Kapitel 30

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Die Kälte des Betonbodens, auf dem ich lag, drang durch meine schwarze Kleidung. Silen, ebenso vermummt wie ich, lag neben mir. Ich spürte seine Wärme an meiner Seite. Wir lagen zusammen auf der Lauer und ich durfte Silen das erste Mal bei der Arbeit zusehen. Er hatte mir ein Wiederbelebungs-Geschenk gemacht, mit der Bedingung es zuerst benutzen zu dürfen. Es handelte sich um die Sniper, die er wieder aus seiner Wohnung geholt hatte. Selbstständig! Zu Fuß! Mit seinen Händen! Seine roten Augen hatten gestrahlt, als er mit dem Gewehr in der Hand vor mir gestanden hatte.

Wir hatten uns über gesuchte Mörder in der Nähe informiert - ja so Etwas fand man auf Google, wenn man richtig suchte - und uns gleich auf den Weg gemacht.

Somit lagen wir jetzt nebeneinander auf einem flachen Hausdach, während der kalte Wind durch unsere Kleidung schnitt und Silen zielte auf die Straße unter uns. Der Mann, auf den wir warteten fuhr jeden Tag nach der Arbeit diese Straße entlang. Er hatte schon zehn Menschen auf dem Gewissen, darunter auch ein sechsjähriger Junge. Er hatte es definitiv verdient, von uns ermordet zu werden.

Ich stellte das Fernglas etwas nach und suchte weiter die Straße nach einem alten blauen Ford Mustang ab.

„Er fährt hinter einem gelben VW", teilte ich Silen mit, der sofort die Waffe in diese Richtung lenkte. Für mich war es unvorstellbar, dass er ein sich bewegendes Objekt aus dieser Entfernung traf, doch genau deshalb hatte auch er diesen Fall übernommen. Silen verfolgte den Wagen langsam mit dem Gewehrlauf und drückte dann ab. Der Knall wurde vom Schalldämpfer verschluckt. Ich schaute weiter durch mein Fernglas und beobachtete, wie der blaue Mustang von der Straße abkam und immer langsamer wurde. In seiner Windschutzscheibe war ein kaum erkennbares Loch und ebenso im Kopf des Fahrers.

Ich jubelte und wandte mich Silen zu, der siegessicher grinste. Erst da fiel mir auf, wie makaber diese Situation eigentlich war. Doch er hatte es verdient gehabt, rief ich mir ins Gedächtnis.

Wir packten unsere Sachen zusammen, überprüften, ob wir irgendwelche Spuren hinterlassen hatten, was nicht der Fall war und verließen das Dach. Wir würden gleich zum nächsten Schauplatz gehen. Es wurde inzwischen dunkel, was uns die Arbeit um ein vielfaches erleichterte.

Die Wohnung des nächsten Opfers lag in einer kleinen Gasse, die ohnehin schon dunkel war, uns jetzt allerdings vollständig verschluckte. Dieses Mal handelte es sich um eine Frau, die ihren Mann und ihre beiden Kinder umgebracht haben soll, aber angeblich ein wasserdichtes Alibi hatte. Die Polizei schwor darauf, dass das Alibi gefälscht war, konnte es allerdings nicht beweisen. Somit wurde es ein Fall für uns.

Ich hörte Schritte. Ob es unsere gesuchte Mörderin war? Rote, strähnige Haare tauchten im Licht der Straßenlaterne auf und verschwanden dann in der Dunkelheit der Gasse wieder. Ja, sie war es. Auf leisen Sohlen sprang ich auf und ging auf sie zu. Als ich das Messer hob und es ihr ins Herz jagen wollte, blockte sie meinen Angriff ab und wollte mir ihr Knie in den Magen rammen. Doch ich wirbelte herum und verpasste ihr einen Kick in die Seite. Stöhnend hielt sie sich die schmerzende Stelle, wich aber vor mir zurück. Ich deutete an wieder mit dem Messer auf sie einstechen zu wollen, doch als sie die Arme schützend nach oben riss, versetzte ich ihr mit der anderen Hand einen Kinnhaken. Sie stolperte zu Boden.

„Bitte", murmelte sie, aber sie hatte weder Mitleid, noch Gnade verdient.

Ich packte sie an der Schulter, drehte sie herum und schnitt ihr die Kehle durch. Blut spritze aus der tiefen Wunde, doch ich trug Handschuhe. Das Messer würde ich Zuhause intensiv reinigen, aber jetzt wischte ich es nur kurz an meinem Ärmel ab. Die Jacke würde ich ohnehin wieder verbrennen.

„Gute Arbeit", lobte mich Silen und wir verließen die Gasse.

Da fiel mir etwas ein, das ich ihn schon vor langer Zeit fragen wollte. „Wenn ich deinen Namen im Internet suche, tauchen Infos über den Totengott Anubis auf. Wie kann das sein?"

Silen lachte kurz auf. „In der Auftragskiller-Branche benutzen wir Decknamen. Meistens sind es die Namen von Göttern."

Das ergab Sinn. „Dann bin ich ab sofort..."

Ich wollte mir gerade einen spektakulären Namen überlegen, als Silen mich unterbrach: „Du bist Anput."

Ich zog eine Augenbraue hoch. „Da habe ich aber schon bessere Namen gehört."

Silen warf mir einen funkelnden Blick zu. „Aber Anput ist die Frau von Anubis und sie wird oft mit Messern dargestellt, welche ja dein Fachgebiet sind."

Meine Wangen wurden rot, was er zum Glück wegen der Verdeckung nicht sah. „Na gut, die Frau des Todesgottes zu sein ist auch nicht schlecht."

Dann waren wir wohl ab jetzt Anubis und Anput.

Ghost WhispersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt