Kapitel 19

531 33 4
                                    

Ich drehte mich von ihm weg und ging raus. Mein Kopf platzte und war doch so absolut leer, dass ich keinen klaren Gedanken fassen konnte. Meine Beine maschierten auf den Weg zurück zu dem schwarzen Audi, ignorierten jegliche Umgebung. Das Spiel war jetzt offiziell und ich war bereit.

"Nancy!", hörte ich Tom hinter meinem Rücken.

"Nancy, bleib mal stehen, verdammt!", brüllte er lauter als ich nicht antwortete und dann am Auto stehen blieb. Seine Schritte wurden schneller und kamen immer näher. Ich drehte mich ausdrucklos in seine Richtung.

"Was hat er gesagt?", prustete er leicht außer Atem und grub mit seinem sanften Braun wieder in meine Augen um mir die Ehrlichkeit ihm gegenüber ablesen zu können. Ich schaute weg und suchte Ausweg auf dem Boden.

"Hey." Seine Hände legten sich auf meine Schultern und ich roch Seife, Perfüm. Männlichkeit. Dieses Gewicht auf meinen Schultern verstärkte den Stand auf dem steinigen Grund und in dem einen Augenblick hätte ich loslassen können und die Wahrheit sagen können, doch dann sah ich aus dem Augenwinkel Bill anlaufen und es unterbrach mir das Sprechen.

"Nichts.", murmelte ich nur und wendete mich Pumba, der seine Pfoten in meine Schnürsenkel grub.

"Na, ihr beiden?", grinste Bill erheblich verschmitzt und blieb mit einem Ruck neben uns stehen. Wir beide schauten ihn in jeder Hinsicht trocken an und Toms Hände glitten langsam wieder runter.

"Was is'?", fragte er schließlich und hob die Augenbrauen.

"Oh. Stimmt." Und wieder grinste er. Er holte rasch den Autoschlüssel aus seiner Tasche und hielt ihn uns vor die Nase. "Ich fahre ja." Unbeachtet drängte er sich zwischen uns durch und öffnete die Fahrertür. An seinen Schauspielkünsten könnte er doch noch arbeiten. Was für'n Stereotyp.

Tom wendete sich wieder an mich.

"Du redest heute Abend mit mir."

"Nein, ich rede mit dir.", wechselte ich und ging auf die andere Seite um einzusteigen. Warum ging es denn bloß immer um mich? Ich denke ich hab genug verstanden und weiß was ich tue, solange ich nicht von selbst um Hilfe flehe.

"Warte. Wie meinst du das?", fragte er und griff an meinem Handgelenk. Was war mit dem Kerl los? Was?

"Ich meine damit, dass ich sehe wie du dich zurückziehst. Und ich will wissen was der Grund ist.", erklärte ich und blickte zu ihm. Immer noch gefühlskalt. Ich musste zugeben, dass die neue Art die ich mir aneignete nicht einmal so übel war. Zumindest war es die Art und Weise mit der ich zu spielen hatte und so ganz lästig war sie tatsächlich nicht. Ehe Tom etwas wiedergeben konnte, hupte das Auto laut und wir zuckten aus unserem kleinen Kreis auf. Ein dumpfes und angereiztes Mann war aus dem Auto zu hören und uns war beiden klar, dass unser Kutscher nicht mehr lange warten würde.

Nach einer halben Strecke Stille ergriff Bill das Wort.

"Nancy, du musst diese Woche einkaufen."

"Warum ich?", zischte ich und kräuselte meine Augenbrauen. Mein Blick fiel auf das Blau seines Handtattoos. Diesmal lag es viel stabiler auf dem Lemkrad als auf der Fahrt davor.

"Ich war letztes Mal.", entgegnete er und schaltete den Gang um.

"Ach."

Ich blickte aus dem Fenster. Lass dir was einfallen. Sag was.

"Du hast meinen Brunch vergessen.", feixte ich gewandt zurück und bemerkte wie Pumba wieder unserem Konflikt hinterher horchte. Bill lachte nur und sagte nichts weiter, weswegen meine Aussage wieder wie diskriminiert darstand. Ich seufzte.

"Kann ich das nicht wenigstens Morgen machen?"

"Nope. Ich will heute Abend feiern, da hab ich kein Bock, dass unser Kühlschrank so armseelig aussieht.", erwiderte er seriös. Ich biss die Zähne zusammen.

"Warum denn feiern? Kannst du nicht einfach wieder abhauen?", brummte ich und stupste erniedrigt mit dem Zeigefinger auf Pumbas Schnautze, sodass er blinzelte. Ich war zwar sauer, aber allmählich überzeugte mich Bills gekonnter Charakter. Ich durfte das nicht zulassen, aber wie? Da war sein leichtes Lachen wieder.

"Bleib mal locker. Du bist auch eingeladen.", entgegnete er und nahm seine Sonnenbrille aus seinem Ausschnitt, während seine tättoowierte Hand sicher das Lenkrad führte. Ich schaute ihn überrascht an und er spürte meinen Blick. Er grinste mir durch den Rückspiegel zu und das Weiß seiner Zähne blendete wieder. Für einen Moment lang dachte ich nach.

"Vergiss' es.", meinte ich, lehnte meinen Kopf zurück und schloss die Augen.

"Niemals."

Er lachte wieder und hielt langsam an einer Ampel. Vom Gas getreten, legte er seine Hand auf Toms Sitzlehne und drehte sich zu mir. Sein schelmisches Grinsen trug immer noch bei.

"Angst vor Jess?", sprach er spitz und ich funkelte ihn an. Ein Moment in Überlegung. Sie war also auch da.

"Pf.", gab ich nur von mir und verschränkte die Arme vor der Brust. Meine Augen wanderten aus dem Fenster.

"Also kommst du?", hakte er nach und setzte sich wieder aufrecht hin, jedoch hing sein Blick immer noch durch den Rückspiegel an mir. Ich hasste seine Brille.

"Wenn sie nicht kommen will, dann lass sie doch.", schlug plötzlich Tom ein, der sein Handy in seine Hosentasche zurück presste. "Außerdem: Warum weiß ich nichts davon? Ich hab kein Bock 'zu, dass irgendwelche Kiffer bei uns abhängen."

"Was habt ihr für Probleme? Wir gehen eh runter in den Pool. Meinst du ich schimmle im Hotel mit denen vor mich hin? Ihr wärt langweilig, wenn ihr das gedacht hättet.", plapperte Bill drauf los und diesmal schien es ihn zu reizen.

"Na schön.", sagte ich. Bill sah wieder durch den Spiegel zu mir.

"Ich komme."

Er hob zuerst lächelnd seine gepiercte Augenbraue und nickte dann.

Nein, Kaulitz. Das ist noch lange nicht dein Gewinn.

Fick ihn doch!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt