Rot. Alles war rot. Ich sah nur rot. Angestrengt versuchte ich zu blinzeln, doch selbst wenn meine Augen geschlossen waren, war alles rot. Langsam fokussierte sich mein Blick und das Rot wurde zu dem Licht einer Ampel. Doch nicht zu irgendeiner Ampel. Es war die Ampel an der Kreuzung. Mein Blick wanderte automatisch zu der gegenüberliegenden Straßenseite, obwohl ich mich am liebsten abgewandt hätte. Das strahlende Lächeln meiner besten Freundin war wie ein Schlag ins Gesicht. Ihr Lächeln war wie ein warmer Frühlingsmorgen. Wie Sonnenstrahlen, die den morgendlichen Tau vertrieben. Wie das Licht, das die Dunkelheit vertrieb. Die Dunkelheit in meiner Seele. Mein Körper verkrampfte sich. Ich versuchte gegen den Druck in meiner Kehle anzukämpfen, versuchte zu atmen, zu schreien. Aber ich hatte keine Kontrolle, wurde gezwungen meine Freundin anzusehen, das Auto anzusehen, das direkt auf sie zuschoss. Meine Beine waren wie in Beton gegossen. Alles passierte wie in Zeitlupe. Ich war gezwungen jedes noch so kleine Detail zu sehen. Wie das Auto Keyla erfasste, wie sich der Schock in ihrem Gesicht ausbreitete. Ihr Körper wurde brutal zur Seite gerissen. Schon in diesem Moment mussten etliche Knochen in ihrem perfekten Körper gebrochen sein. Doch das war noch nicht genug. Im nächsten Moment wurde Keyla mit einem entsetzlichen Krachen gegen die Hauswand geschmettert. Blut spritzte auf die weiße Motorhaube des Wagens und an die weiße Wand. Mein Herz raste und der Schweiß brach mir aus, während ich einfach nur zusehen konnte. Der Airbag in dem Auto wurde geöffnet, doch ich wusste, dass er Fahrer es trotzdem nicht überleben würde. Genauso wenig, wie meine Freundin. Endlich konnte ich mich aus der Starre lösen. Ich sprintete trotz der roten Ampel über die Straße auf die Unfallstelle zu. Das Hupen der Autos und das Quietschen von Reifen ignorierte ich. Ein Fußgänger, der alles mit angesehen hatte fing mich ab, bevor ich zu meiner Freundin laufen konnte. Ich schrie und schlug um mich, doch ich konnte mich nicht befreien. Alles wurde schwarz und ich schrie immer weiter.
„Rayn!" Eine warme Hand drückte meine Schulter. Mein Bewusstsein konnte sich nicht lösen und mein Körper stand immer noch unter Spannung. „Rayn, wach auf!" Diese vertraute Stimme. Ich wollte ihr folgen. „Es war nur ein Traum." Die Stimme war so voller Wärme. Ich zwang mich loszulassen und mit einem Keuchen fuhr ich hoch.
Es war nur ein Traum gewesen. Schon wieder dieser Traum. Schwer atmend und schweißgebadet sah ich zu Silen, der neben mir auf dem Bett saß. „Danke", flüsterte ich.
Ich zwang mein pochendes Herz zur Ruhe und legte mich wieder hin. Silen wollte aufstehen und gehen, doch ich schnappte mir seine Hand und zog ihn zu mir. Noch immer staunte ich über die Tatsache, dass ich ihn wirklich berühren konnte. Silen legte sich neben mich und zog mich an seine warme Brust. Sein ruhiger Herzschlag beruhigte auch mich, bis ich wieder in einen traumlosen Schlaf fand.
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Ghost Whispers
RomanceRayn hat den wichtigsten Menschen in ihrem Leben verloren: ihre beste Freundin. Zu ihren Eltern hat sie ein distanziertes Verhältnis, weshalb ihr nur ihre Freundin wirklich wichtig gewesen war. Doch Rayn will nicht einfach aufgeben, will nicht ohne...