Es war ein herrlicher Herbstmorgen. Arschkalt aber sonnig. Was wollte man schon mehr? Ich saß bereits im Café und nippte an meinem Espresso, als die Tür aufschwang und Sandro den Raum betrat. Er musste nicht lange suchen, da entdeckte er mich an unserem Stammtisch, hinten im Eck, am Fenster.
„Gute Morgen, Schlafmütze! Hab den Tag bereits im Kalender rot markiert.", begrüßte ich ihn, als er an meinen Tisch kam und sich auf den Stuhl gegenüber setzte. „Spotte du nur! Es haben ja schließlich nicht alle einen perfekten Acht Stunden Tag wie du!" „Neidisch?", fragte ich spöttisch und zog grinsend eine Augenbraue in die Höhe. „Hättest du wohl gern!", erwiderte Sandro und lehnte sich lässig in seinem Stuhl zurück. „Hast du schon bestellt?", wollte er wissen. „Natürlich nicht. Bin selbst erst vor ein paar Minuten gekommen. Wie lief es noch mit Martin?", wollte ich wissen.
„Martin?", fragte mich Sandro irritiert und schien über den Namen nachzugrübeln. „Mensch Sandro, der Kerl, der gestern Abend um dich rum geschwänzelt ist." Rollte ich mit den Augen.
„Ach Martin ...", kam es gedehnt von ihm. „Der schläft noch und ist hoffentlich weg, wenn ich wieder da bin."
„Oh Man ...", konnte ich mir wirklich nicht verkneifen. „Ach komm schon, Lu, du bist auch nicht besser. Hast ein Weib, nach dem Anderen."
„Aber ich weiß am nächsten Morgen, wenigsten noch ihre Namen und ich habe gewiss nicht jede Nacht eine Neue."
„Ja, aber nur, weil du deine Nächte in einem Schwulenclub verbringst und dort nicht gerade deine Zielgruppe vertreten ist.", konterte der Gute ungerührt. Er konnte sagen, was er wollte, aber er war eindeutig die größere Schlampe von uns beiden. Bevor ich antworten konnte, kam die Kellnerin an unseren Tisch und nahm die Bestellung auf.
„Sag mal, hast du dir schon was überlegt wegen der Ersteigerung?", fragte ich zwischen zwei Happen Rührei. Vor einer Woche waren wir zusammen auf einer Spendengala von Monika, die Ehefrau eines meiner drei besten Freunde. Dort gab es eine Versteigerung, vor der ich mich leider, nicht habe drücken konnte. Und als es schon so schien, als würde mich eine reizende Oma ersteigern, bat auf einmal Sandro fünf Tausend Euro und gewann natürlich die Partie. Hätte Alex, mein anderer bester Freund, mir nicht irgendwelche Flausen in den Kopf gesetzt, Sandro würde diese Ersteigerung gewiss nicht als Freundschaftsdienst sehen, wäre ich jetzt bestimmt nicht so verunsichert. Ich sollte dringend die Wahl meiner Freunde überdenken.
„Ich hab da schon was im Hinterkopf." Sandro lehnte sich zurück und tupfte mit einer Serviette seinen Lippen ab. Gedankenverloren und melancholisch vor sich hin lächelnd sah er an mir vorbei ins Nichts.
„Und das wäre?", fragte ich vorsichtig nach. Immer noch nicht sicher, ob es vielleicht nicht doch besser wäre, bis zum Schluss ahnungslos zu sein. Wie hieß es so schön? Unwissenheit wäre ein Segen.
„Lass dich doch einfach überraschen.", schlug er mir vor und grinste dabei schelmisch. Ja klar, überraschen lassen ... der hatte gut reden, meine Phantasie spielte mir sowieso schon die schrecklichsten Szenarien vor. „Es ist bestimmt etwas Fieses, wenn du so grinst!" „Niemals!", empörte er sich gespielt und griff sich theatralisch an die Brust. Auch so ließ Sandro keine Gelegenheit aus, mit seinen Händen zu gestikulieren. Vor allem, bei einem Streit konnte er ganz schön rumfuchteln. Wie diese klischeehafte Beschreibung aller Italiener. Mir war so was nicht in die Wiege gelegt worden, aber ihn beobachtete ich stets gern dabei.
„Es wird dir bestimmt gefallen. Du darfst mich einen Tag und eine Nacht lang begleiten und sehen, dass ich nicht nur bis in den Mittag schlafe und anschließend Party mache.", schilderte er mir dennoch gütigerweise seinen Plan. „Das denke ich wirklich nicht! Das vorhin war nur ..."
„Beruhig dich Lu, ich wollte dich nur aufziehen.", unterbrach er meinen Redeschwall und lächelte mich beruhigend an. „Okay. Weißt du auch schon ein Datum?"
Er holte sein Smartphon heraus und schien seinen Terminkalender durchzusehen. „Wie wäre es am Samstag, den 14. Dezember?", fragte er, nach dem er gefühlte Stunden in seinem Handy gescrollt hatte. Die letzten zwei Jahre konnte man sich Sandro nicht mehr ohne seinen Kalender vorstellen. Einmal hatte er sein Handy verlegt ... das war vielleicht eine mittelschwere Katastrophe. Wir hatten die ganze Bude auf den Kopf gestellt. Gefunden hatten wir es letztendlich im Bett, zwischen den zwei Matratzen. Wie es dahin kam, wollte ich gar nicht so genau wissen.
„Klingt gut.", antwortete ich, ohne meinen Kalender zu zücken, aber das wäre genau in 14 Tagen. Die Adventswochenenden hielt ich mir, so gut es eben ging, frei. Schließlich musste man da ständig auf irgendwelche Christkindlmärkte, oder auf Weihnachtsfeiern. Zuviel Trubel. In der Weihnachtszeit mochte ich es ruhig. So sollte es ja auch sein, ruhig und besinnlich. „Na dann, trag ich dich mal ein." Er sah nicht mal auf, sondern tippte, immer noch vor sich hin grinsend, den Termin ein. Das ungute Gefühl, dass das kein so harmloser Tag für mich werden würde, blieb.
Eine Weile saßen wir noch beieinander, bevor ausnahmsweise ich zum nächsten Termin mit Alex weiter musste. Also langweilig wurde mir, trotz nicht vollgestopftem Kalender, auch nicht. Ich verabschiedete mich und nahm mir ein Taxi zu Alex. Ja, der gute Alex war, wie schon erwähnt, einer von meinen drei besten Freunden. Aber zurzeit konnte man den getrost in die Tonne kloppen. So unglücklich verliebt wie im Moment, war er kaum auszuhalten. Ich freute mich schon richtig drauf, was mich heute erwarten würde. Oben an der Tür musste ich erstmal 3-mal läuten, bevor die Tür aufgerissen wurde. „Ja!", wurde ich im nächsten Augenblick auch schon liebevoll angeschnauzt. „Dir auch einen wunderschönen guten Morgen!", flötete ich mit guter Laune und konnte es mir nicht nehmen, den missgelaunten Alex etwas zu triezen. Dieser wollte daraufhin gerade die Tür zuschlagen, da schob ich meinen Fuß in den Türspalt. „Hey, wir sind zum Essen verabredet! Und es war deine Idee, falls du das vergessen haben solltest!", erinnerte ich ihn. „Bist du noch im Bett gewesen? Du weißt schon, dass es bereits Mittag ist?", fügte ich noch an. Berechtigte Frage, denn Alex war nur in einer Boxer gekleidet und sah total verschlafen und zerzaust aus. Er war eigentlich der Letzte, der mir einfallen würde, den man als Langschläfer bezeichnen würde und ein Morgenmuffel eigentlich auch nicht.
„Hmm ...", kommentierte er meine Frage, wandte sich ab und ging geradewegs ins Bad. „Komm doch rein, kann ich dir einen Kaffee anbieten?", betrat ich unaufgefordert die Wohnung und äffte seine Stimme nach. Seit einer Woche war er so unausstehlich, nur weil er zu stur war sich einzugestehen, dass er sich verknallt hatte. Im Bad hörte man das Rauschen der Dusche, na hoffentlich hatte er anschließend bessere Laune. Kurzerhand ging ich in die Küche und machte uns erstmal einen Kaffee. Er konnte gut eine vertragen und ich konnte nicht lange ohne. Ja, ich gab es öffentlich zu, ein Koffeinjunkie zu sein. Aber wenn man sonst keine Laster hatte!
Ich war gerade dabei Milch aus dem Kühlschrank zu holen, da kam Alex im Bademantel in die Küche. „Kaffee ...!", stöhnte er, als er seine Tasse am Küchentisch entdeckte. Ließ sich auf den Stuhl sinken und griff ehrfurchtsvoll nach seinem Kaffee.
„Was hast du gestern noch im Heaven getrieben, nachdem ich heimgegangen bin und du unbedingt noch bleiben wolltest? Bist du noch mit zu diesem Stefan?"
„Stefan?", kam es fragend von ihm und er nippte an seinem heißen Kaffee.
„Na, der Kerl, mit dem du dann im Darkroom verschwunden bist.", erinnerte ich meinen Freund. Irgendwie kam mir der Dialog gerade, vage bekannt vor. „War das der Blonde?", fragte mich Alex grübelnd. „Nein, das war der Schwarzhaarige ... Verdammt Alex, wie viele Kerle hattest du gestern noch?"
„Willst du gar nicht wissen.", stöhnte dieser in seine Tasse, ohne zu mir aufzusehen. „Denkst du, das hilft dir irgendwie über Elias hinweg?" Oh mein Gott, ich nannte den Namen, der nicht genannt werden durfte.
„Das hat rein gar nichts mit Schneider zu tun.", bekam ich auch sogleich zu gefaucht. „Du kannst ja nicht einmal seinen Namen aussprechen!", erwiderte ich kopfschüttelnd. Was stellte sich Alex überhaupt so an? Die Diagnose Liebe war schließlich nicht tödlich! „Sag mal, seit wann bist du der Beziehungsexperte? Hätte ich seit 15 Jahren eine verkorkste Beziehung zu einem ‚Freund', würde ich den Ball ganz schön flach halten!", zischte er mich noch wütender an. „Geht's noch, mein Guter? Wie oft muss ich dir noch sagen, dass Sandro einfach nur ein Freund ist. Genau wie du! F... R... E... U... N... D... E...!", buchstabierte ich kurz mal vor, vielleicht läuteten da ja ein paar eingerostete Glocken. „Nur, das er kein übersensibeles Arschloch ist, das im Moment so labil ist, das er wie ein Verrückter bei jeder Kleinigkeit um sich schlägt!!", fügte ich wütend hinzu, irgendwo reichte es. Der konnte doch nicht ständig seinen Frust an mir auslassen. Und mit Sandro und mir hatte seine kaputte Beziehung erst recht nichts zu tun. „Ich geh dann mal. Meld dich das nächste Mal, wenn du wirklich Gesellschaft haben möchtest."
Geräuschvoll stellte ich meine Tasse ab und wollte gerade gehen, da hielt Alex mich auch schon zurück. „Sorry Luigi ...", seufzte er nun reumütig und raufte sich dabei die Haare. „Ich bin im Moment wohl wirklich ein Dauerarschloch, oder?"
„Ich würde lügen, wenn ich nein sage.", beantwortete ich ehrlich seine Frage. Selbsterkenntnis war ja bekanntlich der erste Weg zur Besserung.
„Bleib, wir bestellen eine Pizza und machen es uns auf dem Sofa gemütlich, okay?", bat er mich, und sah mich mit gekonntem Dackelblick an. „Spar dir den für deine Lover auf ... bei mir wirkt er einen feuchten Dreck!", pfefferte ich immer noch wütend zurück. Aber ich blieb.
Eine halbe Stunde später saßen wir mit unseren Pizzas vor dem Fernseher und sahen, zum ich weiß gar nicht mehr wievielten Mal, Sterben für Anfänger. Genau der richtige schwarze Humor für die super tolle Laune von meinem besten Freund. „Wie geht's deiner Gran?" Wagte ich nach einer Weile, die nächste kritische Frage und wappnete mich innerlich bereits gegen weitere verbale Attacken. Alex aber, ließ nur die Schultern hängen und seufzte schwer. „Wir telefonieren ... oder besser gesagt ich telefoniere mit ihr ... Aber all meine Entschuldigungen treffen auf taube Ohren.", seufzte er und fuhr sich niedergeschlagen durch die Haare und verstrubbelte sie damit noch mehr. Nicht das die Probleme mit seinem Lover schon schlimm genug waren, seine Oma hatte den Guten ebenfalls ganz schön bei den Eiern gepackt. Zu Recht wie ich fand! Würde ich aber so nie sagen! Ich glaub, das wäre endgültig mein Tod. Mich hätte es ja schon gewundert, dass er nicht ausgeflippt war, als er erfahren hatte, dass Elias von mir von der Wetter erfahren hatte. Aber nein, das hatte er nur mit einem Nicken zur Kenntnis genommen. „Ihre erste Frage ist: ‚Hast du mit Elias gesprochen'. Ich: ‚Nein'. Sie: ‚Findest du nicht auch, dass es heute schon wieder so grau aussieht?' Ich: ‚Granny bitte, es tut mir so leid, das wir uns gestritten haben'. Sie: ‚Kein Wunder, dass so viele an Depressionen leiden, so ein Mistwetter auch'. Ja und so geht das dann in einer Tour weiter, bis ich aufgebe. Auf alle Fälle hat sie mir verboten Montag zu kommen.", beendete er nun noch deprimierter seine Ausführungen. Ja, mit dieser Gran hatte man es nicht leicht! „Das wird schon, sie war schon immer eine harte Nuss.", versuchte ich ihn, etwas aufzumuntern. War mir aber sicher, dass sie nicht einlenken würde, bevor er nicht mit Elias sprach. Das konnte also noch dauern.
„Harte Nuss ist gar kein Ausdruck! Sie ist schon eher ein Betonklotz ... an meinen Füßen ... auf dem Weg zum Meeresgrund ..."
„Jetzt übertreib mal nicht so! In eurer Sturheit schenkt ihr euch beide nichts.", erwiderte ich und schüttelte den Kopf.
„Hey ... ich dachte, du bist mein Freund? Solltest du dann nicht auf meiner Seite sein?", jammerte Alex drauf los.
„Wieso tust du ihr und dir nicht den Gefallen und meldest dich bei Elias?", schlug ich vor und wechselte somit einfach das Thema. Dafür erntete ich sogleich einen bitterbösen Seitenblick. „Da gibt es Nichts mehr zu reden. Er hat deutlich geschrieben, dass er kein Interesse an mir hat. Dass er alles bekommen hatte, was er wollte.", erklärte er mir zum hundertsten Mal den Sachverhalt. Ob es ihm half, selbst dran zu glauben?
„Du bist unfair Alex und das weißt du auch! Du wolltest Elias nur fürs Bett, nicht umgekehrt. Er hat dir, warum auch immer, diesen Gefallen trotz der Wette erwiesen!" Begab ich mich erneut aufs dünnes Eis.
„Muss man sich schon dazu herablassen, mit mir zu schlafen??", fuhr mich mein Freund empört an. Er gab sich ja ganz schön Mühe, alles in den falschen Hals zubekommen. „Das meinte ich nicht und auch das weißt du! Kannst du dir nicht vorstellen, dass du ihm einfach nur weh getan hast und das er deswegen nichts mehr mit dir zutun haben will? Was hat er den noch zu bieten, nach dem du den Sex bekommen hast? Weil, sagst du nicht selbst, du willst nicht mehr vor ihm!? , erklärte ich kühl die Sachlage, worauf Alex schnaubend die Arme vor der Brust verschränkte. ‚Ja, bock du ruhig weiter', dachte ich mir und schüttelte über so viel Naivität den Kopf. „Doch, das kann ich ...", kam es nach einer Weile, nach dem wir weiter stillschweigend dem Filmverlauf verfolgt hatte. „Was kannst du?", fragte ich irritiert, weil er mich aus den Gedanken gerissen hatte und ich gar keinen Zusammenhang mehr sah.
„Na, dass ich ihm weh getan hab ...", sagte dieser traurig. „Das mit der Wette ist echt blöd gelaufen. Er hätte es nicht von dir erfahren dürfen ..." Gedankenverloren zog er die Knie an und blickte ins Nichts.
„Da gebe ich dir vollkommen recht." Es tat mir weh, ihn so zu sehen, aber mehr als Reden konnte ich nicht. Die letzte Entscheidung musste er ganz alleine fällen.
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Blue eyes (Cupcakes 2)
RomantizmSandro & Lu - Stell dir vor, du bist 27 Jahre alt, stehst mit beiden Beinen im Leben, du hast tolle Freunde, einen tollen Job, deinen Spaß, die Frauen stehen Schlange und auf einmal ... Zweifel ... Nein ... anders ... stell dir vor, dein bester Freu...