauschen", erklärte er. „Das hat aber gerade nicht funktioniert."
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Ghost Whispers
RomanceRayn hat den wichtigsten Menschen in ihrem Leben verloren: ihre beste Freundin. Zu ihren Eltern hat sie ein distanziertes Verhältnis, weshalb ihr nur ihre Freundin wirklich wichtig gewesen war. Doch Rayn will nicht einfach aufgeben, will nicht ohne...