ACE
Der Morgen kündigte sich mit dem leisen Gezwitscher der Vögel an. Die Sonne kroch allmählich im Osten in den Himmel empor und ließ die Schatten der Bäume auf das Rudelhaus zu gleiten. Ein seltsame Stille lag über dem Gebäude. Ace saß in der großen Küche. Die Drillinge und Markus hatten sich vor etwa einer Stunde zu ihm gesellt. Die jungen Männer schwiegen. Den Blick auf den Boden gerichtet. Ace verstand nicht, wie es alles so grauenvoll den Bach hatte runter gehen können.
Alia lag im Koma. Hätte Grayson's Wolf nicht gespürt, dass etwas nicht stimmte, wäre die kleine Omega gestern Abend gestorben. Grays Kleidung war immer noch voll mit ihrem Blut. Doch der Alpha konnte sich einfach nicht aufraffen, um es abzuwaschen.
Er... nein, sie alle waren wie betäubt.... Vor vierundzwanzig Stunden hatten sie ihre Kleine noch im Arm gehalten, mit ihr Scherze gemacht, sie geküsst, gestreichelt...
Und nun? ...Nun lag Lia im Koma und der Rudel-Doc war ratlos.Helena Blackford betrat den Raum und musterte die niedergeschlagenen Männer. „Ok, das reicht jetzt! Genug, hört ihr?! Diese Mitleidsparty bringt Alia gar nichts! Ihr werdet euch jetzt duschen gehen, euch umziehen und dann was frühstücken. Und dann, meine Söhne... Dann müssen Euer Vater und ich etwas mit euch besprechen." Die fünf sahen sie ausdruckslos an. Helena stemmte die Hände in die Hüfte. „WIRDS BALD?!" fauchte sie und scheuchte die Youngsters aus der Küche.
„Ich verehre eure Mutter normalerweise ja... Aber jetzt gerade..." knurrte Ace wütend. Das Höllentrio grollte zustimmend und bogen zu ihrer Suite ab. Markus seufzte leise und sagte: „Ace... tu mir nur den Gefallen und gib die Kleine nicht auf. Alia ist eine Kämpferin und viel zu dickköpfig um zu sterben." Sein Freund nickte müde und sah mit einem gezwungenen Lächeln auf. „Jaaa... ich geb sie nicht auf... Aber es war eine üble Zeit für sie. Was, wenn sie aufgibt?" Markus schüttelte den Kopf. „Nein... Nein, das glaube ich nicht. Klar, sie hat viel durchgemacht, aber sie hat auch viel gewonnen." Keiner der beiden erwähnte, dass Lia keine Welpen mehr bekommen konnte und somit als Gefährtin aus dem Rennen war. Ace wusste, dass genau dieses seine Mäuschen den Rest geben würde. Wenn sie auch noch die Männer verlieren würde, die ihre Wölfin... die sie selbst ausgewählt hatte... Die Betas trennten sich und verschwanden ebenfalls mit schweren Herzen in ihren Räumlichkeiten, um dem Befehl der Luna nachzukommen.
KONSTANTIN
„DAS KANN DOCH NICHT EUER ERNST SEIN," brüllte Lucan. „Lucan! Jetzt beruhig dich und setz dich wieder hin!" schnaubte Warren. Der junge Mann schüttelte den Kopf, seine Augen leuchteten in einem hellen goldenen Licht.
Sein Wolf war auf hundertachtzig.
Der Mann auch!
„Ich soll mich beruhigen? ICH SOLL MICH BERUHIGEN? Wollt ihr uns denn eigentlich verarschen!?" Seine Brüder sahen ihn an, ebenfalls mit golden leuchtenden Augen. „Lu..." murmelte Grayson leise. „SAG MAL... GEHTS NOCH? ICH HÖR MIR DIESEN SCHEIẞ NICHT AN! Ihr könnt euch den Mist ja geben. ICH gehe zu unserer Gefährtin!" Lucan riss die Tür auf und stürmte aus dem Zimmer. Die Alphafamilie zuckte zusammen, als er die Eichentür mit Schmackes hinter sich ins Schloss donnerte.Konstantin vergrub das Gesicht in seinen Händen und verharrte für einige Minuten. Dann hob er mit einem tiefen Seufzer den Blick und musterte seine Eltern. „Was habt ihr euch dabei gedacht? Ich meine... Wenn ich das ganze ohne Gefühlsregungen betrachten könnte und ... wollen würde, dann versteh ich ja sogar das warum hinter dem Ganzen..." „...Aber wir KÖNNEN es nicht ohne Gefühle betrachten. Wir lieben Lia abgöttisch! Unsere Wölfe lieben sie! Wie könnt ihr nur verlangen, dass wir sie aufgeben?" unterbrach Gray ihn.
„SCHLUSS!" schrie Warren und donnerte die Faust auf den Tisch. „Glaubt ihr, das fällt uns leicht?" fragte Helena. „Alia hat ein inneres Licht. Sie ist sanft, hilfsbereit und klug. Sie war die perfekte Wahl... ABER... Sie! Kann! Keine! Welpen! Mehr! Bekommen!!
Als die nächsten in der Rangfolge müsst ihr an das Wohlergehen des ganzen Rudels denken!" Warren nickte seine Luna zu und sagte jetzt ruhiger: „Ich versteh doch, dass ihr sie nicht aufgeben wollt. Aber die Zukunft des Rudels muss über dem Wohlergehen eines einzelnen stehen... Selbst über dem einer Omega."
Ein Klopfen unterbrach das Gespräch und Jonah steckte den Kopf durch die Tür. „Bitte verzeiht die Störung... Sie ist hier."
Warren nickte kurz. „Danke, Jonah. Wir kommen..." Konstantin presste die Lippen zusammen und sah seinen Bruder an. Grayson stöhnte und schob seinen Stuhl ruckartig zurück. „Los, Bruder... wir kommen da ja doch nicht drum.." murmelte er bedrückt.Die Alphafamilie betrat die Eingangshalle. Fünf Rudelfremde Wölfe standen da. Vier Riesen, ihre erschreckende Ähnlichkeit mit Schränken zeichnete sie als Gammas aus. Und der fünfte war ... kein er.
Es war eine junge, zierliche Frau.
Sie hatte eine wundervolle Rubensfigur, hüftlange kupferne glatte Haare und riesige Gold-grüne Augen. Sie sah sich ängstlich um und trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. Jeder Millimeter dieses Mädchens schrie förmlich OMEGA!
Die Luna trat mit einem herzlichen Lächeln auf sie zu. „Hallo, meine Liebe. Du musst Emma sein.. Willkommen im Blackford Rudel!" Emma sah auf, ein scheues Lächeln huschte kurz über das süße Gesicht, dann sah sie schüchtern zu den beiden jungen Alphas. Objektiv betrachtet, das musste Konstantin zugeben, war Emma ein wunderschönes Geschöpf. Aber sein Wolf könnte nicht weniger beeindruckt sein. Das Seelentier zeigte null Interesse und drängte ihn stattdessen zu Alia zu gehen.
Die Gefährtin war verletzt! Musste gewärmt und beschützt werden!
Der Wolf scharrte genervt mit den Pfoten und buckelte. „Emma... bitte verzeih. Ich...ich kann ... das noch nicht..."
Die Worte kamen nur stotternd aus seinem Mund. Sein Lächeln war traurig, als er eine Hand auf seine Brust legte, den Kopf neigte und dann mit einem tiefen, abgehackten Einatmen in Richtung des Krankenzimmers lief, in welchem Alia lag.Konstantin öffnete behutsam die Tür und schlüpfte in den Raum. Lucan hob den Kopf und sah ihn bitter an. „Ist sie da?" fragte er mit einem wütenden Knurren in der Stimme. Kon trat an Lias Bett und nahm zärtlich die kleine kühle Hand. Er presste seine Lippen auf den Handrücken und lehnte danach seine Stirn dagegen. „Ja... ist sie..." Stille senkte sich über die Männer, während beide ihren Gedanken nachhingen. „Wie ist sie... Nein, bitte lass es.. ich will es lieber doch nicht wissen.." Lucan sah auf Alia und streichelte sachte über den weißen Haare. Konstantin sagte bedrückt: „Wäre nicht dieses Mädchen hier... wären wir sehr interessiert..." murmelte er leise. Lucan schnaubte unwillig. „Nein! Niemals!" flüsterte er heiser. „Lia ist unsere Gefährtin! Ich werde diese neue Omega nicht akzeptieren! Mir ist scheißegal, ob unsere Kleine nicht in der Lage ist, Welpen zu bekommen.... SCHEIẞEGAL! Wenn sie aufwacht, werde ich Alia markieren. Sie gehört uns. UNS, Konstantin!!"
Kon nickte langsam. Emma würde Lia nicht ersetzen können. Niemals! Und wenn seine Eltern es noch tausend Mal befehlen würden. Er beugte sich über die junge Frau und küsste sie auf die Stirn. „Unser!" bestätigte er. „Unser!" echote Lucan.
„Unser!" erklang Grayson's Stimme von der Tür. Die Drillinge sahen sich an, während im Hintergrund der Herzmonitor den langsamen, mühevollen Schlag von Alias Herzen wiedergab...
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Alia
LobisomemEine Omega ist wertvoll und sehr selten. Daher gehört sie immer dem gesamten Rudel. Doch meine Eltern wollten mir ein freies Leben außerhalb des goldenen Käfigs ermöglichen und so bezahlte meine Mutter den ultimativen Preis für meine Freiheit. Ich...