Kapitel 31

578 31 18
                                    

"Tom, bleib hier, bitte!"

So ging es seit Minuten. Meine Ohren schmerzten bereits. Bill saß mit gesenktem Kopf auf dem Küchenstuhl und stützte die Stirn mit den Fingern. Jou war hingehen außer Rand und Band und flehte Tom sie zu küssen und zu streicheln.

Er hatte einen weiteren Koffer gepackt und ignorierte jegliche Einredungsversuche von Julia.

Stumm ging er an uns vorbei und Jou hinterher. Ihre Augen waren rot geschwollen und sie schluchzte. Rotze lief ihr über den Lippen runter.

Irgh.

Kurz vor dem Ausgang hielt er Inne und drehte sich zu mir. Er legte seine Hand auf meine Schulter. Es tat weh zu wissen, dass diese Hand bald wieder gehen würde. Und noch mehr tat es weh zu wissen, dass ihn niemand von uns aufhalten konnte zu gehen.

"Du hast mich enttäuscht.", sprach er deutlich, dennoch war seine Stimme beängstigend tief und versetzte mir einen Stich im Bereich meines Herzens.

"Ich hoffe du bist glücklich mit dem, was du mit dir hast machen lassen." Und dann war er weg.

Moment, was genau meinte er? Die Nacht mit Bill?

Woher wusste er das?

Wir schauten ihm noch hinterher bis er hinter dem Zaun war.

Was du mit dir hast machen lassen.

"Erklär's mir.", forderte ich Bill auf.

"Lass mich in Ruhe."

"Erklär's mir!"

Jou ging nur im Badetuch umhüllt davon und schluchzte.

"Verdammte Scheiße, Bill!" Ich zerrte an seinen Handgelenken, doch er zog sie zurück. Er drückte sich vor der Antwort und das machte mir noch mehr Angst wie auch Ärger.

"Was soll ich dir denn erklären?", rief er und sah mich an. Seine Iris war tief braun, fast schwarz. Für einen Moment lang wurde es still.

"Blondi, hör auf mit dem Mist! Woher weiß es Tom?" Ich war auf hundertachzig. Ich war lange nicht mehr so emotional und mir lief Schweiß über die Stirn. Gott, wir brauchten einen Ventilator. Ich schlug mit der bloßen Hand auf den Tisch.

Er murmelte etwas Zusammenhangloses vor sich hin und strich über sein Handy.

"Was?", fragte ich und wurde langsam ungeduldig. "Reiß gefälligst deinen Mund auf."

"Weil..." Den Rest verstand ich wieder nicht.

"Schau mir in die Augen, wenn du mir was sagst! Hör auf so ein ekelhaftes Arschloch zu sein!" Ich konnte das Haus auf den Kopf stellen. Mein Hals schnürte sich zusammen. Oh warum tat das alles bloß so höllisch weh? Lag es ernsthaft an ihm? Oder an Tom? Oder doch an der Hitze?

"Hier." Er legte sein Handy auf den Tisch und das war seine Antwort. Deutlich und wahr.

Er hatte mich gemeinsam mit ihm in Unterwäsche ins Internet gestellt mit der Unterschrift: "She is amazing." Mir wurde übel. Mein Magen fraß sich von selbst auf und meine Kehle wurde immer enger. Ich konnte nur den Kopf schütteln, zu mehr war ich nicht in der Lage. Es brannte, oh verdammt, wie zum Fick nochmal sehr es doch brannte.

"Nancy, es tut mir leid."

"Du bist echt das Letzte.", quetschte ich es geradewegs aus mir heraus. Er öffnete seinen Mund um etwas zu sagen.

"Das Letzte.", klaute ich ihm das Wort und ehe mir die Tränen auf den Augen drohten, entwich ich dem weiteren Augenkontakt und lief in mein Zimmer.

Mir war klar, dass Spielchen Spielchen bleiben, aber ich hatte trotz des Ganzen insgeheim gehofft, eine Ausnahme zu sein. Ich hatte gehofft ihn zu verändern, aber ich hatte mich getäuscht.

Ich war wie all die anderen Mädchen auch. Ich war nichts und doch alles. -Für eine Nacht. Nur für die eine Nacht war ich genug und das war's. Ganz egal ob Jungfrau oder nicht. Ganz egal ob Bekannt oder Unbekannt. Ganz egal ob mit Gefühlen oder ohne. Ich hatte weibliche Reize, das war das Gold in mir und dem Rest meinesgleichen.

Ich wusste nicht genau was ich tat oder was die Konsequenzen daraus sein würden, aber ich packte mein Zeug. Nahm alles mit, was mir unter die Nase kam. Es tat immer noch weh.

"Was hast du jetzt vor?", pöbelte er und traute sich nicht sich lässig an den Türrand zu lehnen. Trotzdem verschränkte er seine Arme vor der Brust.

"Ich fahr' weg.", zischte ich und schmiss eines nach dem anderen in den Koffer.

"Wohin?" Er ließ seine Hände wieder hängen und seine Stimme war ruhig. Ich schwieg zuerst und schloss den Koffer. Schleppend zog ich ihn hinter mir her, bis ich ihm bedrohlich nahe stand.

Seine Körperwärme strahlte auf meine Haut und ich sah nochmal auf die Schramme über seinem Tattoo. Verdient.

"Da, wo du nicht bist.", knurrte ich und biss die Zähne aneinander.

Ich schnappte mir den Schlüssel von Toms Auto und zog das Shirt aus. Ich schmiss es ihm zu und trat dann mit lautem Knall aus dem Haus.

Ich startete den Motor, nachdem ich den Koffer auf den Rücksitzen platzierte und fuhr los. Die Musik auf volle Lautstärke und die Fingernägel in das Leder des Lenkrades gerammt.

Miststück! Hässliches, widerwertiges Miststück!

Ich wartete auf das Klingeln des Handys, wartete auf SMS'n von ihm. Auf irgendwas worauf zu sehen war, dass er nicht wollte, dass ich ging. Aber er wollte das ich ging. Es war im im Grunde genommen vollkommen egal was ich tat. Ich war nur "amazing". "Amazing" für's Bett und nichts weiter.

You don't own me.
I'm not just one of your many toys.

Der Text der Musik war scheiße und doch so ehrlich. Ich war weder Bills Eigentum noch eines seiner vielen Spielzeuge.

Das war's.

Fick ihn doch!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt