Kapitel 6

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Nach einem langen Schweigen, entschloss ich auf das Gespräch nicht weiter einzugehen, sondern einen Punkt zu setzen.

Es würde mir sowieso nicht dabei helfen meiner Gefühle sicherer oder klarer zu werden. Das einzige was das Reden bewirken könnte, ist das zu bestätigen, was ich längst als Fakten abgestempelt hatte.

Ich trat aus dem Auto und auch Tom tat es mir nach. Pumba rappelte sich auf und trottete ebenfalls heraus. Bill stattdessen machte sich keine Mühe aus dem Auto zu steigen und schnarchte sorglos vor sich hin.

"Steh auf, Schnarchnase.", sprach Tom im bekümmerten Ton ins Auto hinein und machte die Autotür hinter sich zu. Er klang so beschäftigt und besorgt. Sofort verspürte ich Schuldgefühle dafür solchen Hass für Bill zu empfinden.

Ich sollte ihm helfen und Tom beistehen seines Bruders Leben wieder in den Griff zu bekommen. Aber anstatt mich dem hinzugeben, drückte ich nur mehr auf ihm herum und sorgte für das Gegenteil.

Bill regte sich immer noch nicht und Tom ging bereits auf das Hotel zu. Jetzt lag es wohl an mir. Ich seufzte. War das Toms Absicht mich mit ihm alleine zu lassen?

Pumba tappte seinem Onkel ebenso hinterher und ließ mich stehen. Mein Herz wurde schwerer. Na, super.

Ich knallte die Tür mit starker Kraft zu und ergatterte somit sein Bewusstsein. Gott sei Dank. Nur ungerne hätte ich ihn wach gerüttelt.

Verwirrt sah ich ihn durch die Autofenster umher schauen. Als er zu verstehen schien wo er sich befand, begann er sich zu strecken und müde nach seiner Kappe zu suchen. Diese hielt ich immer noch in den Händen.

Mir blieb ein Klos im Hals stecken. Ganz so unbemerkt würde ich wohl doch nicht davonkommen.

Um keine Angst zu zeigen, klopfte ich an seiner Fensterscheibe, worauf er verschlafen zu mir hochschaute und eine Weile brauchte, bis seine Augen sich anständig auf mich fixierten.

"Deine Cap ist bei mir.", sagte ich und versuchte neutral zu klingen. Sein Blick wurde mürrischer. Er schlug die Tür auf, weswegen ich einen halben Schritt zurück zuckte.

"Warum zum Fick ist meine Cap bei dir?", fragte er und zog grob sein Eigentum aus meiner Hand. Ich war gezwungen mich im Rahmen zu halten und nicht auf ihn loszugehen.

"Sie ist unter meine Füße gefallen während du geschlafen hast.", sagte ich kühl, als er aufsässig an mir vorbei lief.

"Genau, Mann! Und ich bin der Weihnachtsmann!", rief er pissig und verschwand hinter der Tür des Hotels.

Tom stand daneben und nahm einen langen Zug seiner Zigarette. Er sagte nichts und ließ seinen Bruder auch an ihm vorbei laufen.

Als er weg war, erstarrte alles. Egal ob ich sauer auf ihn war oder versuchte mit Respekt oder Fürsorge auf ihn loszugehen. Alles was ich mir kassierte war seine kalte Schulter. Wortwörtlich.

Ich presste verzweifelt meine Kiefer aneinander, spürte wie sich der Druck in meinem Körper verteilte. Wozu überhaupt der ganze Aufwand? Für seine Aufmerksamkeit? Für seine Aufmerksamkeit die mich einfach nur verachtete?

Ich bildete meine Hände zu Fäusten und in mir krempelte die Wut. Ich spannte mich an und fühlte den Drang meiner Stimmbänder danach den Druck rauszulassen.

Ich biss die Zähne zusammen und begann verkrampfte und angespannte Laute von mir zu geben, schlug mit der Flachen Hand auf das Autodach und vergrub meine Hände anschließend in den Haaren.

Ich schloss die Augen.
Ruhig, Nancy. Komm runter.

"Kommst du?", rief Tom mir kühl zu, sodass ich mich zu ihm drehte. Lange schaute ich in seine Richtung.

"Wohin?", fragte ich, versuchte mich unter Kontrolle zu halten. Ehe er mir antwortete, fiel ich ihm auf's Wort.

"Zu diesem Graf von Arsch?", zischte ich. Mein Atem wurde schneller. "Hey, Nancy, komm mal runter.", begann er ruhig auf mich einzureden und ließ ein wenig Asche von seiner Zigarette auf den Boden pudern.

"Graf von Arsch? Was bist du dann bitte?", ertönte Bills Stimme plötzlich aus dem Gebäude. Er schaute aus einem der Fenster vom Hotel, ganz oberkörperfrei und in einer scheiß-egal Haltung gegenüber all den Leuten die ihn sehen könnten.

Ich war einwenig perplex in all der Wut und starrte ihn bloß an. "Du hast 'nen Knall! Du nennst dich beste Freundin? Beste Freundin?! Geh sterben! Ich dachte du hättest wenigstens ein kleinwenig Respekt vor mir, aber da habe ich mich wohl gewaltig getäuscht!", rief er.

Die Worte trafen mich. Nicht zu fassen, dass er mir so etwas vorwarf.

"Hast du nicht mehr alle Latten am Zaun, du Null?", rief Tom ihm zu und stand einwenig abseits der Eingangstür um ihn besser zu sehen.

"Du hast überhaupt nichts zu melden!", fuhr Bill seinen Bruder an.

Alles eskalierte. Es fühlte sich so unreal an. Seit wann war das einzige was uns verbindete reiner Hass?

Der Besitzer des Hotels trat aus der Tür. "Was ist hier los? Ihr verschreckt mir die Gäste!", sprach er wütend mit französischem Akzent. "Es tut uns wirklich Leid. Ich klär' das.", beruhigte Tom ihn und schmiss die Zigarette auf den Boden.

"Du gehst jetzt rein.", rief er Bill zu. Seine Stimme war gezwungen geduldig, aber seinen Händen -die er zu Fäusten geballt hatte- nach zu urteilen, war er kurz vor einer Explosion.

Dem Himmel sei Dank gehorchte Bill, verschwand in das Zimmer zurück und machte das Fenster zu.

"Dass ich das nicht nochmal mitkriege!", drohte der Mann in dem Anzug. "Sonst schmeiß ich euch raus. Alle drei!"

Er ging und Tom schenkte mir einen undeutenden Blick. "Danke auch.", schnaubte er, verschloss das Auto und kehrte mir den Rücken zu.

Ich versank in einer Badewanne voller Scham. Ist ja klar, dass Bill solches Verhalten äußert. Aber ich?

Genial. Hervorragende Show.
Dass ich nicht lachte.

Fick ihn doch!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt