ELF

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Ich stand einfach unter der Dusche und lies das Wasser laufen. Das Wasser übertönte meine tiefen Schluchzer. Wie lange ist es her, dass ich so sehr geweint hatte? Ich hatte schon Kopfschmerzen mittlerweile. Wie konnte er sowas sagen? Hatte ich denn wirklich gar keinen Wert in seinen Augen? Mein Herz schmerzte so fürchterlich sehr. Ich hätte niemals gedachte, dass seine Worte mich so sehr verletzen würden. Hätte er das vor ein paar Wochen zu mir gesagt, wäre ich sogar froh darüber. Ich würde dann endlich frei sein. Endlich würde ich meinen Weg gehen können. Aber jetzt, jetzt wollte ich bei ihm sein. Wie würde ich es schaffen alleine zu leben, wenn mein Herz und meine Gedanken bei ihm blieben? Ich musste es einsehen.. Ich war alleine! Alleine auf dieser grauenvollen Welt! Ich wünschte ich hätte ihn niemals getroffen, so wäre das Leben viel einfacher.
Als ich merkte, dass ich seit fast einer Stunde im Bad bin, stieg ich aus. Ich betrachtete mich im Spiegel. Was hatte ich mir auch gedacht, dass er mich lieben kann? Wer bin ich denn in seinen Augen? Ein niemand! Nicht einmal ich selbst kann mich mit einem Körper voller Wunden akzeptieren, wie konnte ich erwarten das er es tut? Wieso hat er mir dann Hoffnungen gemacht? Wieso war er bei mir, wenn es mir scheisse ging? Wieso hat er zugelassen, dass ich in seinen Armen schlafe? Bevor ich nochmal in Tränen ausbrach, zog ich mich an, föhnte meine Haare und ging aus dem Bad. Er lag schon im Bett und ich legte mich auch hin, ohne das Licht zu öffnen. Am liebsten würde ich einschlafen und nie wieder aufwachen..

Am nächsten Morgen saßen wir alle gemeinsam am Frühstückstisch. Ich hatte keine Lust, irgendetwas zu essen.
Ahmet: "Gehts dir gut mein Kind?"
Ich hob meinen Kopf und lächelte zwanghaft.
Ich: "Ja mir gehts gut. Mir ist nur ein wenig übel.."
Cennet Anne: "Torun haberleri mi var yoksa?" (Kriegen wir etwa Enkelkind Nachrichten?)
Sie strahlte übers ganze Gesicht und ich wurde wahrscheinlich Tomatenrot.
Ömer: "Wie kommst du drauf Anne?", fragte er in einem genervten Ton. Er hasst mich doch! Niemals würde er ein Kind von mir wollen.
Cennet Anne: "Kann doch sein, ich meine ihr seit jetzt schon länger verheiratet."
Ich: "Daha erken Anne." (Es ist noch zu früh Mama)
Ahmet Baba: "Lass die Kinder in Ruhe Cennet."
Somit beendeten wir das Thema. Sie taten mir so leid. Sie verdienen es gar nicht derart angelogen zu werden. Wir haben kein Recht dazu alle so sehr zu belügen. Sie träumen von einem Enkelkind, wobei unsere nicht mal eine richtige Ehe ist.
Fertig mit dem Frühstück wollte ich mich auf den Weg zur Arbeit machen. Ich verabschiedete mich von allen und zog mir gerade die Schuhe an als Ömer kam.
Ömer: "Ich fahr dich."
Ich: "Nicht nötig.", sagte ich hastig und ging aus der Tür. Doch bevor ich auch nur einen Schritt machen konnte packte er meinen Arm und stoppte mich.
Ömer: "Ich fahre dich habe ich gesagt."
Arschloch! Und somit saßen wir in seinem Auto. Keiner von uns sprach. Im Hintergrund lief nur die Musik. Es war einer meiner Lieblingslieder, deshalb stellte ich es etwas lauter. An der besten Stelle des Liedes schloss ich meine Augen und genoss den Rhythmus in meinen Ohren.
"Ne yaparsam olmuyor, olmuyor eskisi gibi. Güldürmüyor, aglatmiyor kimse senin gibi." (Egal was ich tue nichts wird wie früher. Keiner außer dir lässt mich so weinen, so lachen wie du)
Jetzt machte das Lied irgendwie mehr Sinn, als wenn ich es vorher gehört habe.
Endlich waren wir angekommen und ich wollte sofort aussteigen, bevor er mich am Arm zurückzog. Fragend blickte ich ihm in die Augen. Kurz öffnete er seinen Mund, um etwas zu sagen, schloss es aber wieder.
Ömer: "Ich hole dich nach der Arbeit ab."
Sein ernst? Das wollte er sagen?
Ich: "Brauchst du nicht! Ich finde schon nach Hause!"
Somit knallte ich die Tür zu und stieg aus. Ein langer Arbeitstag wartete auf mich. Zum Glück gab es Diyar, mit ihm konnte ich wenigstens etwas Spaß haben. Nebenbei erzählte er mir, dass er jetzt eine Freundin hätte. Das freute mich sehr, denn er verdiente es glücklich zu sein.

Nach der Arbeit spazierte ich etwas rum. Ich hatte gar keine Lust nach Hause zu gehen und Ömer zu begegnen. Neben ihm ist es für mich von nun an einfach eine Qual.
Ich war total in Gedanken, bis jemand meinen Namen schrie. Ich drehte mich zu der Stimme um und sah Eren vor mir. Bei genauerem hinsehen, sah ich eine Platzwunde an seiner Augenbraue. Auch sein Auge war angeschwollen und blau. Also hat Ömer doch nicht gelogen?! Bevor ich weiter denken konnte stand er vor mir.
Eren: "Was machst du hier so alleine?"
Ich: "Ein wenig frische Luft schnappen und du?"
Eren: "Auch.", sagte er lächelnd.
Ich deutete auf seine Wunden. Ich hatte einen Plan. Einer der beiden musste mir die Wahrheit erzählen..
Ich: "Wieso habt ihr das getan?"
Eren: "Hat er es dir erzählt.??"
Er war etwas geschockt. Spiel einfach weiter Hevin dachte ich mir nur.
Ich: "Ja hat er.. Wieso Eren?"
Er brach den Blickkontakt ab und schaute durch die Gegend. Er versuchte etwas gescheites rauszubringen.
Eren: "Hevin bak (schau mal) ich weiß nicht wieso, aber ich habe die Trauer in deinen Augen gesehen. Ich wusste, dass du unglücklich bist. Ich dachte ich würde das Richtige tun.. Ach ich weiß auch nicht.. Es ist mir dann halt rausgerutscht."
Was redet er da für ein Mist? Was ist ihm rausgerutscht? Lass dir was einfallen Hevin!!
Ich: "Was hast du Ömer gesagt Eren? Er hat mir nur Andeutungen gemacht, aber nicht gesagt was Sache ist! Ich werde noch verrückt."
Ich versuchte verzweifelt zu klingen. Eigentlich war ich das ja auch..
Eren: "Ich kann dir das nicht sagen, du würdest mich hassen dafür. Ich weiß selbst nicht wieso ich das gesagt habe."
Ok. Jetzt macht es mir langsam Angst. Was könnte er so schlimmes gesagt haben?
Ich: "Eren sag es! Ömer behandelt mich wie Dreck seitdem! Willst du wirklich der Grund dafür sein??"
Eren: "Ich.. Hevin also ich habe ihm halt gesagt, dass du unglücklich bist und alles.. Ich hab gesagt, dass ich dich glücklich machen könnte.. Und du das auch wollen würdest.."
Was ich da hörte schockte mich! Wie konnte er sowas von sich geben? Ich bin verheiratet! Wie könnte ich mit einem anderen eine Zukunft planen??
Ich: "Ist das dein ernst? Wie konntest du nur?? Ich bin verheiratet Eren! Verheiratet! Mit deinem Cousin! Es kann dir scheiss egal sein, ob ich glücklich bin oder nicht?! Unsere Eheprobleme gehen nur Ömer und mich etwas an! Wie konntest du mich mit so einer Verleumdung verdrecken? Was glaubst du wie Ömer jetzt von mir denkt?"
Meine Stimme wurde immer lauter. Er schaute mich mit entschuldigenden Blicken an. Aber seine Entschuldigung könnte er sich sonst irgendwo hin stecken!
Ich drehte mich einfach um und ging weg. Ich musste weg von ihm. Ich musste zu Ömer. Ihm sagen, dass alles eine Lüge ist! Wie konnte er nur so von mir denken? Die Wahrheit würde doch sowieso nichts ändern! Er hatte seine Entscheidung bereits getroffen. Trotzdem musste er die Wahrheit kennen.

Zu Hause angekommen war keiner zu Hause. Ich schaute mich überall um, aber keiner war da. Ich ging hoch in Yagmur's Zimmer, aber auch sie war nicht da, deshalb ging ich in unser Schlafzimmer. Ömer lag auf dem Bett und telefonierte. Als er bemerkte, dass ich da war legte er mit den Worten 'Ich ruf dich später an' auf. Er blickte mir verachtend in die Augen und wollte gehen, aber ich kam ihm zuvor und stellte mich genau vor ihn. "Was soll das?", zischte er.
Ich: "Wie konntest du nur denken, dass ich etwas mit Eren habe?"
Mit großen Augen schaute er mich an.
Ömer: "Hast du dich auch noch mit ihm getroffen?", sagte er etwas lauter.
Ich: "Ich hab ihn zufällig gesehen! Und zum Glück habe ich das, sonst würde ich wohl niemals erfahren, wie du über mich denkst!"
Ömer: "Du bist mich doch bald los! Dann könnt ihr glücklich zusammen kommen! Er kann dich dann glücklich machen! Anscheind bist du das im Moment nicht!"
Ich lachte bitter auf, er machte mich wütend! Weshalb sich meine Stimme jetzt auch erhöhte: "Wie lange kennen wir uns jetzt schon? Hala mi taniyamadin beni? Böyle bir ahlaksizligi asla yapmicagimi bilmiyormusun?" (kennst mich immernoch nicht gut genug? Denkst du ich würde sowas ehrenloses tun?)
Ich hob meine Hand und zeigte mein Ring: "Ich bin verheiratet! Es ist egal ob, dass eine richtige Ehe ist oder nicht! Die Tatsache ist, dass ich verheiratet bin! Er ist dein Cousin verdammt! Denkst du wirklich ich würde dich so hintergehen? Auch wenn es irgendein Typ wäre, denkst du ich würde mit einem Mann eine Zukunft planen, wenn ich den Ring eines anderen Mannes trage?"
Er schaute mich einfach nur an. Mir kamen schon die Tränen, aber nicht nur aus Trauer, sondern aus Wut! Bevor ich überhaupt realisieren konnte was passiert, packte er meine Gesicht zwischen seine Hände und legte seine Lippen auf meine. Vor Schock weiteten sich meine Augen. Mein erster Kuss! Mit dem Mann, den ich liebe. Mit einem mal löste er sich von mir und ging. Wieder einmal lies er mich einfach so da stehen.

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