Don't you trust me? -𝓔𝓷𝓮𝓶𝓲𝓮𝓼 ℴ𝓻 𝓛𝓸𝓿𝓮𝓻𝓼?

1

,, Lip mach die verdammte Musik leiser!" brülle ich in das Nebenzimmer meines Bruders.

Da setzte ich mich einmal hin, um wirklich etwas für die bevorstehende Französischprüfung zu lernen und da verschiebt mein älterer Bruder Phillip seine Bandprobe auf einen Sonntag Nachmittag.
Seine ganze Band ist hier, um genau zu sein Henry Lee, Wesley Meyers und Fynn Baker.

Ich muss zugeben, die Vier spielen nicht schlecht, aber es ist gerade ein denkbar miserabler Zeitpunkt.

Ich wundere mich, dass die Nachbarn noch nie etwas gegen diese Rock-Musik eingewendet haben. Natürlich sind alle Räume schalldicht, außer die zu meinem Zimmer, was Henry's Schlagzeugkünste kaum daran hindert in meine vier Wände zu dringen. Mein Vater ist gerade auf einem Date, wie jeden Sonntag und wie jedes Mal wo er mit meiner Stiefmutter Lilian das Haus verlässt, schleppt Lip seine Freunde an.

Mein großer Bruder ist dieses Jahr erst 18 geworden und nutzt diese Gelegenheit natürlich, um sich von Niemanden etwas sagen zu lassen. Deshalb bekomme ich auch keine Antwort und vernehme nur wie die Lautstärke aufgedreht wird, um meine Beschwerde zu übertönen.

Ich greife nach meinen Kopfhörern und versuche die nächsten Minuten einfach hinzunehmen. Erfolglos, wenn mein Schreibtisch beginnt zu vibrieren und ich mich dadurch kein bisschen auf das Buch konzentrieren kann. Noch dazu kommt diese unerträgliche Hitze, warum habe ich den Sommertag mit meiner besten Freundin Beverly und Grace abgelehnt?

Die zwei verbringen jetzt bestimmt ihre Freizeit am kalifornischen Strand und lassen sich ihren alkoholfreien Sex on the Beach an der Bar schmecken. Dagegen können meine drei Ventilatoren und eine Menge Eiswasser nicht ankommen.

...

Es fühlt sich an, als würden meine Oberschenkel an dem Schreibtischstuhl kleben und ich muss letztendlich doch einsehen, dass Lernen unter diesen Bedingungen ohnehin keinen Sinn hat. Deshalb binde ich mir meine dunklen Wellen in einen hohen Zopf und streiche die restlichen Strähnen hinter meine Ohren.

Warum muss San Francisco jedes Jahr Rekorde aufstellen und sie im nächsten wieder brechen?

Mit meiner leeren Wasserflasche in der Hand renne ich barfuß die Treppen hinunter, bis ich bei den kühlen Fließen der Küche angelangt bin.

,, Hey Lexi." zwinkert mir Henry zu und holt sich ein Bier aus dem Kühlschrank. Instinktiv ziehe ich meine Shorts ein Stück runter, wo kommt der denn jetzt plötzlich her?

,, Wohin geht ihr?" frage ich den asiatischen Jungen, als der Rest seiner Freundesgruppe, inklusive meines Bruders, die Haustüre aufreißt.

,, Wir gehen eine Runde auf den Basketball Platz, willst du mit?" schmunzelt er rhetorisch und stellt die Glasflasche zurück an ihren Platz.

,, Kai ist auch da." fügt Henry an und grinst zu seinen Freunden herüber, die versammelt an der Kücheninsel stehen und die kalten Pizzareste von gestern essen.

,, Halt den Mund Lee." spottet mein Bruder und ich werfe Henry nur einen genervten Blick zu.

Kai ist ein schwieriger Junge und ich bin nicht gut auf ihn zu sprechen. Man könnte ihn meinen Ex-Freund nennen, aber diese Beziehung war so verdammt unreif, dass sie diesen Titel garnicht verdient hätte. Länger kann ich jetzt auch nicht über meine misslungene Vergangenheit nachdenken, denn ein bekannter Lockenschopf betritt das Haus.

Es sind Beverly und Grace.

,, Hey Wes." schmunzelt Grace und schmeißt ihre feuerroten Haare nach hinten.

Der besagte Junge mustert meine Freundin grinsend und drängelt sich dann zu dem beigen Pick-Up vor der Tür.

,, Was macht ihr denn hier?" grinse ich und empfange meine Freundinnen mit einer Umarmung.

,, Ohne dich am Strand macht es nur halb so viel Spaß, deswegen-" beginnt Bev und hällt zwei weiße Tüten in die Höhe.

,, -machen wir einen Mädelsabend!" beendet Grace den Satz und bahnt sich ihren Weg zu dem Sofa.

,, Jede Menge Schnulzenfilme, lasst uns abhauen Jungs. Ich werd Kai was ausrichten, Alexia." spottet Fynn mit einem dramatischen Grinsen und deutet seinen Freunden an, schnell das Haus zu verlassen.

,, Idiot." flüstere ich zu mir selbst und ärgere mich jedes Mal über seine Kommentare.

Manchmal gehen sie echt unter die Gürtellinie, aber immer nur wenn Lip nicht da ist. Fynn ist der beste und längste Freund meines Bruders und ist für meinen Geschmack zu oft hier. Manchmal frage ich mich, ob er überhaupt ein eigenes Zuhause hat. Denn er nervt mich schon seit Wochen, wenn ich diesen dunkelhaarigen Jungen jeden Tag ertragen muss. Noch dazu kommen die ganzen Gerüchte an der Schule, die ihn nicht gerade sympathischer machen. Es wird gesagt, dass er schon mehrere Mädchen verführte, manchmal auch gleichzeitig und ihnen immer das Herz brach. Nicht der klischeehafte Badboy in Büchern, aber dennoch genug in mich zur Weißglut zu treiben. Dazu kommt noch unsere jahrelangen Auseinandersetzung.

Die Szeene von Kate Adams am Valentinstag spricht für sich, sie hat auf der Bühne ein Gedicht vorgetragen, welches Fynns angebliche Seitensprünge theatralisch vorführt. Dementsprechend sind alle Mädchen an der Highschool dieses Jahr vor ihm gewarnt. Inklusive mir.

...

,, Vergess morgen den Stick für die Präsentation nicht." schmunzelt Beverly, als sie die Chipstüte in den Mülleimer wirft und anschließend in ihre Sandalen schlüpft.

Ich stimme ihr nur zu und verabschiede mich kurz danach, um nach diesem Mädelsabend endlich in mein Bett zu gehen. Doch davor muss ich noch Lip schreiben, denn dieser ist schon wieder eine Stunde zu lange draußen und wenn Dad zurück kommt, wird das nur Ärger geben.

»Wo bist du? Wenn Papa nach Hause kommt und du immernoch auf der Sauftour bist, dann gibt es richtig Stress.« tippe ich hektisch und stopfe meine Hefte in meinen Beutel.

»Sind schon auf dem Weg.« erscheint wenige Sekunden später auf dem Display und ich atme erleichtert auf, als ich ein bekanntes Auto in der Auffahrt sehe.

...

Einen Moment nachdem ich mich darüber gewundert habe, dass noch niemand in das Haus gekommen ist, höre ich ein kleines Steinchen an meinem Fenster und öffne es kurz danach.

,, Ich hab den Schlüssel vergessen!" schreit mein Bruder und ich lächel nur über dieses Malhör.

,, Dann musst du wohl draußen schlafen." grinse ich herunter und schließe das Fenster.

Für die nächsten Sekunden, bis ich den Weg zur Haustüre zurückgelegt habe, kann Lip ruhig denken, dass er die Nacht draußen verbringen muss.

...

Als ich Phillip herein lasse, hat er zu meiner Enttäuschung Fynn im Schlepptau.

,, Mach das aus." brumme ich zu den beiden, die gerade eine rauchen, als wäre es das normalste der Welt.

Ich dachte die Rebellenphase hätte er schon hinter sich, aber anscheinend werden Jungs nie erwachsener. Oder zumindest gehört mein Bruder nicht dazu.
Wie befohlen drückt Lip seine Zigarette auf der Steinstufe vor dem Eingang aus.

,, Jetzt lass dir doch nicht von einem kleinen Mädchen dein Leben bestimmen." grinst Fynn mit einem strahlenden Lächeln und erntet einen aggressiven Blick von mir.

,, Wehnixtens habe ich irgendwelche Mädchen in meinem Leben du Idiot." scherzt mein Bruder und der besagte Idiot lässt widerwillig die Zigarette fallen.

Wenn das so weiter geht, dann wird das eine lange Nacht. Ich verziehe mich einfach gleich wieder in mein Zimmer zurück.