Kapitel 22

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Oh Gott, nur noch zwei Tage und dann hatte ich endlich mein Abitur!
Die letzten zwei Wochen waren so was von stressig gewesen, aber am Schluss hatte es sich doch gelohnt, so viel gelernt zu haben. Ich hatte nämlich einen fantastischen Durchschnitt von 1,3 und Mustafa einen von 2,0. Jetzt konnte ich endlich meinen Traum nachgehen und anfangen Jura zu studieren...
Eigentlich sollte man meinen, dass ich total glücklich sein sollte, was man äußerlich auch von mir dachte, dennoch war es leider nicht so.
In den letzten Tagen wurde die Situation in meiner Familie immer schlimmer. Ich hatte meine Mama schon ein paar Mal heimlich weinen gesehen und mein Vater, mit dem ich eigentlich immer ein enges und sehr gutes Verhältnis hatte, war mir und auch meiner restlichen Familie gegenüber sehr distanziert geworden... Entweder war er den ganzen Tag in der Arbeit, oder Zuhause, wo er sich dann aber gleich in seinem Zimmer verkroch. Meine Brüder waren ebenfalls alle ziemlich anders geworden...so angespannt und immer schlecht drauf...
Als ich ihnen meinen Durchschnitt gesagt hatte, und ganz verträumt erzählte, wie ich mich schon auf das Studium freute, war meine Mutter in tränen ausgebrochen und zu Boden gesunken. Ich hatte sofort Panik bekommen, da ich nicht wusste, was sie oder besser gesagt eigentlich alle hatten. Adnan hatte mich darauf sofort in seine Arme genommen und hatte mir gesagt, dass es Mama nicht so gut ginge, wegen meiner Oma. Aber dass glaubte ich ihm nicht, es war etwas anderes, aber ich wusste einfach nicht was!
Da wir gestern unsre Noten gesagt bekommen hatten, hatten wir, Argjensa, Mustafa und die Jungs ausgemacht, dass wir uns heute alle in der Bar treffen. Aber um ehrlich zu sein hatte ich überhaupt keine Lust mitzugehen, da ich immer noch total besorgt war um meine Familie.
Doch ich konnte schließlich nicht einfach so absagen...jetzt stand ich mitten im Raum und betrachtete mich im Spiegel.
Ich hatte mich für eine schwarze Jeans und einen Weisen Top entschieden. Meine Augen hatte ich zu Smokey Eyes geschminkt und auf meinen Lippen hatte ich einen dunkelroten Lippenstift aufgetragen. Als ich in den Flur lief und mir gerade meine High Heels anzog, vernahm ich plötzlich ein kleines leises Wimmern, dass aus der Küche zu hören war. Es war meine Mutter, die am Esstisch saß und weinend aus dem Fenster schaute. Es zerbrach mir mein Herz meine eigene Mutter so zusehen, und nicht mal zu wissen, was sie hatte.
„Mame, pse po kon?", fragte ich leise und drehte ihr Gesicht in meine Richtung wo ich in ihre vom weinen total geröteten Augen blickte, die mich voller schmerz ansahen.
Sie winkte mit ihrer Hand ab und sagte mit einem gezwungenen lächeln: „Ach Adelin...nur so...ich bin einfach so stolz auf dich mein Kind", sagte sie leise und strich mir liebevoll über die Wange.
„Mam hör auf bitte, sonst fang ich gleich auch noch an...", sagte ich und wisch ihr mit meinem Daumen ihre Tränen weg.
„Du bist so Wunderschön meine Tochter...Hajde steh auf und genieße den Abend mit deinen Freunden", sagte sie leise und gab mir einen langen Kuss auf die Stirn.
„Nein Mam, dir geht es nicht gut, ich bleibe bei dir. Wie kann ich den Abend genießen, wenn ich weis, dass du hier Zuhause bist und Weinst?!"
„Jo Adelin, mir...mir geht es gut...ich habe manchmal nur solche Phasen...geh jetzt, geh für mich", sprach meine Mutter hartnäckig.
Als ich daraufhin protestieren wollte, stand meine Mutter auf und nahm mich an die Hand.
„Hajd...ich wünsch dir viel Spaß Zemer", sagte sie lächelnd und schob mich aus der Wohnung.
„Aber Mam...", sprach ich mit leiser Stimme.
„Viel spaß...", sagte sie nur und hatte die Türe zugeschlossen.
Ich wollte meine Mutter nicht in diesem Zustand zuhause lassen...aber ich wusste auch, dass ich ihr auch nicht weiterhelfen konnte, wenn sie mir nicht sagt, was los ist.
Mit einem schlechten Gewissen fuhr ich mit Luans Auto zur Bar.
Die Bar war heute total voller jetziger Studenten überfüllt, die alle es feierten, die Schule endlich hinter sich zu haben und den Abend einfach zu genießen, was ich von mir nicht gerade behaupten konnte.
Augenblicklich raste mein Herz, als ich in die dunklen Augen von Mustafa schaute, die mich sehnsüchtig anblickten.
„Was geehhhht?!", schrien alle und umarmten mich herzlich. Alle hatten was getrunken, was ich sofort roch, als ich jedoch zu Mustafa schaute, und sah was er vor sich hatte, musste ich lächeln. Er war der einstigste, der Cola vor sich hatte.
„Na Süße...du siehst Wunderschön aus", sagte Mustafa grinsend, als er mich auf seinem Schoß gepackt hatte.
„Danke", sagte ich nur leise und schaute Gedankenverloren durch die Bar. Mustafa bemerkte sofort, dass mich etwas bedrückte, denn er hob mein Kinn hoch und sah mich mit seinen dunklen Augen besorgt an.
„Was ist los Adelina?", fragte er und nahm eine Strähne aus meinem Gesicht. Da ich ihn nicht mit meinen Problemen nerven wollte, schüttelte ich nur lächeln meinen Kopf.
„Nichts, nichts...ich bin nur ein wenig müde, sonst nichts...", sagte ich leise und schmiegte mich eng an ihm.
„Wirklich?!", hackte Mustafa nach.
„Ja...wirklich...", sagte ich und legte meinen Kopf wieder auf seine Brust.
„Kuscheln könnt ihr zu Hause! Jetzt wird gefeiert auf uns!", schrie Nayef lachend und hatte mich an die Hand genommen und war mit mir auf die Tanzfläche gegangen, wo er mit mir tanzte. Als mein Blick zu Mustafa wanderte, sah ich, wie er mich lächelnd ansah...
Diese Augen, die mich immer so liebevoll und gleichzeitig so gefährlich ansahen, würde ich nie vergessen...nie...

Gegen drei Uhr morgens, waren ich und Mustafa aufgestanden und hatten uns noch von den anderen verabschiedet, die noch weiter bleiben wollten.
Parkend vor meiner Wohnung, spürte ich den Blick von Mustafa im dunklen auf mir haften.
„Ich weis echt nicht was du heute hattest, aber ich hoffe, dass es nichts mit mir zu tun hat", sagte Mustafa und hatte seine Hand auf mein Schenkel gelegt.
„Nein, nein...ich...ich war nur müde, du musst dir meinetwegen keine Sorgen machen", sagte ich und beugte mich zu ihm und gab ihm einen langen Kuss...
Das sollte der letzte sein...

Als ich die Wohnung leise betrat, waren die anderen anscheinend alle schon am schlafen...
Nachdem ich mich abgeschminkt hatte und in meine Pyjama geschlüpft war, war ich sofort unter die Decke gegangen. Ich hatte irgendwie so ein flaues Gefühl im Magen, als ob etwas Schlimmes passieren würde...

„Adelin! Adelin! Zemer steh auf!"
Immer noch ganz verschlafen öffnete ich langsam meine Augenlider und sah Enes vor mir. Ich lies darauf meinen Blick durch meinen Zimmer schweifen und sah noch Luan, Adnan, meine Mutter, meinen Vater und...und POLIZISTEN?!
War das alles ein Traum?! Nein, das war die pure Realität!
Erschrocken setzte ich mich auf und sah ungefähr 10-15 Polizisten in meinem Zimmer stehen. Immer noch wie erstarrt sah ich zu meinen Vater, der TRÄNEN in den Augen hatte! Mein Vater hatte Tränen in den Augen?! Ich spürte wie sich mein Magen verkrampfte und mir übel wurde. Was war hier los?! Als ich zu meiner Mutter sah, schaute sie mich unter Tränen an und sagte mit schwacher zittriger Stimme: „Wir müsse gehen...wir müssen gehen..."

Adelina&MustafaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt