Kapitel 5

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Nach dem Fotoshooting fuhren wir die ganzen 4 Stunden wieder zurück ins Hotel. Tom saß am Steuer und so konnte ich mich auf den Rücksitzen eingekuschelt mit Pumba in einen tiefen Schlaf begeben.

Doch mein Gehirn gönnte mir den Schlaf nicht gescheit, und bearbeitete viel lieber die Informationen seines Tages, sodass es zu Träumen kam, in denen ich Tom auf Bills Augenlider pinselte, Joseph mit der roten Pelsjacke modelte oder Bill vom tollwütigen Pumba zerfleischt wurde.

So ekelhaft es auch klang, war das Bild indem Pumba sein Herrchen in Stücke zerriss gar nicht mal so schlecht. Draußen dämmerte es bereits im frühen Frühling und ich lehnte meinen Kopf an die Lehne.

"Bist du wach?", fragte Tom. Ich erwiderte ihm murmelnd und schaute all die französischen Hochhäuser an mir vorbeihuschen. "Bill ist auch eingepennt.", sagte er und kicherte leise.

Erst jetzt nahm ich ein leises Schnarchen war und sah, dass seine Kappe unter meinen Füßen lag, während sein Kopf auf der Rückenlehne herausragte.

Das dumpfe gelbrote Licht fiel auf seine blonden Haare und in mir knisterte es einwenig. Warum bloß war er nicht einfach nur sanft? Nur romantisch? Wo war bloß seine Liebe?

Irgendwo weit, weit weg. Mitströmen lassen von all dem vielen Alkohol und den Drogen., dachte ich.

Ein dünner Faden spannte sich hartnäckig um meine Kehle. Nicht einmal als bester Freund war er mir ganz geheuer, so wie er mit mir umging. War das denn alles überhaupt Freundschaft? Vielleicht war ich für ihn doch bloß die Stylistin die nur ständig neben ihm hertrapte.

Ich nahm seine weiß-grüne Kappe vom Autoboden und faltete die Dellen zurecht. Die Innenseite roch nach seinem Hugo-Boss Parfüm, dass er sich ständig in die Haare kemmte. Ich musste unwillkürlich grinsen, als ich daran dachte, wie genau er sich um jedes Häärchen auf seinem Kopf kümmerte, sodass ich an seinen Haaren kaum schon was zutun hatte.

"Alles okay?", fragte Tom leise und seine Stimme war klar und ganz zart, sodass es mich nicht gereizt aus den Gedanken brachte. "Ja.", antwortete ich leise und legte die Kappe auf Pumbas Kopf, der auf meinem Schoß ruhte.

"Heute war ein anstrengender Tag. Wir sind aber gleich da und dann hast du dir deinen Schlaf verdient. Du hast heute gute Arbeit geleistet.", sprach er leise und blickte konzentriert auf die Straße. Ich nuschelte wieder nur und schaute aus dem Fenster.

Anscheinend ging es den beiden tatsächlich nur darum inwiefern ich sie bei ihrer Karriere unterstützte und meine Arbeit vernünftig oder unvernünftig zu Tisch brachte. Für alles andere war ich freiwillig da. Irgendwie ist das Gefühl der Freundschaft verloren gegangen. Selbst bei Tom.

Trotzdem hatte ich bei ihm zumindest nicht das Gefühl komplett überflüssig zu sein. Anders als bei Bill, der mich fast schon völlig abstieß.

Tom fuhr auf den Parkplatz und schaltete den Motor aus. Außer Bills leises und regelmäßiges Schnarchen war nichts zu hören. Pumba spürte den Stillstand der Maschine und rappelte sich müde auf.

Nach einigen regungsloses Minuten schnallte Tom sich ab und drehte sich zu mir nach hinten. "Ist wirklich alles gut?", sagte er und versuchte den Lautstärkepegel im ruhigeren Bereich beizubehalten um Bill nicht zu wecken.

Ich sagte nicht und streichelte über Pumbas Kopf. "Hey.", versuchte er es nochmal sanft und ich hielt für einen Moment lang Inne. Ich hob den Kopf an und erblickte seine besorgt glänzenden braunen Augen.

"Was ist los?", fragte er und wartete seelenruhig auf meine Antwort. Ich seufzte. Wie sollte ich es ihm erklären?
"Nichts.", streitete ich schließlich ab und öffnete die Tür, bis ich bemerkte, dass ich mich nicht abgeschnallt hatte. "Warte doch mal.", stoppte mich Tom und das Licht im Auto ging an, da ich die Tür bereits aufgemacht hatte.

"Warte.", wiederholte er ruhiger und ich machte die Tür wieder zu. Auch wenn sie nicht ganz ins Schloss gefallen war, ich wollte Bill ungerne aus seinem Schlaf reißen. "Tom es ist wirklich alles in Ordnung. Ich-"

"Sag mir die Wahrheit.", unterbrach er mich und in seinem Augen lag immer noch Sorge. Das Licht im Auto ging langsam wieder aus. Ich lehnte mich seufzend wieder zurück. "Ist es wegen Bill?"
"Ja.", murmelte ich.

"Seine Art wird einfach immer schlimmer und ich weiß nicht wie ich damit umgehen soll.", erklärte ich verzweifelt. Die halbe Wahrheit war es zumindest. Ich hoffte, dass Bill tatsächlich schlief. Und seinem langsamen Atem nach zu urteilen tat er es auch.

Tom dachte ein kleinwenig über meine Worte nach, bis er weitersprach. "Es widert mich fast selbst an, dass er so etwas billiges geworden ist.", sagte er schon fast wütend. "Mal davon abgesehen, dass man aus dem Wort "billig" auch noch seinen Namen ableiten kann.", murmelte er scherzend dazu, doch riss sich schnell wieder zusammen.

"Hör zu...", setzte er angesammelt an und schaute auf den Boden. "Das ist alles gar nicht so einfach. Er hat so viel Stress um die Ohren als Leader unserer Band. Mir geht es auch nicht immer anders. Der Tag heute, war noch gar nichts.", erklärte er sanft.

"Ja, ich weiß.", seufzte ich und zupfte wieder an Bills Kappe herum.

"Normalerweise stehst du morgens früh auf, bist ständig am Fahren und dabei am Telefonieren und Planen der nächsten Termine. Nach einem Shoot kommt meist ein Interview oder eine Show. Nach dieser gibt's eine Aftershowparty und wenn du ohne Alkohol oder Drogen spät abends im Bett liegst, bist du völlig im Eimer.

Der ganze Tag kreist dir in Gedanken. Man kann von Glück reden, wenn du nur Kopfschmerzen hast. Ich weiß noch die Abende nach jedem Konzert unserer Humanoid-Tour.

Mein Körper hat gebebt bis in die Knochen. Dein Körper kann einfach nicht zur Ruhe kommen, ehe du dir etwas nimmst. Ohne all die Betäubungsmittel wäre er in eine ganz andere psychische Krankheit abgebogen und da ist mir die, die er jetzt hat, dann doch lieber."

Er wurde immer leiser, seine Augen immer verzweifelter. Sie spiegelten Erinnerungen, Befürchtungen und Angst. Ich sank meinen Kopf. Tom hatte Recht. Viel konnte Bill gegen seine harte Gegenwart nicht tun. Sein Verhalten war eher indirekt seine eigene Schuld.

Trotzdem änderte es leider nichts an dem Verhältnis zwischen ihm und mir.

Fick ihn doch!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt