Kapitel 29

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"Bill, hast du ein Shirt für mich?" Ich rechnete mit einem "Selbstverständlich!" oder "Klar, Süße."

"Hol dir aus Toms Schrank was." Wow, sehr nett. Nagut, wir lebten sowieso nicht ganz in Frieden, aber das war doch wohl kein Grund so mürrisch zu sein. Ich hatte meine Gründe, ja. Er aber nicht, meiner Meinung nach.

Ich platzte in Toms Zimmer, schnappte ein mit irgendeinem öden Spruch beschriftetes Shirt und zog es nach dem Duschen an. Ich nahm mein Geld, meine Handtasche und Handy und schlüpfte in die Schuhe. Ohne zu zögern klaute ich mir Bills Hausschlüssel.

"Wohin des Weges?"

Seit wann stand er da? Er machte wohl gar keine Anstalten sich etwas anzuziehen, so wie er in Boxer mit verschränkten Armen an der Wand lehnte.

"Ich geh essen."

"Ohne mich?"

Ich schnaubte grinsend und öffnete die Tür. Sicher schüttelte ich den Kopf.

"Warum nicht? Wie könnten auf unsere gemeinsame Nacht anstoßen.", entgegnete er schelmisch und trat mir näher. Mein Grinsen verschwand augenblicklich.

"Reiß dir nicht dein Maul zu weit auf, sondern fick dich einfach.", zischte ich. Ich knallte die Tür zu und lief weiter. Was fiel ihm ein? Sollte ich seinen Erfolg oder Gewinn feiern? Ich? Nein ehrlich, soll er doch mit seinem Schwanz anstoßen. Ich zog meine Sonnenbrille an und ein lautes Pfeifen ertönte. Ich schellte meinen Kopf in die Richtung.

"Mann, Bill. Verpiss dich doch einfach!", rief ich ihm gereizt zu und legte die Handkante auf meine Stirn um die Sonne zu vermeiden. Er stützte seine starken Arme am Balkongeländer an.

"Ich hab auch Hunger."

Seine Augen waren zu schlitzen geformt und die Sonne prallte das Licht an seinen Haaren hab. Seine Mundwinkel verzogen sich. Er hasste Sonne.

"Komm schon.", versuchte er es weiter. Ich seufzte und senkte meinen Kopf. Ich konnte nicht. Es würde mir wieder nur den Morgen versauen. Er hatte mich doch schon gefickt. Was wollte er denn noch?

"Bitte, Nancy. Es tut mir leid."

Wieder hob ich meinen Kopf und er blickte zu mir runter.

"Bitte."

Mann.

"Aber nackt nehm' ich dich nicht mit.", erwiderte ich und blickte zu ihm. Ihm entwich ein Grinsen. Ein breites und glänzendes Grinsen, ganz anders als das Freche. Mir entfloh ein Schmunzeln und ich wartete auf ihn.

Es dauerte nicht lange und er kam mit weiteren und schlichten Klamotten aus dem Haus.

"Hast du einen Schlüssel?", fragte er und hielt kurz vor der Tür, meine Antwort abwartend. Ich streckte den Schlüssel vor und er knipste die Tür ins Schloss.

"Echt keine schlechte Idee auch mal rauszugehen.", meinte er und mich wunderte seine so offene Art. Es war fast schon wie früher. Eigentlich war es wirklich wie früher und ich war kurz davor ihn zu umarmen, bis mit einfiel, dass er mich vor nicht allzu vielen Stunden noch durchgenommen hatte. Dann wollte ich ihn wirklich nicht mehr umarmen. War es überhaupt schön? Hat es wehgetan? Gott, warum wusste ich das alles nicht? Und seine Pilotenbrille nervte.

Irgendwann kamen wir in einem Café an. Ich holte mir eine Cola und ein Sandwich, während Bill sich einem kalten Kaffee und einem Crossaint zufrieden gab. Ich fühlte mich unheimlich fett in solchen Situationen. Unheimlich fett. Ich wünschte mir plötzlich sehnlichst ihn zu Hause alleine gelassen zu haben. Oder Tom außerordentlich unsanft zu schlagen, aber leider war er ja nicht da.

"Ich frag' mich ehrlich wo Tom steckt.", murmelte Bill und biss an seinem Crossaint.

"Mach dir keine Sorgen.", wehte ich ab. "Er wird schon auftauchen."

Beschämt zwirbelte er an der Serviette. "Naja. Georgs Ansage vorhin sitzt ganz schön."

"Ach."

"Ich meine, wir haben nicht einmal die Polizei verständigt. Oh, Scheiße." Er schellte seinen Kopf runter und versuchte sich klein zu machen. Skeptisch betrachtete ich ihn.

"Was wird das? Teddybär, Teddybär, mach dich krumm, oder wie?"

"Psht!" Er hatte mir damit fast auf mein Sandwich gespuckt. Er spionierte ein weiteres Mal hinter meinem Rücken herum und winkte dann schnell mit seine Hand zu sich. Perplex und mit zusammengezogenen Augenbrauen näherte ich mich ihm.

"Die zwei hinter dir. -Das sind so zwei Irre. Ich hatte mit denen was und die meinten dann beide was von mir zu wollen.", flüsterte er. Langsam und vorsichtig drehte ich mich rum. Die eine ganz schön rund, während die andere mir etwas ähnelte.

"Mit denen?", fragte ich ihn leise und zückte meinen Daumen hinter mich. Er überlegte und betrachtete die beiden an der Theke.

"Damals war die Dicke gar nicht so dick."

Was für eine Wortwahl.

Er beobachtete sie noch und zuckte dann wieder runter. Ich aß unauffällig weiter bis die Tür zu ging und er erleichtert die Luft auspustete. Er schaute ihnen noch kurz hinterher und wandte sich dann an mich.

"Sind welche der Schlimmsten, mit denen ich etwas hatte.", erklärte er. Ich nickte verblüfft. Ironie undso.

"Jess ist auch einer der Schlimmsten.", murrte er dann beinahe undeutlich hinterher, aber ich verstand jeden Buchstaben seines Satzes.

"Warum?" Ich meine, man durfte ja wohl interessehalber nachfragen.

"Ich hatte ihr von Anfang an gesagt, dass das nichts Ernstes wird." Er trank einen Schluck seines Kaffees. "Fickbeziehung halt." Ich verschluckte mich beinahe. Mann, dieses Unwort klang bei ihm so arrogant. Es war widerlich.

"Aber sie hat ständig Ausschau gehalten, wer mich auch nur anrührt. Ich hasse es."

Ich meinte da kam ein leises "-bei ihr." hinterher, aber ich schluckte den Gedanken.

Ich seufzte. Das Gespräch war relativ lang für jemanden wie uns, aber überraschend angenehm.

"Ja, und ich-" ich biss vom Brot "-muss nächste Woche nach Deutschland.", fuhr ich mit vollem Mund fort. Sofort verzog er fragend das Gesicht. Diese hässliche Brille, verdammt!

"Warum?"

"Werd gekickt. Von der Arbeit."

"Oh Scheiße."

Ich zuckte mit den Schultern und blickte aus dem Fenster. Ein Mann krachte gegen eine Frau und ein Stapel Papier fiel auf den Boden, den sie aufsammelten. Nein, Spaß. Es war wirklich langweilig draußen.

"Heißt das, du bist dann weg? Also du jobst gar nicht mehr für uns?"

Darüber hatte ich mir noch gar keine Gedanken gemacht.

"Ich denke, ja." Er nickte nur.

Ja, ich würde gehen.

Verdammt.

Ich würde tatsächlich gehen. Nächste Woche. Für immer.

Fick ihn doch!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt