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Ein Schauer rennt mit den Rücken hinunter und Fynn scheint zu bemerken, dass etwas nicht stimmt.

,, Lexi?" fragt er und legt seine Hand auf meinen Oberschenkel.

Doch selbst seine Berührung, die mich so oft schon beruhigt hat, bessert nichts.

,, Was ist denn passiert?" stottere ich und blinzle die Tränen weg, da ich bereits vermute, was ich falsch gemacht habe.

Der Abend, an dem ich das erste Mal mit Fynn geschlafen habe, ist ein Streit entstanden, in dem ich verraten habe, dass Oliver schwul ist. Fynn weiss es und seitdem haben wir nicht mehr darüber geredet. Ich konnte ihm nie sagen, dass es ein Geheimnis ist.

,, Ist er bei dir?" seufzt Oliver wieder und sein Unterton bricht mir das Herz.

,, Ja, aber Oliver, was ist passiert?"

,, Sie haben mich verprügelt, Lexi. Ich war die letzten drei Tage im Krankenhaus und du hast dich seit Donnerstag nicht gemeldet."

Ich blicke in Fynns Augen und sehe keine Ahnung, keine Reue, keine Scham. So viel Zeit habe ich mit ihm verbracht, ohne zu wissen, wie er zu diesem Thema steht. Zu dem Thema, das mich auch betrifft.

,, Keine Sorge, dein Lover war nicht dabei. Aber du hast es ihm gesagt, oder?" meint er und ich höre in seinem Ton einen Funken Hoffnung, dass ich nicht dafür verantwortlich bin.

,, Wir haben gestritten und er hat mir unterstellt, dass ich etwas mit dir habe." plappere ich und blicke beschämt auf meine Füße, um Fynn nicht ansehen zu müssen.

,, Es tut mir leid, ich hätte es ihm nicht sagen dürfen." schluchzte ich und meine Augen füllen sich mit Tränen.

,, Das hätte mir zwei gebrochene Rippen und eine gestauchte Hand erspart." brummt es nach kurzer Stille.

,, Es tut mir so leid, Oliver. Ich wollte das nicht."

,, Natürlich tut es dir leid, aber du hast dich schon ziemlich wohl mit dem schwulen besten Freund gefühlt -den du schon so lange wolltest- nicht wahr? Ich dachte du könntest mich verstehen, Lexi."

Ein Tuten ertönt und lässt den Damm in meinen Augen entgültig brechen. Fynn sieht mich verwirrt an und versucht meine Hand zu nehmen, doch ich bewege sie von ihm weg.

,, Bist du Homophob?" frage ich mit zitternder Stimme und hoffe auf die einzig richtige Antwort. Nein.

,, Was? Natürlich nicht." meint er sicher.

,, Wieso liegt Oliver dann im Krankenhaus?"

Mein Herz schmerzt aufgrund der Erkenntnis, dass ich gerade beide verliere. Vor allem durch den Vorwurf, den ich nicht einmal so gemeint habe. Niemals würde ich Fynn so etwas zutrauen, doch vielleicht habe ihn ihn, wie so oft, falsch eingeschätzt und seine Worte, die immer genau treffen, was ich hören will, sind einfach nur leere Worte eines 18-Jährigen.

,, Ich wollte nicht, dass sie es mitkommen." murmelt er.

,, Du wusstest davon?" pruste ich und schüttel ungläubig meinen Kopf.

Mein Blick schweift aus dem Fenster. Ich überfliege die nächsten Straßenschilder und Routen. 2 Kilometer bis zu dem Stadtteil, in dem Oliver wohnt. Ich muss zu ihm.
Ohne viel nachzudenken reiße ich die Tür auf, neben der noch zahlreiche nasse Autos stehen. Der Gehsteig ist nur wenige Meter entfernt und lässt sich schnell erreichen.

,, Alexia!" brüllt er mir hinterher, doch seine Stimme wird von dem prasselnden Regen übertönt.

Ich blicke nur auf den überschwemmten Gehweg, als ich diesen entlang flüchte und mich nicht auf den kalten Regen konzentriere, der mich schon nach wenigen Sekunden durchnässt. Was soll ich ihm nur sagen?

Fynn

Als ich auf den überfüllten Parkplatz fahre, hat der Regen sich in einen starken Wind verwandelt und es rollen bereits Gegenstände durch die Straßen. Die Fenster des großen, heruntergekommen Hauses sind wie gewohnt abgedunkelt und ich stürme auf die Eingangstür zu, die nur noch halb im Rahmen hängt.

Was für eine Ironie, dass jedes Mal, wenn Lexi bei Oliver ist, es mich hier her verschlägt. Normalerweise treffe ich mich ungern in solchen Buden, doch dieses Mal muss ich wieder eine Ausnahme machen. Das war kein Streit, nachdem wir uns wieder versöhnen. Nein. Dieses Mal hat es sie wirklich verletzt. Dieses Mal wird sie sich nicht mit einem dämlichen Streich rächen, damit wir wieder quit sind. Lexi ist bei einem Streit alles, doch die Sprache verschlagen hat es sie noch nie. Heute allerdings ist alles anders und es ist nicht einmal meine Schuld.

Es ist die Schuld der Typen, die ich früher meine Freunde nannte. Typen, die mich und Phillip belauscht haben, als ich ihm erzählte, was eigentlich ein Geheimnis bleiben sollte.

Dicker Rauch von Joints, Zigaretten und Shishas kommt mir entgegen, als ich an den ersten drei Zimmern, die durch einen langen Flur verbunden sind, vorbei laufe. Als ich den Schuldigen sehe, kann ich meine Wut kaum zügeln. Trotzdem muss ich mich zurück halten und steige in ein Gespräch, welches mich schon fast dazu drängt mit zu rauchen.

,, Hey Mann!" begrüßt mich Ryan und reicht mir einen Joint.

,, Hör Mal, tu mir einen Gefallen und behalt das für die nächsten zwei Wochen. Ich bekomme sonst Probleme und du schuldest mir was." brummt er und schiebt mir eine Tüte in die Hand, deren Inhalt ich bereits kenne.

Ich hasse es seine Drogen zu verstecken. Viel lieber würde ich mich mit Lexi und Phillip aussprechen, anstatt hier zu sitzen und mir mein Gedächtnis aus dem Kopf zu blasen.

,, Tu du mir einen Gefallen und sag mir, wer Oliver Williams verprügelt hat." brumme ich zu ihm und er hebt beide Augenbrauen.

,, Du meinst den Belästiger?" antwortet Ryan.

,, Wenn es das ist, was dir erzählt wurde." stimme ich zu, ohne es zu berichtigen, da ich nicht weiss, wie mein Gegenüber zu diesem Thema steht.

,, Connor." meint er leise und eigentlich hätte ich es mir schon denken können.

Die perfekte Strafe wäre Gewalt, doch ich kenne eine Sache, die Connor mehr weh tun könnten als jeder Schlag.

Sein heiß geliebtes Motorrad.

Don't you trust me? -𝓔𝓷𝓮𝓶𝓲𝓮𝓼 ℴ𝓻 𝓛𝓸𝓿𝓮𝓻𝓼?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt