Kapitel 17

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Ich hasste den Morgen immer noch. Dieser Zeitpunkt, andem man etwas anfangen muss, was man absolut gar nicht will, aber weiß, dass es später zu spät ist. Völlig unausgeschlafen zog ich mir meinen Mantel über die Unterwäsche und trat heraus. Licht.
Dieses widerwertige hässliche Licht. Ich schloss meine Augen und krächzte einen genervten Laut vor mich hin. Ich strich mir mit einer Hand über die Stirn, die leicht pochte und fuhr dann über meine Haare, die an einem Knoten hängen blieben. Na super. Duschen wäre auch keine schlechte Idee. Zögernd öffnete ich die Augen und schielte in die Richtung der Küche, die mithilfe einer hellen Theke von dem Wohnbereich abgetrennt war.

Tom saß am Esstisch und checkte wieder sein Smartphone. Völlig disinteressiert saß er da und hielt ein Bier in der Hand. Pumba kauerte auf seinen nackten Füßen. Was für eine Möchtegern-Katze er doch war.

"Früh am Morgen schon am Saufen?", fragte ich rau und ging auf die beiden zu.

"Morgenbier.", sagte er nur knapp und ich wunderte mich über sein kühles Dasein. Mutierte er etwa zum zweiten Bill, oder wie? Einer war mir schon genug.

Schulterzuckend ging ich auf die Kaffeemaschine zu, die mit einem Knopfdruck den Kaffee in die Tasse brachte. Währenddessen holte ich die Milch, die auffällig leicht auf der Hand lag.

Echt jetzt?

"Wer hat die leere Milch wieder in den Kühlschrank gelegt?"

"Da ist noch was drin!", kam es aus dem Zimmer von Bill. Bei dem Gedanken an gestern Abend wurde mir wieder übel. Ich antwortete nicht sondern stellte den schwarzen Kaffee einfach vor Tom und ging wieder in mein Zimmer.

"Was ist damit?", rief er mir hinterher.

"Kannst du haben. Ich trink ihn nicht ohne Milch."

"Und du?"

"Lass dir was einfallen.", zischte ich und ging in mein Zimmer. Warum bloß hatte ich nicht ein eigenes Zimmer genommen? Und warum hatten wir heute bloß frei? Ich hätte mich viel lieber mit Make-Up abgelenkt als soetwas. Ich seufzte in mich hinein und fuhr mir wieder über die Haare. Da war wieder dieser Knoten und ich zischte genervt auf.

Mir fiel der versäumte Okapi-Termin ein und ich kramte mein Handy aus der Tasche meiner gestrigen Jeans. Ich tippte die Nummer ein und wartete. Das Gespräch verlief schnell, der Mann an der Leitung war gerzeizt, aber nach einigen mehreren Entschuldigungen war er doch zu bändigen. Der Termin stand. Heute.

Mit einem stolzen Grinsen ging ich wieder in den Wohnbereich und schaute zu Tom, der seinen Kopf immer noch auf sein Smartphone gerichtet hatte.

"Ich geh duschen.", trällerte ich und grinste noch breiter.

"Schizophren?", murmelte er müde, als er mich fragend musterte.

"Nein. Aber ich würde euch raten auch den Hintern zu heben, denn in einer guten Stunde habt ihr Okapi was gut zu machen.", antwortete ich und verschwand im Bad. Toms geschocktes Was beglückte mich und ich grinste in mich hinein.

Nach dem wohlersehnten Bad und dem Föhnen meiner Haare, watschelte ich wieder in mein Zimmer um mich fertig zu machen. Die Atmosphäre der Hotelwohnung hatte drastisch gewechselt. Dicke Luft schwebte in den Räumen.

"Bill, sie ist fertig! Geh!", rief Tom sichtlich angereizt und unter Zeitdruck.

Bill rief ihm ebenfalls in giftigem Unterton etwas zu und verschwand mit einem aufgekratzten Knall im Bad. Eingestanden. Ich war schon sehr rachsüchtig und schadenfroh in diesem Falle sowieso. Es fühlte sich gut an wieder die Oberhand zu übernehmen. Es fühlte sich gut an dem Verzweifeln auch mal die Pause zu gönnen. Das war mein Tag und diesen werde ich gewinnen. Vorallen Dingen gegen Bill.

Ich zog die Unterwäsche an und darauf folgte eine schwarze Hose und ein gemustertes Top. Dazu gesellte ich eine rote Lederjacke drüber und kämmte ein letztes Mal über meine Haare. Die Tür platzte hinter mir auf.

"Du fährst?", fragte Tom außer Atem.

"Nein? Warum?", fragte ich verwirrt.

"Ich hab getrunken."

"Dann fährt Bill.", entgegnete ich lässig und holte mein Make-Up aus dem Koffer.

"Echt jetzt?" Ich drehte mich zu ihm um. Sein Haar total zersaust, sein Blick total gestresst und er deutlich zerstreut. Seine Jeans hatte er bereits an, aber jeglicher andere Stoff fehlte auf seiner Haut.

"Bill fährt nicht, Mann.", fuhr er fort und schaute mich erwartungsvoll an. Ich zuckte mit den Schultern.

"Dann wird es wohl höchste Eisenbahn."

Er wollte was erwidern, sein Mund öffnete sich, aber es kam nur ein stummes Stottern und er ging. "Bill, beeil dich, verdammte Scheiße!", brüllte er stattdessen nur. Mir entging ein weiteres stilles Grinsen.

Yes.

Ich schminkte mich dezent und packte meine Handtasche. Wie wenig auch immer ich mit dem Interview zutun habe, ich hatte mich noch nie so wahnsinnig darauf gefreut. Spontanität war nicht die Stärke der beiden. Ich setzte mich auf das Sofa, checkte mein Handy und um mich herum herrschte Chaos. Türen knallten, Stimmen brüllten und die Zeit flehte um Vergebung. Außer ich. Ich war vollkommen ruhig und zufrieden, was ich aus so einem in Eis gelegten Tag gezaubert hatte. Pumba stattdessen verstand nur Bahnhof und konnte die Hysterie im Raum nicht nachvollziehen, weswegen er immer wieder laut aufbellte, wenn einer der Zwillinge einen zu lauten Ton um sich schmissen.

Als wir dann in den Flur gingen und uns die Schuhe anzogen, schielte ich zu Bill, der bewusst in seine Buffalos schlüpfte. Die Autofahrt würde schwierig sein. Tom verschwand noch nach einem zusammenhanglosen Murmeln zurück in sein Zimmer und ich lächelte triumphierend zu Bill. Obwohl mein Herz hätte platzen können und ich seine Energie und Stärke wieder deutlich in seiner Aura erkannt hatte, blieb ich mir diesmal selbst treu. Er bildete ein stummes Ich hasse dich aus seinen Lippen und funkelte mich kühl an. Tom kam wieder zurück und hielt Bill die Autoschlüssel hin. Mein Lächeln verstärkte sich und ich schürzte die Lippen um nicht loskichern zu müssen.

Bill riss sich von meinem Blick und nahm langsam die Schlüssel.

"Warum-"

"Du fährst.", schnappte Tom und ging vor. Ich zwinkerte ihm hastig zu und trottete Tom hinterher. Bill stolperte uns hinterher und fluchte beinahe aggressiv darüber aus, dass er nicht fahren würde.

"Bill, das zieht nicht. Sei kein Weib und fahr'! Du kannst das! Basta!", hob Tom auf dem Parkplatz seine Stimme an und er öffnete das Fahrzeug. Als ich die Tür des Wagens öffnete und Pumba mit ein kleinwenig Hilfe eingestiegen war, setzte auch ich mich rein und genoss Bills Problem. Dieser saß bereits am Fahrerplatz und was auch immer er kurz mit Fingerspitzen antätschelte, ließ ihn gereizt wieder auffluchen und ich schaute aus dem Fenster.

Lass uns die Spiele beginnen.

Fick ihn doch!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt