SECHSUNDZWANZIG

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Wir waren im Krankenhaus angekommen. Ich versuchte meine Tränen zu verstecken, aber es liefen immer einige über meine Wangen. Ömer hielt meine Hand fest in seiner Hand. Je näher wir der Notaufnahme kamen, umso schneller schlug mein Herz. Ömer's Griff um meine Hand wurde fester, obwohl er selbst kaum noch Kraft hatte. Als wir ankamen sah ich wie alle vor ihrem Zimmer saßen. Hayal saß neben Melis Mutter und versuchte sie zu trösten. Neben ihrem Vater saßen Mert und Sirac. Musti saß verkrümmt auf dem Boden und hatte seinen Kopf in seine Hände vergruben. Ich ging auf ihre Mutter zu und kniete mich vor sie. Ich legte meine Hand auf ihre und drückte sie leicht.
Ich: "Melis ist eine Kämpferin, sie wird aufwachen. Allaha bol bol dua edin.." (Betet zu Allah)
Melis Mutter: "Insallah kizim, insallah.." (Ich hoffe mein Kind, ich hoffe es)
Ich blickte zu ihrem Vater und er nickte mir unter Tränen zu. Ich setzte mich neben Hayal hin und sie legte ihren Kopf auf meine Schulter. Ömer hatte Musti weggebracht. Er brauchte frische Luft. Nebenbei erfuhr ich, dass Mihriban und Serkan in der Cafetaria waren.
Ich: "Ich gehe mal nach Mihriban sehen."
Hayal nickte und ich stand auf.
Sirac: "Hevin warte ich komme mit."
Gemeinsam gingen wir dann in die Cafetaria. Mihri und Serkan saßen an einem Tisch und als sie uns sahen standen sie auf. Mihriban fiel mir um den Hals und weinte an meiner Schulter, während mir auch Tränen liefen. Mihriban war schon immer die emotionalste unter uns. Ich löste mich nach einer Zeit von ihr und wir setzten uns hin. Serkan ging kurz hoch und brachte Melis Eltern, etwas zu trinken und kleine Snacks zum Essen.
Mihriban: "Sie wird aufwachen oder?", sagte sie mit zitternder Stimme.
Ich versuchte so stark wie möglich zu klingen: "Natürlich wird sie das, Allahin izniyle.." (Mit Allah's Hilfe)
Sirac: "Möchtet ihr etwas trinken?"
Ich schüttelte den Kopf und auch Mihri wollte nichts. Meine Gedanken gingen zu Ömer. Wo war er? Ich wollte ihn nicht alleine lassen, aber wahrscheinlich braucht ihn Musti im Moment am meisten.
Mihri: "Sie hat erst vor einigen Tagen einen Heiratsantrag gekriegt.. Jetzt, jetzt liegt sie im Koma. Ich versteh das einfach nicht! Wieso sie?"
Ich: "Mihriban rede nicht so. Wir können nicht vor Allah's Willen stehen. Es musste so kommen, beten wir lieber für eine Erlösung.."
Sirac: "Hevin hat Recht, bol bol dua etmemiz gerekiyor." (Wir müssen beten, nur beten)
Ich: "Ich geh mal nach Ömer sehen. Geht ihr Beide hoch."
Gemeinsam standen wir auf und ich ging raus und hielt Ausschau nach meinem Mann. Ich sah nur Musti auf der Bank sitzen. Als ich ihn da so sah, wusste ich nicht, ob ich zu ihm sollte. Entschied mich aber dafür. Als ich mich ihm näherte stand er auf, obwohl er mich nicht bemerkte.
Ich: "Musti?"
Er drehte sich zu mir und blickte mir in die Augen. Seine Augen waren total rot und feucht. Ich hatte ihn noch nie so gesehen. Ich ging auf ihn zu und umarmte ihn. Er legte auch seine Arme um mich und nach kurzer Zeit lösten wir uns voneinander. Wir setzten uns auf die Bank. Keiner von uns redete, es war still, bis er die Stille brach.
Musti: "Ich hatte ihr einen Heiratsantrag gemacht. Weißt du wie glücklich sie war? Ich hab es in ihren Augen gesehen, die Freude habe ich in ihren Augen gesehen. Jetzt liegt sie dort und öffnet nicht ihre wunderschönen Augen. Wie soll ich das verkraften Hevin? Wie soll ich leben, wenn sie ihre Augen nicht öffnet. Ich wollte sie heiraten Hevin, ich wollte, dass sie meine Frau wird..
Ich: "Hör auf so zu reden, als ob es keine Hoffnung mehr gibt Mustafa! Sie wird ihre wunderschönen Augen wieder öffnen verstehst du! Das verspreche ich dir!"
Musti: "Es ist alles meine Schuld!"
Er stand auf und raufte sich an den Haaren und schrie weiter: "Hätte ich sie abgeholt wäre das niemals passiert!"
Ich: "Hör auf dir selbst die Schuld zu geben! Es wäre auch passiert wenn du sie immer neben dir hättest! Es war ihr Schicksal verstehst du? Wir könnten es niemals verhindern! Geh jetzt zu ihr sie braucht dich! Sie muss spüren, dass du da bist."
Er schaute mich mit Tränen in den Augen an und nickte, sagte noch "Sie wird aufwachen Hevin, du hast es mir versprochen." und ging zu seiner Geliebten. Ich schaute hoch und murmelte Gebeten den Himmel, die mir meine Mutter beigebracht hatte. Bis ich plötzlich Arme um meinen Bauch spürte. Tief zog ich seinen Geruch in mich hinein, was er auch tat. Ich dreht mich in seinen Armen um und blickte in seine müden Augen.
Ich: "Wo warst du?"
Ömer: "Ich habe das Auto umgeparkt."
Ich nickte und er fragte mich: "Was machst du hier?"
Ich: "Habe mit Mustafa gesprochen.. Er tut mir so leid Ömer. Seine Geliebte liegt im Koma. Wenn ich mir denke an seiner Stelle zu sein.. Ich denke ich könnte das nicht aushalten."
Er drückte mir einen Kuss auf die Stirn.
Ömer: "So habe ich mich gefühlt, als du dich vor diese Kugel geworfen hast.."
Ich: "Es tut mir leid.."
Ich küsste leicht seine Wange und er nahm meine Hand in seine. Wir gingen auch wieder zurück zur Notaufnahme. Als wir dort ankamen, kam auch ein Arzt auf uns zu. Wir alle schauten ihn mit voller Hoffnung an. Doch er schüttelte nur seinen Kopf.
Arzt: "Mein Beileid. Wir konnten sie nicht retten.."
Ein schrilles Schreien einer Mutter betäubte meine Ohren. Meine Mutter kam mir in den Sinn. Das konnte nicht sein.. Sie durfte nicht sterben! Ich hatte es Mustafa versprochen. 'Allahim hilf uns! Gib uns ein Zeichen! Gib sie uns zurück!'
Mustafas Gebrüll brachte mich wieder zu mir. Er hatte den Arzt am Kragen gepackt und rüttelte an ihm: "TUN SIE WAS! BRINGEN SIE MEINE FRAU ZURÜCK! WIR WOLLTEN HEIRATEN VERDAMMT! SIE DARF NICHT GEHEN! HÖREN SIE, SIE DARF NICHT GEHEN!"
Ömer versuchte ihn zurück zu halten und schaffte es auch. Mustafa sackte auf dem Boden zusammen. Hayal versuchte Melis Mutter zu beruhigen, was sie nicht hinbekam. Ich schaute zu ihrem Vater. Stumm liefen ihm die Tränen über die Wangen. Dieser Anblickt tat mir so weh! Ich eilte mit schnellen Schritten dem Arzt hinterher.
Ich: "Versuchen sie es nochmal! Geben sie ihr ein letztes mal diesen Elektroschock! Ein letztes mal ich flehe sie an!"
Arzt: "Es wird nichts bringen. Wir haben es sooft versucht."
Ich: "Schauen sie sich ihre Familie an! Tun sie es für diese Familie! Nur ein letztes mal!"
Er schaute zu Melis Eltern und ging zurück in ihr Zimmer. Er wird es noch einmal versuchen. Ich betete innerlich zu Allah, denn nur er konnte entscheiden was passieren wird. Und dann kam es, das Geräusch, worauf ich wartete! Ihr Herz fing erneut an zu schlagen. 'Allahim sükürler olsun!' (Gott sei Dank!) Ihre Eltern und Mustafa kamen sofort zum großen Fenster und schauten zu ihr rein. Der Arzt kam raus und blickte mich verwundert an: "Ich muss mich bei Ihnen bedanken! Das ist ein Wunder! Sowas ist noch nie passiert! Ihre Freundin ist zurückgekehrt und das Dank ihnen!"
Vor Glück fielen mir die Tränen über die Wangen. Ich schaute zu Mustafa, der mich dankend anschaute.
Ich: "Ich hatte es dir versprochen."
Leicht lächelte er und fiel mir um den Hals: "Danke Hevin! Dank dir habe ich meine Frau zurück!"

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