Kapitel 6

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Die anhaltende Nervosität ließ von mir ab, als meine Eltern ins Bett gegangen waren und ich endlich wieder von Dunkelheit umhüllt auf der Terrasse stand. Ich hätte die Sonne bei ihrer Wanderung über den Himmel gerne beschleunigt, doch ich musste Geduld an den Tag legen und nun würde sich zeigen, ob es sich ausgezahlt hat. Meine Hände lagen auf dem kühlen Eisen des Geländers, als ich die Augen schloss und in die Nacht hinein lauschte. In der Ferne hörte man vereinzelt Autos fahren und die Blätter der Bäume rauschen, ansonsten war es still. Ich fokussierte meine Gedanken auf die Erinnerungen an meine Freundin. Die Hoffnung, dass sie antworten würde hielt die Tränen zurück. Der sanfte Wind spielte mit meinen Haaren. Ich durfte nicht vergessen, dass die Geister den Wind beeinflussen konnten, es konnte jederzeit einer von ihnen und nicht die Natur sein. „Keyla, wenn du irgendwo da draußen bist und mich hören kannst, dann bitte, antworte mir." Meine Stimme war nur ein Flüstern und ich legte all die schmerzhaften Gefühle hinein, als ich die Worte in den Wind schickte. Ich lauschte und wartete. Und wartete. Nichts geschah. „Wenn irgendwer mich hört, dann bitte ...", versuchte ich es noch einmal, doch meine Stimme brach. „Bitte!" Meine Hoffnung ließ nach und die Tränen bahnten sich ungehindert ihren Weg. Nichts geschah.

„Sie werden dir nicht antworten."

Ich zuckte zusammen und fuhr erschrocken herum. „Silen."

Er sah mir mit mitleidigem Blick aus der Dunkelheit entgegen, seine Augen funkelten in leuchtendem Rot. „Es ist nicht so einfach, wie du denkst." Langsam kam er auf mich zu, doch seine Schritte waren lautlos. „Sie hören dich, aber sie antworten nicht, weil sie nicht wollen und niemand kann sie zwingen."

„Aber warum?", fragte ich verzweifelt.

Silen zuckte mit den Schultern. „Jeder von ihnen hat eigene Gründe, aber die meisten glauben nicht daran, dass du sie sehen könntest und deshalb halten sie eine Reaktion für nutzlos."

„Dann sag ihnen doch einfach, dass ich sie sehen kann!" Weitere Tränen rannen über meine Wangen. „Sag Keyla, dass ich sie sehen kann..."

„Denkst du sie hören auf mich?" Seine Stimme wurde lauter und nahm einen resignierten Ton an.

Verzweifelt und wütend wischte ich mir die Tränen weg. „Warum bist du dann wieder hier?"

„Man kann mich nicht so einfach vertreiben." Seine Gesichtszüge wurden weicher und er grinste mich frech an. „Und es amüsiert mich, dein Leben durcheinanderzubringen."

Ich seufzte und drängte mich an ihm vorbei ins Haus, zu müde für eine Gegenwehr.

Ghost WhispersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt