Kapitel 21

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"Ich muss raus, Dylan wird gleich hier sein." Ich schnappte mir meine Jacke und meine Tasche. „Er meinte er muss mir irgendwas wichtiges sagen."

„Rayn, geh nicht."

Silens Stimme war so voller Hoffnungslosigkeit, dass ich abrupt inne hielt. „Warum?" Ich sah ihn fragend an.

Er fuhr sich nervös mit der Hand durch die gewollt unordentlichen Haare. „Bitte, geh einfach nicht."

Ich seufzte und wollte mich gerade abwenden und gehen, als mich plötzlich jemand am Handgelenk packte. Erschrocken fuhr ich herum und blickte in rot schimmernde Augen. Ungläubig starrte ich auf mein Handgelenk. Es war seine Hand. Er hielt mich fest!

„Wie...?", begann ich.

Auch Silen war sprachlos und blickte auf seine Hand, die meine festhielt. Langsam hob er seine Hand an und fuhr mit den Fingerspitzen über meine Wange. Um mich nicht von meinen Augen täuschen zu lassen schloss ich sie. Doch ich konnte seine sanfte Berührung immer noch spüren. Seine Finger wanderten von meiner Wange zu meinem Kinn, dann fuhr er mit dem Daumen über meine Lippen. Als die Berührung verschwand öffnete ich meine Augen wieder und unsere Blicke trafen sich. Aus einem unerklärlichen Impuls heraus und vor überströmenden Glücksgefühlen warf ich mich Silen um den Hals. Und auch das konnte ich spüren! Vorsichtig schob Silen mich von sich. Fragend blickte ich ihn an. Doch dann riss er mich an sich und unsere Lippen trafen aufeinander. Und ich hielt ihn nicht auf, nach all dem Hass, den ich für ihn empfunden hatte war da doch noch so viel mehr, das ich mir nie eingestehen wollte. Der Kuss war wie eine Explosion. Er war stürmisch und doch so leidenschaftlich. In meinem Bauch sammelten sich Schmetterlinge und ich fühlte mich so leicht als könnte ich jeden Moment davonschweben. Der Kuss war so viel mehr, als alles, was ich bisher mit Dylan geteilt hatte. Silen drehte mich herum und schob mich rückwärts, bis ich mit den Füßen an etwas Hartes stieß und auf mein Bett fiel. Ich riss die Augen auf und verlor mich in strahlenden Rubinen, bis Silen sich über mich beugte und erneut meinen Mund eroberte. Ich sah nichts und doch fühlte ich mehr als je zuvor.

Irgendwann ließ Silen sich neben mir aufs Bett fallen. Ich rollte mich auf die Seite und legte meinen Kopf auf seine Brust. Mit seinem Finger zeichnete er Muster auf meinen Handrücken, als könnte er es immer noch nicht glauben.

Wie es wohl für ihn war, nach all der Zeit wieder etwas zu spüren?

„Bitte bleib." Seine Stimme war nur ein Flüstern.

„Okay", antwortete ich ebenso leise.

Anscheinend genossen wir beide den Augenblick zu sehr, um ihn zu unterbrechen.

*

Ich zuckte zusammen, als es plötzlich an der Tür klingelte. Meine Eltern waren nicht Zuhause, weshalb ich den Moment, in dem ich auf Silens harter Brust lag so lange wie möglich hinauszögerte. Doch dann musste ich mich aufraffen und mich von ihm lösen.

„Ignorier es doch einfach", bat Silen mich sanft.

Ich blickte auf ihn hinab, auf seine silbern glänzenden Haare, die in kurzen Strähnen auf meinem Kopfkissen lagen, auf seine rot glänzenden Augen, in denen nun etwas funkelte, das ich noch nie bei ihm gesehen hatte, und auf sein kantiges, vollkommenes Gesicht, das sowohl Zufriedenheit, als auch Besorgnis ausdrückte. „Ich kann nicht. Er weiß, dass ich hier bin." Etwas in mir wünschte sich ich hätte das nicht sagen müssen, hätte nicht aufstehen und zur Tür gehen müssen. Die Klinke fühlte sich kalt in meiner Hand an, die sich noch immer nach Silens Wärme sehnte. Noch immer schwirrte mein Kopf und fand keine Erklärung für das, was gerade passiert war. Dafür dass ich ihn jetzt endlich, nach all der Zeit berühren konnte. Ich selbst war kein Geist, denn ansonsten hätte ich die Tür nicht so einfach öffnen können. Und es erschien mir auch unrealistisch, dass Silen einfach so wieder lebendig geworden war. Doch das würde ich wohl gleich herausfinden.

Ghost WhispersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt