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,, Spinnst du?! Du verdammtes Arschloch!" schreit eine bekannte Stimme und kurz darauf höre ich ein dumpfes Geräusch.

Ein komisches Gefühl übernimmt meinen Körper und ich richte mich auf, um das Gespräch deutlicher zu hören. Es fühlt sich an, als würde sich mein Magen umdrehen und ein übles Gefühlt zieht sich meinen Hals hinauf.

,, So redest du nicht mit deinem Vater du Stück Scheisse. Für was bist du eigentlich gut? Du hast eine verfickte Delle in den Pick Up gefahren!" brüllt sein Vater so laut, dass ich die Kopfhörer kurz absetzten muss.

Tränen schießen in meine Augen, als ich einen erneuten Schlag identifiziere und plötzliche weiss, was in dieser Familie vor sich geht. Meine Hand tastet sich sofort hoch und bedeckt meinen Mund.

,, Ich hasse dich!"

,, Sag das nochmal und ich prügel dich so lange, bis du diese Worte wieder vergisst. Du verdammtes Weichei-"

Ich reiße mir das Headset runter und springe vom Stuhl. Wenige Sekunden stehe ich geschockt im Zimmer, mein Herz schlägt mir bis zur Brust. Ich nehme mein Handy und will handeln, doch wer weiss, was Fynn gerade ertragen muss.

Ich renne die Treppen hinunter, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Donnern. In der Schublade neben der Haustür befindet sich ein Taser und ich wühle so lange darin herum, bis ich ihn in den Händen halte.

Ängstlich schlüpfe ich in meine Schuhe und reiße die Tür auf. Helle Blitze lassen mich meine Augen zusammen kneifen und ein starker Windzug kommt mir entgegen. Ein Stechen zieht sich durch mein Herz, als sich Fynn bereits vor mir befindet. Meine Augen können die Tränen nicht mehr halten, als ich an seinem Gesicht hinab sehe.
Scheinwerfer des Pick Ups fahren an dem Haus vorbei und genauso schnell rennt das Blut seine Nase hinunter.

Ich lasse den Taser hinter meinem Rücken verschwinden und fühle mich schlecht, nicht schneller bei ihm gewesen zu sein. Es war mir so egal, wie ich raus gehe, das ich selbst in diesem Pijama den Weg durch den Regen gelaufen wäre.

Seine Augen blicken auf mich hinab und Sekunden lang harren wir einfach so aus. Ich trete ein Stück zurück, damit er herein kommen kann. Doch stattdessen zieht er mich an sich heran. Seine Klamotte sind triefend nass und meine jetzt warscheinlich auch, während er seinen Kopf in meinem Nacken vergräbt.

Vorsichtig gehe ich ein paar Schritte zurück und schiebe die Tür wieder zu, da ich immer noch Angst habe, sein Vater könnte ihm hinterher gekommen sein.
Sein leises Wimmern bricht mein Herz und es scheint, als würde mich Fynn nicht mehr los lassen wollen.

Mir kommt diese Situation bekannt vor, aber ich muss jetzt für ihn da sein, so wie er für mich damals. Vorsichtig löse ich mich wieder von ihm und er setzt sich auf einen Baarstuhl, das Gesicht in seinen Händen vergraben. Noch schlimmer ist jedoch, dass ich nicht weiss, was ich jetzt tun soll.
Fynn starrt einfach nur in den Raum hinein, als hätten ihn die Wände hypnotisiert.

,, Wir müssen das verbinden." murmle ich und zeige dir Treppen nach oben.

Das letzte Mal, als wir den Verbandskasten benutzten mussten, bin ich von meinem Fahrrad gefallen. Das ist sehr lange her.

Wortlos steht er auf und folgt mir in den ersten Stock, in dem ich erstmal frische Klamotten für ihn aus Lips Zimmer hole. Als ich das Badezimmer betrete, sitzt Fynn auf dem Badewannenrand und blickt sich selbst in dem gegenüberliegenden Spiegel an.
Die Stille bleibt bestehen, als ich ihm die Jogginghose und das Shirt reiche.

Ich bin den Tränen immer näher, während ich in dem kleinen Schränkchen unter dem Waschbecken wühle und kurz danach den Verbandskasten gefunden habe.

...

Minuten vergehen, in denen ich Fynn verbinde und die verschiedensten Salben auspacke. Ich bin keine Krankenschwester und weiss deshalb nicht, wie man sowas behandeln sollte. Aber auf der Verpackung steht meist der Nutze und so habe ich in meinem ganzen Leben noch nie so viele Verpackungsbeilagen gelesen.

Seine Fingerknöchel sind wund und ich vermute, dass er sich gewehrt hat, was ihm anscheinend nicht besonders half. In welcher Hölle Fynn leben muss, war mir bis heute nicht bewusst und das es so unfassbar schlimm ist, hätte ich mir niemals gedacht.

,, Gibt es sonst noch was?" murmel ich und blicke in seine Augen.

Eine seiner Schläfen ist geprellt und wird morgen defenitiv blau sein. Außerdem hatte er kein Nasenbluten sondern einen Schnitt, was vermutlich von einem Gegenstand kommt. Oder von Ringen?

Mit seiner rechten Hand fährt er sein Shirt nach unten und zieht es kurz danach hoch. Meine Augen schweifen über seinen Oberkörper, der von ein paar Prellungen gezeichnet wird. Diese scheinen aber schon einige Tage her zu sein.

,, Da kann man nichts machen." krächts er heißer und meine Finger fahren kurz darüber.

Einzelne Tränen befeuchten meine Wangen und ich wische sie sofort weg.

,, Wie? Du weinst?"

Seine Worte klingen überrascht und etwas belustigt, aber wer würde bei so einer Situation nicht in Tränen ausbrechen?

,, Willst du was essen?" schluchzte ich und versuche die Tränen zu unterdrücken.

Ein Lächeln bildet sich auf seinem Gesicht und seine Hand berührt sanft meine Wange. Mit einem Daumen wischt er mir die Tränen aus dem Gesicht, bis ich schließlich meine Hand auf seine lege.

,, Ich gehe mich umziehen." nuschel ich, werfe die Wattetücher in den Mülleimer und verschwinde dann in mein Zimmer.

Dort stehe ich erstmal ein wenig hilflos vor meinem Bett und krame denn einen neuen Pijama aus meiner Schublade. Kurz darauf ertönt ein leises Klopfen an der Tür und Fynn erscheint.

Ich wollte ihn schon fragen, ob er darüber reden will, aber Fynn sieht gerade nicht sehr konversationsfreudig aus.

,, Willst du einen Film schauen?" meine ich schließlich und setzte eine normale Miene auf.

Er nickt nur und legt sich neben mich in das Bett. Der Fernseher steht an einer Wand und man muss nach rechts sehen, um den Film zu betrachten. Ich betätige ein paar Knöpfe und schalte einfach einen Kinderfilm von Disney ein. Alles andere wäre einfach zu riskant, falls Szenen vorkommen, die ihn triggern könnten.

,, Ist okay für dich?" frage ich ihn, als ich Frozen auswähle und er mich nur belustigt angrinst und nickt.

Die ersten Minuten verlaufen normal, doch ich bekomme nach und nach das Verlangen, ihm näher zu sein. In meinem Augenwinkel kann ich seine Gestalt erkennen und so drehe ich mich zu ihm. Fynn blickt mit direkt in die Augen, als ich meinen Arm nach ihm ausstrecke und seinen Nacken berühre. Ich muss nicht einmal etwas sagen, wie ferngesteuert lässt er sich zu mir leiten. Sein Arm legt sich um meine Taille und sein Kopf nimmt auf meinem Dekoltée platz.

Ich grinse nur in mich hinein und lasse meine Finger durch seine Haare fahren.

Don't you trust me? -𝓔𝓷𝓮𝓶𝓲𝓮𝓼 ℴ𝓻 𝓛𝓸𝓿𝓮𝓻𝓼?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt