Kapitel 18

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Nach einer halben Stunde Fahrt, die jede zwei Minuten eine Bremsung beinhaltete, Toms Gebrüll mit sich trug und Bills Zickerreien mitwirkten, hatte ich es schon fast bereut, was ich da getan habe. Bis jetzt wo wir zu dritt im Vorraum von Okapis Interviewer warteten und Bill verschwitzt versuchte wieder abzukühlen und sich ständig vorwirft, dass die Dusche heute Morgen nichts gebracht hat, da ihm der salzige Schweiß wieder auf Arm und Gesicht klebt.

Ich konnte von Glück reden, das keiner von uns so jemand war, der stinkend schwitzte. Sonst würde das Ganze nicht so lustig enden.

Ich blickte zu Tom, der wieder einen disinteressierten Blick vor sich her trug und bemerkte seine angespannten Kiefer. Ich befürchtete ihn sauer gemacht zu haben, bis ich begann zu bemerken, dass er in letzter Zeit sehr oft geistesabwesend war. Sein Haare waren zu einem unordentlichen Dutt zusammengebunden, eine helle Jeans lag über seinen Beinen und ein dunkelroter dünner Pulli verdeckte seinen Oberkörper. Wie simpel. -Im Gegensatz zu seinem Bruder. Dieser hatte eine schwarze mit Nieten besetzte Jacke um sich gelegt, die sein Brusttattoo zur Geltung brachte. Ein T-Shirt schien ihm heute fehl am Platz, weswegen er keines anhatte. Eine zum bewundern einfache Jeans zu seinen schwarz-weißen Buffalos und die üblichen vielen Accessoirs. Diesmal ein auffällig stacheliger Ring zu seiner Linken. Den Blick wieder zu Tom richtend, wollte ich diesen Fragen, ob alles in Ordnung sei, doch da ging die Tür auf.

"Ah, bonjour!", begrüßte uns der Mann und streckte die Arme. Die Frau lächelte und nickte erwidernd und sie gaben jedem von uns jeweils ein Küsschen rechts und links. Wie klischeehaft. Der Mann redete nur auf Französisch, während die Frau mit leichtem Akzent auch die Deutsche und Englische Sprach beherrschte.

"Alles klar. Seid ihr soweit? Mein Name ist Geneviéve und das ist Adrian. Er wird euch die Fragen auf französisch stellen, ich werde sie euch übersetzen und ihr könnt sie einfach auf eurer Sprache beantworten.", erklärte sie uns schnell und lächelte weiterhin sehr professionell und symphatisch.

"Okay, dann geht's los.", entgegnete Bill. Und da war es. Das eingespielte Lächeln, das aneinanderreiben seiner Hände und das hin und her schwanken. Wie oft tat er das? So ziemlich immer, wenn er vor der Kamera stand oder im Geschäft seine Freude vortäuschen sollte. Bald wird es zum Markenzeichen, wenn ich mich nicht irre. Tom zuckte nur für einen Augenblick lang seine Mundwinkel hoch, was aber nicht von Dauer war. Ich nahm mir vor heute Abend Gesprächsbedarf mit ihm nachzuholen. Schließlich ging es in letzter Zeit viel zu oft um mich.

Das Interview auf dem bequemen beigen Sofa beinhaltete die typischen Fragen. Die Fragen zu ihrem Erfolg, ihrer Veränderung und ihren Plänen. Wieder ging es außerdem um Liebe und dann kam die nicht neue Frage zu seinem pressefütternden Verhalten gegenüber seiner Sexualität.

"Im Internet wimmelt es nur so von Fotos von Frauen mit dir im Bett. Was kannst du uns dazu sagen?", fragte Geneviéve und obwohl ich die Antwort viel zu oft gehört hatte, war ich immer wieder gespannt. Ich stand hinter den Aufnahmegeräten und schaute beide konzentriert an. Tom schielte an ihm vorbei, ihn schien die Antwort nicht mehr zu interessieren. Ich stattdessen starrte ihn gebannt an.

Bill grinste zuerst, lachte kurz auf und blickte schräg zu Boden.

"Ehm."

Ich spannte mich an. Hatte er die Frage überhört? Sein Blick strömte für eine beinahe übersehbare Sekunde an mir vorbei und er blickte wieder zu Geneviéve. So unsicher mit seiner gewollten Antwort wie noch nie.

"Ich kann nur so viel sagen, dass es Spaß macht. Es tut gut und solange die Frauen damit glücklich sind, bin ich auch glücklich. Obwohl meine Make-Up Artistin und beste Freundin immer lacht, kann ich nur sagen-", er lachte kurz und fixierte seinen Blick dann auf den Boden. "Ich kriege jede."

Seine Gesichtszüge wurden angespannter, tiefer und steifer. Seine Augen wanderten zu mir. Das braune Augenpaar schien mich kriminell zu durchbohren, ich konnte es nicht wagen mich wegzudrehen. Die Zeit stand still.

"Jede.", wiederholte er.

Und dann war das Braun wieder weg. Mein Atem ging wieder schnell und mein Herz begann auf Hochtouren zu laufen, nachdem es vorhin aussetzte. Geneviéve lief rot an und kicherte. Bills Zähne strahlten wieder und verunsicherten sie noch mehr, sodass sie beschämt wegschaute. Tom hatte sie nicht mehr zu dem Thema angesprochen. Vielleicht hatte sie es auch nicht vor, aber vielleicht war sie auch bloß so hin und weg wegen Bill, dass sie es vergessen hatte.

Ich begann zu schwitzen. Bill begann wieder Konkurrenz zu machen und ich durfte nicht schlapp lassen. Ich müsste nur den richtigen Moment abwarten.

"Dann sind wir für heute eigentlich fertig. Ich danke euch.", unterbrach Geneviéve die Stille und alle erhoben sich. Heute war ich gar nicht gefragt, die Jungs aufzuhübschen. Aber amüsiert hat mich der Nachmittag ohne Zweifel trotzdem. Tom wurde aufgehalten und angesprochen, doch ich hatte nicht lange Zeit zu horchen, da Bill mir vor das Sichtfeld lief und meine Aufmerksamkeit raubte. Ich blickte zu ihm und versuchte seinem eisernen Blick stand zu halten.

"Glücklich?", fragte er und trat mir so nah, dass seine Körperwärme wieder auf meine Haut strahlte. Sein Hugo Boss Perfüm stach heraus und gleichzeitig der Geruch seines Haargels. Zigarettenrauch schien von seiner Kleidung aus zu kommen.

Ich konterte mit einem schelmischen Grinsen.

"Und wie.", antwortete ich und steckte meine Daumen in die Hosentaschen. Auch ich trat einen halben Schritt näher an ihn, sodass er zu mir runterschauen musste. Fehler. Jetzt sah er zu gut und zu groß aus um mich bedrohlich vor ihm aufbauen zu können.

Er senkte seinen Kopf und eine Strähne fiel ihm vom gegelten Haar herunter auf die Stirn.

"Pass mal auf, Nancy. Dieses Spiel spiele ich schon viel länger und besser als du.", sagte er und sein Unterton rauer und kräftiger als vorher. Ich bildete meine Hände zu Fäusten, die Daumen immer noch in den Jeans.

"Ach ja?", feixte ich durch zusammen gebissene Zähne und näherte mich seinem Blick. Mein Kampfgeist loderte, die Willenskraft stand vom jahrelangen Schlaf auf und mischte sich in Strömen unter mein Blut.

"Ich gewinne.", hauchte er angespannt und seine Augen funkelten dunkelbraun. Beinahe schwarz. Alles um mich herum blendete aus, ich hätte zuschlagen können.

"Dich."

Fick ihn doch!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt