𝕂𝕒𝕡𝕚𝕥𝕖𝕝 𝕏𝕏𝕏𝕀𝕍

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Eine ungeahnte Wut machte dem Schock platz, fraß sich seinen Weg durch meinen Körper, bevor ich ruckartig aufstand und mich dem Schützen zuwandte.

Dieser erwiderte meinen Blickkontakt und umfasste seine Waffe fester, während der Lauf des Gewehrs weiterhin auf mich gerichtet war. Alle Augen schienen auf mir zu liegen, als ich mich zähnefletschend angriffsbereit machte.

Eine kleine Stimme in der hintersten Ecke meines Verstandes war sich bewusst, dass ich mit Maulkorb noch immer an die Wand gekettet war. Aber wenn mir der Biss von meinem alten und nun sehr roten Freund vor meiner Rettung egal gewesen war, dann war dies auch nicht mehr relevant.

Ich hatte eine so unglaubliche Wut und der Schuss dieses Wächters war lediglich ein Ventil, welches ich nun voll ausnutzen würde. Es war mir gleich, was danach passieren würde, denn das Schlimmste, was sie hätten tun können, war bereits passiert. Einsperren wie ein Tier? Ich saß seit Tagen angekettet hier fest. Großmöglichste körperliche Belastung? Ich würde sagen, kein Essen oder Trinken seit Langem zählt. Emotionale Belastung? Tony, Zack, alle die absolut nichts taten, um mir zu helfen oder meine Tortur zu erleichtern. Was wollen sie noch groß machen? Mich töten? Sollen sie doch. Aber zuerst würde dieser rücksichtslose Schütze dran glauben.

„Sam, beruhig dich bitte. Wir wollen dir kein unnötiges Leid antun. Wenn du dich wieder hinsetzen würdest, dann könnten wir weitermachen.", Zack. Dieser...

Wut, Hass, Jähzorn. Ich wollte schreien, also tat ich das auch.
Ein schriller, unnatürlicher Schrei kam aus meinem Inneren, vibrierte in meiner Brust und hallte von den Zellwänden wieder. Diesmal spürte ich, wie ich in die aggressive Trance abrutschte, doch anstatt sie aufhalten zu wollen, befeuerte ich sie weiter.

Alle negativen Gedanken, Gefühle und die ganzen Erinnerungen der letzten Tage und Wochen kamen in mir hoch und schienen im Angesicht der Situation gerade zu verblassen. Meine turbulenten Gedanken schienen mehr und mehr einer beruhigenden Stille Platz zu machen. Ja, das wäre vor ein paar Tagen noch beängstigend gewesen und vielleicht hätte ich die Konsequenzen meines Handelns besser verstanden, aber egal. Alles war irrelevant.

Der vorherige Schrei schien den Wächtern klargemacht zu haben, dass ich nicht mit mir reden lassen würde. Eine Formation wurde gebildet, während sie mich genaustens beobachteten. Zack ganz hinten, beinahe im Ausgang, vor ihm Tony als menschliches Schutzschild, sowie die anderen. Sie alle waren für mich verschwommene und unwichtige Figuren. Der Schütze, welcher nun in vorderster Reihe stand, hatte meine alleinige Aufmerksamkeit.

Einen letzen tiefen Atemzug nehmend verlagerte ich mein Gewicht leicht nach vorne und spannte meine Beinmuskeln an, bereit zum Sprungangriff. Kurz ließ ich meine Augen die anderen Wächter fokussieren und eins wurde mir dabei ganz klar. Wenn ich sie mit der Spannweite meiner Kette überhaupt erreichte, hätten sie dennoch genug Chancen mich zu töten, bevor ich irgendeinen Schaden angerichtet hätte.

„Alles Nebensächlichkeiten.", murmelte ich und stürzte mich auf den Schützen.

Alles danach passierte schnell. Mit ausgestreckten Armen machte ich einen Satz auf ihn zu, schneller, als irgendeiner von ihnen hätte reagieren können.

Das Nächste, was zu hören war, waren nicht etwa die erwarteten Schüsse, nein. Ein metallisches Rasseln und quietschen war zu hören, bevor der Druck an meinem Fuß nachließ. Meine Fessel hatte sich durch meine Kraft von der Wand gelöst. Ich war frei!
Dies schienen auch die Wachen realisiert zu haben, denn sie verlagerten ihre Prioritäten. Nun wollten sie hier raus. Und mich unter Kontrolle zu kriegen, war nicht mehr wichtig.

Bevor jedoch irgendeiner dieser Wünsche erfüllt werden konnte, waren meine Hände bereits am Arm des Schützen. Alle anderen hatten es schon halb durch den Ausgang geschafft, außer Reichweite des armen Mannes, der sein Todesurteil bereits unterschrieben hatte.

„Hättest du heute doch bloß keine Schicht übernommen.", flüsterte ich laut genug, dass der Mann und mindestens noch Tony dies hören konnten. Dann riss ich mit aller Kraft durch die Haut an seinem Hals, bis Blut austrat und an meinen Armen und seinem Körper hinunterlief.

„Schließt die Tür!", hörte ich Rufe und weitere trampelnde Schritte, die sich meiner Zelle näherten. Mehr Wächter.

Der Mann unter mir gurgelte und versuchte verzweifelt, seine Waffe auf mich zu richten. Jedoch machte der Blutverlust es ihm unmöglich und langsam, aber sicher konnte man erkennen, wie das Leben seinen Körper verlies. Glücklich für ihn, denn ich fühlte mich gnädig und beendete sein Leid mit dem schnellen Brechen seines Genicks. Leider trat das Blut weiterhin aus seiner Wunde heraus und sammelte sich in einer großen Lache am Boden.

Ich betrachtete, wie sich diese in der Zelle ausbreitete und mich, sowie den Boden dunkelrot tränkte.

Erst als der Großteil des Blutes geflossen war, schien mein Fokus zurückzukehren. Die Welt rückte näher und ich bemerkte keine andere Person mehr in der Zelle. Meine Tür war ebenfalls wieder geschlossen worden und den Blick zum Fenster wendend stockte ich.

Dieselbe Gruppe, die eben noch in meiner Zelle war, stand davor und starrte mich an. Einige Neue, voll ausgerüstete Wächter und der Kommandant hatten sich hinzugesellt und schienen etwas zu besprechen. Schock stand in einigen Gesichtern geschrieben. Kein Wunder, sie mussten hilflos den Tod eines Freundes beobachten. Jeder von ihnen hätte seine Stelle einnehmen können.

Zu meinem Erschrecken störte es mich nicht, dass ich soeben zu einem kaltherzigen Mörder geworden war. Im Gegenteil, ich verspürte eine unglaubliche Gleichgültigkeit gegenüber den Ereignissen. Mir war bewusst, was passiert war und auch, dass ich gerade ein Leben genommen hatte. Ein Leben, dass mit vielen anderen verbunden war und diese vermutlich traurig zurücklassen würde. Vielleicht hatte er Familie?

Naja, schade drum. Zu mehr konnte ich mich nicht überzeugen. Ja, töten war unverhältnismäßig zu einem Schuss in den Arm und dennoch fühlte ich keine Reue.

Mein Blick glitt über die Gesichter, die mir entgegensahen. Sie schienen etwas zu besprechen, um etwas vom Gespräch mitzubekommen, stand ich auf und trat näher. Die Alarmbereitschaft stieg und mehr wachsame Augen legten sich auf mich, aber was sollte ich tun? Ich hatte zwar ungeahnte Kräfte gezeigt, durch das Zerreißen der Fessel, aber aus der Zelle konnte ich trotzdem nicht einfach so entkommen.

Meine Ohren spitzend lauschte ich also, während ich Augenkontakt mit dem Kommandanten aufrechterhielt. Ganz schön mutig von mir.

„Wir sollten ihn sofort töten, er ist ein Kaliber zu groß für uns. Die Großstädter mögen auf so etwas vorbereitet sein mit den ganzen Mutationen, die sie dort haben, aber wir nicht!", meinte eine Frau mit hastigem Blick.

„Nein, dies ist eine einmalige Chance, so etwas zu untersuchen. Wenn wir etwas gegen diesen hier", der Wächter zeigte auf mich, „entwickeln könnten, dann hätten wir nie wieder Probleme mit den Horden, die uns attackieren!" Euphorisch gestikulierte er wild.

„Ich stimme zu, wenn es zu brenzlig wird, können wir es jederzeit töten.", beschloss der Kommandant und rettete mir somit für die nächste Weile wieder das Leben.

Mich beschäftigte diese Tatsache und meine ungewisse Zukunft jedoch weniger. Denn etwas anderes hatte meine Gedanken für sich beansprucht.

Etwas. Es. Keine Person, nur ein Zombie.

Was hatte ich erwartet? Ich meine, die Leiche eines Menschen lag hinter mir, natürlich war ich ein Monster. Eines, an dem experimentiert werden würde, damit andere Monster wie ich leichter zu töten wären.

„Wächter, betäub ihn, wir legen ihm stärkere Fesseln an und kümmern uns um den Körper.", forderte der Kommandant und marschierte davon.

Die Tür wurde schnell geöffnet, Tony trat mit einer Waffe unter den Augen und Gewehren vieler anderer Wächter und Zack ein. Ich spürte ein leichtes Piksen am Hals und meiner Schulter, bevor die Welt schwammig wurde und ich mein Gleichgewicht verlor.

„Bring es in die andere Zelle, dort haben wir mehr Sicherheit.", sprach Zacks Stimme, bevor mir schwarz vor Augen wurde.

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1258 Wörter

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 01, 2022 ⏰

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