Ein Silberstreifen

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EMMA

Emma sah sich in ihren Räumlichkeiten um. Zögernd war sie der Luna gefolgt. Vor einem Tag war sie noch in ihrem alten Rudel gewesen und jetzt... nun, jetzt war sie es nicht mehr. Das Schicksal einer jeden Omega, die nicht direkt von Kindesbeinen an auf einen Alpha - oder mehrere - geprägt wurde. Ihr altes Rudel hatte sie an die Blackfords verkauft. Emma kannte den Preis nicht, vermutete aber dass es zwischen ein-drei Millionen Euro waren. Sie hatte die Ablehnung der beiden jungen Alphas gespürt... und nicht nur ihre. Jeder Wolf, abgesehen von dem Alphapaar ließ sie spüren, dass sie ein Außenseiter - rudelfremd - war.

Emma trat ans Fenster und sah auf den riesigen Garten hinaus. Ihr Blick blieb an zwei großen blonden Männer hängen, die sich offensichtlich heftig stritten. Der etwas größere mit dem Bart wurde von dem kleineren angebrüllt und geschubst. Bevor es eskalieren konnte, kam ein dritter Mann auf die Streithähne zu. Er war älter, sah dem Bartträger allerdings sehr ähnlich. ‚Vermutlich der Vater,' dachte Emma. Dann stieß sie sich mit einem Seufzer vom Fenster ab und begann, ihre Koffer auszupacken. Nachdem sie sich kurz geduscht hatte, zog sie eine schlichte Yogahose und einen Schwarzen Hoodie über.

Die Omega fürchtete sich. Sie war wie jede ihrer Art scheu. Ihren kleinen Trotzkopf hatte der Hamburg-Alpha ihr bereits in jungen Jahren buchstäblich ausgeprügelt. Ihr altes Rudel hatte Emma fast ausschließlich in ihrem Zimmer festgehalten. Und mit täglichen ‚Lektionen' durch den Thronfolger und seine Kumpanen auf ihr Leben als Handelsware vorbereitet. Dementsprechend zögernd öffnete die junge Frau die Tür, erwartete jeden Moment die Prügelstrafe für das unerlaubte Verlassen des Zimmers.
Doch.. niemand hinderte sie daran.
Langsam und vorsichtig schlich sie die Treppe hinunter. In der Eingangshalle kam ihr der kleinere der beiden Männer entgegen, die sie vor etwa einer Stunde im Garten beobachtet hatte. Wobei der Begriff ‚kleiner' relativ war. Er war immer noch gut zwei Köpfe größer als sie. Erstaunt blieb der Mann stehen und schnupperte kurz in der Luft.
„Hi... du musst die Omega aus Hamburg sein. Ich bin Markus." sagte er mit einem freundlichen Lächeln. „Emma," flüsterte die junge Frau kaum hörbar. Markus musterte sie nachdenklich. ‚Ein süßes Ding' dachte er. Ace war ausgerastet, als er von ihrer Ankunft erfahren hatte. Markus hatte seinen Freund im Garten zu Rede gestellt und versucht zu vermitteln. Er mochte Alia doch
auch, dennoch hatte er nicht dieses tiefe Band zu ihr, wie das Höllentrio oder Ace selbst. Daher war er in dieser beschissenen Situation noch zur Logik fähig. „Emma... suchst du wen? Oder was?" fragte er ruhig. Die Kleine wirkte nervös und irgendwie.. unglücklich.

Emma verdrehte den Saum von ihrem Hoodie und scharrte mit den Füßen. „Den Garten?" fragte sie zögernd. Markus schmunzelte und deutete mit dem Daumen hinter sich. „Da lang.. willst du Gesellschaft?" Sein Wolf bewegte sich unruhig. Auch wenn dieses Weibchen noch nicht zum Rudel gehörte, sie war ein Omega. Und Omegas mussten beschützt werden! Emma nickte langsam und folgte dem Beta in den wunderbaren Garten hinaus.

ACE

„Du hast Markus gehört!" sagte sein Vater gerade. Ace zischte und setzte zu einer Schimpftirade an, als Jonah ihm ins Wort fiel. „Das Mädchen kann am wenigsten was für diese ganze Nummer! Ich weiß, wie sehr du Lia liebst und wie sehr du dir wünschst, dass alles wie durch Zauberhand wieder gut wird. Aber dies ist kein verdammtes Märchen, wo eine gute Fee auftaucht und wir uns alle was wünschen können.... Ich bitte dich nur, fair zu Emma zu sein."
Ace warf mit einem frustrierten Knurren die Arme hoch. „FUCK! Du hast ja recht, Paps... es ist nur soooo frustrierend. Aber ich geb mein Bestes..." Jonah nickte zufrieden. Er legte seinem Sohn kurz die Hand auf die Schulter. Dann wandte er den Kopf, als er die Bewegung im Augenwinkel wahrnahm. „Deine Chance..." murmelte er, drückte noch einmal kurz beruhigend zu und ging in Richtung des Hauses davon.

Ace betrachtete Markus und die neue Omega. Sie war niedlich, das musste er zugeben. Auch sein Wolf stimmte zähneknirschend zu. Der Beta wandte den Blick kurz zum Himmel. Göttin! Warum wurden sie alle nur so auf die Probe gestellt?! Dann ging er den beiden entgegen. Markus' Blick wurde warnend. „Hallo... du bist Emma, stimmt's?" fragte Ace. Der kleine Rotschopf nickte schüchtern und sah ihn aus riesigen Augen an. Ace presste kurz die Lippen zusammen, dann sagte er leise: „Hab keine Angst! Niemand hier würde jemals auf die Idee kommen, einer Omega zu schaden... oder jemandem, der unter dem Gastrecht steht... Ich bin Ace." Sie streckte den Kopf leicht vor und schnupperte in seine Richtung. Ihre Wölfin zeigte sich kurz durch ein goldenes Aufflackern in dem Blattgrün der großen Augen.

Ein lautes Grollen erscholl hinter ihnen. Ace löste den Blick von dem kleinen Ding vor sich und sah zu Lucan rüber, der in der Terrassentür stand. „Ich geh schon," meinte Markus und joggte zum Haus zurück. Bei dem Knurren des Alphas war Emma zusammengezuckt und versuchte sich hinter dem großen Beta zu verstecken. Lucan starrte noch einige Sekunden wütend auf die Omega, dann zog Markus ihn außer Sichtweite. „Ich denke, ich muss dir ein bisschen was erklären," sagte Ace und deutete auf die Hollywoodschaukel. Emma setzte sich neben ihn und sah den jungen Mann aufmerksam an.

Ace erzählte ihr alles, von der tiefen Freundschaft zu seinem Mäuschen, wie sich die Drillinge in Alia verliebt hatten und endete schließlich mit den schrecklichen Ereignissen, die zu Emmas Transfer zum Blackford-Rudel führten. Er sah auf die Kleine herab und bemerkte die Tränen, die ihr übers Gesicht liefen. „Ich beneide sie so sehr..." flüsterte Emma. Ace schüttelte fassungslos den Kopf. Auch sein Wolf fauchte und stellte das Fell auf. Der Beta wurde so wütend, dass er fast verpasste, das Emma weitersprach.
„Ich weiß, wie das klingt... aber das, was sie hatte, hatte ich nie. Meine Eltern haben mich im Alter von einem Jahr dem Rudel gegeben. Sie liebten mich nicht genug, um für mich zu kämpfen... mein ehemaliger Alpha und sein Sohn sind prügelliebende Monster. Die Luna ist nicht viel besser. Hast du auch nur eine Ahnung, wie es sich anfühlt, eine Handelsware zu sein? Nie gefragt zu werden, was du für dich selbst vielleicht erreichen möchtest? Was du dir für dein Leben wünschst? Ich habe bis auf Sarah keine Freunde, die sich für mich einsetzten könnten. Niemanden, der mich so sehr liebt, dass allein der Gedanke mich zu verlieren ihn in den Wahnsinn treibt! Du weißt nicht, wie unendlich einsam ich in meinem Leben war und bin... Also ja, ich beneide Alia um diese tiefe Liebe, die ihr alle für sie empfindet!"

Ace schwieg. Sein Wolf jaulte traurig ob der Seelenqual der kleinen Omega und wollte sich um sie zusammenrollen, um sie vor der Welt zu beschützen. Der blonde Mann schluckte schwer und setzte zu einer Erwiderung an, doch was Emma als nächstes sagte, stellte seine Welt erneut auf den Kopf. Sollte es wirklich möglich sein? Ein Silberstreif der Hoffnung am Horizont...

AliaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt