Kapitel 16

3 0 0
                                    

Heute war der Tag weder gut noch schlecht. Die Tatsache, dass Samstag war verbesserte allerdings die Lage. Ich schlug die Augen auf und drehte den Kopf. Silen saß bereits am Fußende auf der Bettkante und verfolgte jede meiner Bewegungen mit skeptischem Blick. Inzwischen hatte ich mich daran gewöhnt, dass er immer da war. Wenn ich einschlief. Wenn ich aufwachte. Immer.

„Wie geht es dir?" Seine Frage enthielt weder Mitleid, noch Sorge, das war das Wichtigste. Es war lediglich eine Frage.

„Es ist in Ordnung", antwortete ich verschlafen und mit rauer Stimme.

Silen nickte. „Ich will, dass du dich anziehst und mich dann begleitest."

Ich hob fragend eine Augenbraue. „Wohin?"

Über Silens Lippen legte sich ein schiefes Grinsen. „Das erfährst du, wenn wir da sind."

Seufzend quälte ich mich aus dem Bett und begab mich ins Bad. Als ich wieder herauskam trug ich eine enge schwarze Hose und einen langen schwarzen Pulli. Vor meiner Zimmertür zog ich noch meine Stiefel und Winterjacke an, dann warf ich Silen einen abwartenden Blick zu. Diesen erwiderte er schelmisch grinsend und verließ mein Zimmer.

„Wir müssen mit dem Bus ans andere Ende der Stadt", erklärte er mir draußen.

„Und mit welchem Bus genau", hakte ich immer noch ahnungslos nach.

Silen zeigte auf das große Fahrzeug, das in diesem Moment auf uns zurollte. „Mit dem da."

Es waren zum Glück die meisten Plätze frei, deshalb ging ich nach hinten, wo ich ungestört mit Silen reden konnte. „Bekommst du eigentlich auch Rückenschmerzen, wenn du zu lange stehst?"

Er sah mich irritiert an. „Nein. Wie kommst du auf so einen Blödsinn?"

„Ist mir eben gerade so eingefallen", verteidigte ich mich.

Eine Weile saßen wir schweigend nebeneinander und ich betrachtete die vorbeiziehende Stadt durch die Scheiben. Hier lag schon der eklige braune Matsch auf den Straßen. Außerhalb der Stadt lag stattdessen überall Schnee. Ich mochte den Winter. Das Chaos wurde irgendwie zum Alltag und keinem fiel es auf, wenn man schlechte Laune hatte, weil das zu der dunklen Jahreszeit dazugehörte. Trotz dessen wurden die Menschen auch herzlicher, wenn Weihnachten nahte. Meine Familie feierte das Fest zwar nicht wirklich, aber ich liebte die Vorweihnachtszeit. Es war die Zeit, in der man sich ohne schlechtes Gewissen in eine Decke wickeln und mit einer Tasse Tee in der Hand den ganzen Tag lesen konnte. Beim Gedanken an mein warmes Bett lief mir ein kalter Schauer über den Rücken, denn der verdammte Bus hatte keine Heizung.

„Ist dir kalt?" Silen musterte mich und deutete auf meine zitternden Hände.

Ich nickte und biss die Zähne zusammen, damit sie nicht klapperten. Auch wegen der Kälte mochte ich den Winter, da man sich dann viel mehr darauf freute nach Hause ins Warme zu kommen.

Silen machte eine Handbewegung und ein angenehm warmer Luftzug strich über meinen Körper. Ich Lächelte dankbar. „Wie machst du das?"

Er zuckte nur mit den Schultern. „Keine Ahnung ich mache es einfach."

Immer wieder fuhr warme Luft über meine Haut, bis sich meine Muskeln entkrampften.

„Ich musste anfangs erst lernen, wie man den Wind beherrscht, aber ich wurde mit der Zeit immer besser."

„Hat dir niemand der anderen Geister geholfen?" Er war schließlich nicht allein, zumindest nicht völlig.

Silen schüttelte den Kopf. „Man wird ein Geist, wenn man mit etwas nicht abgeschlossen hat, somit ist es kein Wunder, dass die meisten Geister sehr verbittert sind."

Ghost WhispersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt