Kapitel 7

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Frustriert fuhr ich mit dem Fahrstuhl ins 4. Stockwerk des Hotels. Als die Türe vor mir aufging, sah ich Bill auf mich zu laufen. Sofort zuckte jedes meiner Muskelfasern angespannt zusammen.

Er hatte sich bereits umgezogen und trug ein schwarzes Shirt umhüllt von einer schwarzen Lederjacke. Eine schwarze Hose verschlung seine Beine und wie gewohnt zierten Armbänder, Ketten und Ringe seine offenen Stellen. Seine blonden Haare trug er zerzaust.

Doch er schien nicht zu mir zu wollen, denn er ignorierte mich und trat in den Fahrstuhl, während ich bereits aus ihm herausgetreten war.

"Wohin gehst du?", fragte ich ihn schließlich kühl. "Dahin, wo du nicht bist.", schnaubte er nur und die Tür fiel zu. Ich hörte wie der Wagen mit Bill in seinem Magen die Etagen runterrutschte und seufzte. "Scheiße.", zischte ich gerissen und steckte meine Hände in die Lederjacke.

Ich betrat das Hotelzimmer und schmiss meine Tasche in die Ecke des Flurs. Ich rannte schnellen Schrittes in mein Zimmer, ließ mich auf das Bett fallen und krallte mich in die Decke.

Ich begann verkrampft zu keuchen und meine inneren Organe zogen sich unangenehm zusammen. Ich presste die Augen zu und spürte bald schon die heißen Tränen rausrinnen.

"Hey.", ertönte Toms sanfte Stimme hinter mir. "Geh!", zischte ich und keuchte laut, verstärkte den Griff um den Stoff meiner Decke.

Es war mir einfach nur egal, was er jetzt sagte. Ich wollte bloß endlich einen klaren Gedanken fassen. Alleine.

"Nancy, ich hab es nicht so gemeint. Ich-"
"Geh doch einfach!", zischte ich und drehte mich zu ihm. Ich zog meine Nase hoch und schaute ihn abstoßend an. "Geh einfach! Ich weiß schon, wie ihr beide es nicht so mit mir meint!", fauchte ich und atmete aufgebracht aus dem Mund.

Er sagte nichts, dennoch wurde sein Blick flehender. Eine Weile musterte ich ihn, bis ich mich wieder in der Decke vergrub. Meine Seele schmerzte und suchte nach einem Halt.

Ich wusste ja, dass Bill und ich nicht das Dreamteam waren, aber damals hatte er wenigstens noch einige guten Tage. Tage, an denen wir uns schworen für immer Freunde und füreinander da zu sein.

Irgendwann wurde es schlimmer. Es begann mit schlechter Laune, führte zum Egoismus und schließlich bis hin zum Verachten der Menschen, die ihm nur das Beste wollten.

Und dazu kam auch noch, dass er so gut aussah! Ich erhob mich und fühlte, wie die Tränen über meinen Hals flossen. "Ihr macht es mir so schwer, verdammt.", keuchte ich, doch Tom war nicht mehr im Zimmer.

Die Tür hatte er aufgelassen und ich sah, wie er gerade in sein Zimmer verschwand. Seine Aura nachdenklich und niedergeschlagen. Seine Schlafzimmertür war nun zu und diesmal war ich alleine.

Ich tat es. Ich dachte nach. Aber schon nach einigen Augenblicken realisierte ich, dass es mir schwer fiel. Die Szene und Bills Worte darin spielten sich immer wieder frisch in meinem Kopf ab.

Mein Hals verschnürte sich und der Schmerz pochte bereits auf meiner Stirn. Meine Nase wurde voller und meine Augen wärmer und geschwollener.

"Tom!", rief ich entkräftet und meine Gesichtszüge verkrampften sich verzweifelt. Ich wartete eine Weile, doch seine Tür regte sich nicht. "Tom, bitte, es tut mir leid. Ich hab es mir anders überlegt, ich brauche dich!", keuchte ich.

Mein Blick haftete geduldig an seiner dunklen Tür, während weitere Tränen den weg aus mir suchten. "Bitte.", piepte ich gekränkt, als ich die Hoffnung aufgab. Ich legte meinen Kopf in meine Hände und schniefte unkontrolliert.

"Ich wollte das doch alles gar nicht. Ich wollte eurem Privatleben doch niemals im Weg stehen.", verzagte ich und atmete hastig ein. "Ich wollte das doch alles gar nicht.", wiederholte ich und spürte weitere dicke und brennende Tränen über mein Gesicht rutschen.

Ich hörte ein Knacken und mein Blick huschte in die Richtung. Emotionslos trat Tom aus dem Zimmer und ging auf mich zu. Ich zitterte und schaute ihn an. -Versuchte seinen Blick zu lesen, doch es fiel mir bei all dem Chaos schwer.

Er setzte sich neben mich aufs Bett und schaute mich an. Sein Blick so steinig und seine Kiefer sehbar aneinander gepresst. Schwer atmend sah ich zu ihm. War er sauer? Wie sollte ich reagieren? Sein Blick verunsicherte mich.

"Es tut mir leid.", hauchte ich durch meine zittrigen Lippen und schürzte sie schließlich um mich ein kleinwenig zusammenzureißen. Eine Weile sah er mir von einem Auge ins andere.

"Schau nicht so, Mann. Ich weiß, dass ich hässlich bin.", murmelte ich, drehte mich weg und vergrub mein Gesicht wieder in den Handflächen. Die Rote stieg mir ind Gesicht. Kann das noch schlimmer werden?

Warum war er denn jetzt so kühl? Dann wäre mir lieber, dass er gar nicht erst gekommen wäre, wenn er vorhatte mir ins Gewissen zu starren.

Ich begann wieder leise zu schluchzen.
Es war nicht das erste Mal, dass es zwischen Bill und mir eskalierte, aber es schien, als würde das letzte Mal noch irgendwo weit weg vor uns liegen oder vielleicht sogar schon längst vom Erdboden verschluckt sein.

Alles wurde irgendwie unerträglicher, und genau deswegen rauften wir uns wie aufwachsende Welpen. Nur noch Habgier und Hass verbindete uns.

Plötzlich legten sich zwei starke Arme um mich und ich schreckte leicht zusammen. Es war Tom. Er seufzte und schlung sich selbstsicher um meine Taille.

"Hör auf zu weinen.", sprach er leise und so tröstend, dass mein Herz ohne jegliche Gedankengänge gehorchte. Es schaltete einen großen Gang runter.

Ich rieb die Tränen vom Gesicht und atmete tief auf. "Du weißt doch wie er ist, Mensch. Da kann niemand was dagegen tun.", erklärte er und legte seine rechte Hand warm auf meinen Rücken.

"Er war aber nie so.", entgegenete ich mit voller Nase und schniefte anschließend. "Zumindest früher. Also nicht so oft.", sagte ich vertrottet und wusste kaum noch selbst was ich da redete. In meinem Kopf herrschte reinste Katastrophe.

Er seufzte einfühlsam, löste sich von mir, stand auf und kniete sich schließlich neben mich. Sein braunes Augenpaar endlich wieder weich und warm. Seine Hand ruhte jetzt auf meiner Knie.

"Ich verachte ihn.", zischte ich schließlich und spürte, wie sich der Schmerz wieder in meinem Körper breitmachte, sich allerdings mit Hass in Verbindung setzte. Tom schmunzelte unglaubwürdig und schüttelte leicht mit dem Kopf. "Du verachtest ihn nicht, Nancy. Du hasst ihn. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Verachtung hat nichts mit dem Gefühlschaos zutun, den du gerade durchmachst.", konterte er und diesmal blinkte es Rot in mir.

"Tom, ich-", wollte ich erwidern, doch unterbrach mich selbst. Mich störte sein Gedanke. Das hatte alles nicht hierher gepasst. Ich verachtete ihn, und da war ich mir sicher!

"Das ist bloß die Wahrheit.", sprach er und übte tröstend etwas mehr Druck auf meinem Knie aus. "Nein, ich-", wieder stoppte ich. Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte, aber wollte abstreiten. Mich störte alles nur noch. Irgendwie war das vielleicht doch nicht ganz so richtig. Bill war keines meiner Tränen Wert, oder?

Ich fuhr runter, meine Stimmung schwankte und ich rutschte in die Mitte des Bettes. Tom schaute mich aufmerksam an, doch ich wedelte ihm nur ständig mit der Hand rum. "Egal Tom, wirklich.", setzte ich diesmal an.

"Ich geh schlafen, okay?", wehte ich ab und er stand leicht verwirrt auf. "Wie du meinst.", murmelte er und ging langsam auf die Tür zu. Ich legte mich auf das Kissen und machte die Augen zu. Er knipste das Licht aus, ohne weitere Fragen zu stellen. Gott sei Dank.

Ich müsste mich selbst dafür ohrfeigen, dass ich so ein Radau aus dem ganzen Machte. "Schlaf gut. Morgen ist ein langer Tag.", sagte er und machte die Tür zu. Da war es wieder. Das typische Job-Gerede. Es ging ihm sowieso eher darum, dass ich morgen gute Arbeit leistete und nicht darum, dass es mir morgen gut ging und ich mich besser fühlte.

Neben dem einen Schnitt, setzte der zweite an und so schlief ich verwundet ein.

Fick ihn doch!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt