Sandro - Buon giorno

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„Don Rossini! Wachen Sie bitte auf." Immer wieder schüttelte jemand penetrant an meinem Arm. Was sollte der Mist, mein Wecker war noch längst nicht gegangen. „Irgendjemand läutet Sturm." , quälte mich die fremde Stimme weiter.
Tatsächlich, jetzt fiel auch mir das nervtötende Klingeln der Tür auf. Missgelaunt erhob ich mich aus meinem Bett, den Kerl einfach mal ignorierend und machte mich auf den Weg ins Bad, um mir wenigstens ein Handtuch um die Hüfte zu binden. Nicht viele Personen hatten die Zugangsdaten, um direkt oben an der Wohnungstür zu läuten. Die untere Glocke war in weiser Voraussicht so programmiert, dass sie in den Zeiten, in denen ich für gewöhnlich schlief, auf lautlos gestellt war. Ich ahnte bereits, um wen es sich bei meinem Besuch handelte.
Immer noch etwas angepisst, riss ich die Tür auf und sah in das strahlende Gesicht von Luigi. „Guten Morgen Sonnenschein, die Welt sagt Hallo!", begrüßte mich dieser Verrückte und streckte mir voller Elan einen Kaffee to go entgegen, den ich geflissentlich ignorierte. „Als ich gestern sagte, du sollst vorbeikommen, wenn du Zeit hast, da meinte ich aber nicht solch unchristliche Zeiten!", fuhr ich ihn sauer an. Mir entging, trotz meiner schlechten Laune nicht, dass der Anzug, den er scheinbar extra wegen des heutigen Tages trug, ihm ausgezeichnet stand und dabei seine dunklen Augen hervorragend betonte. Schließlich war ich nur müde und nicht tot. Bevor ich mich weiter an ihm weiden konnte, unterbrach er auch schon meine Gedanken.

„Es ist bereits zehn Uhr! Und ich dachte, du sollst jede Minute mit mir so richtig auskosten können. Schließlich hast du sehr viel Geld bezahlt.", erwiderte dieser gelassen und marschierte einfach so an mir vorbei in die Wohnung.
Seufzend schloss ich die Tür und ging meinem guten, liebenswürdigen, charmanten, liebreizenden, ja genau reizenden, das war das Wort, nach dem ich gesucht hatte, um Lu treffend zu beschreiben, nach. „Hättest du nicht bis Mittag Alex nerven können?", fragte ich hoffnungslos. Die Wahrscheinlichkeit, dass er jetzt noch mal verschwand und mich schlafen ließe, war praktisch nicht vorhanden.
„Seit er sich Donnerstag mit Elias ausgesprochen hat, hängt er wie eine Klette an ihm. Ich hab bereits mit Mike eine Wette am Laufen, wie lange es dauert, bis Elias seine Entscheidung bereut und Alex wieder vor die Tür setzt.", erklärte mir Lu, während er sich aufs Sofa fallen ließ und anfing unbekümmert in einer Zeitschrift zu blättern.
„Ah ... ja ...", stöhnte ich genervt und rollte mit den Augen. „Ihr und euren bescheuerten Wetten!" Von solch hirnrissigen Kindereien hielt ich wirklich nichts.
„Mensch Sandro, das ist doch bloß Spaß! Natürlich hoffen wir alle, dass Elias so blind vor Liebe ist, dass im gar nicht auffällt, was für einen Wolf im Schafspelz er sich da in sein Bettchen geholt hat."
Grade wollte ich zur Antwort ansetzen, da erklang ein Räuspern hinter uns. Überrascht fuhren wir beide herum und entdeckten zeitgleich den Jungen. Stimmt ja, den hatte ich schon wieder völlig vergessen. Wie hieß er gleich noch mal? Ronald, Richard, Roman?? Irgendwas mit R, da war ich mir ganz sicher, gut sagen war fast, vielleicht aber auch Ludwig?
„Ich verschwinde mal wieder, Herr Rossini.", sagte dieser schüchtern. Lächelte verlegen, winkte mir zu und verschwand Richtung Ausgang. Gut so, es war kein Geheimnis, dass es keiner ein zweites Mal in mein privates ‚Heaven' schaffte. Ich machte niemanden Hoffnung auf mehr, weil es dieses ‚mehr' schlicht und ergreifend nicht gab.
„Nennen dich all deine Lover, Herr Rossini?", verspottete mich sogleich mein lieber Freund, nach dem man die Tür ins Schloss fallen hörte. „Viel interessanter ist natürlich die Frage, ob er auch beim Sex ‚Herr Rossini' gestöhnt hatte. Gib es mir Don Rossini ... schneller Signore Rossini ... machen sie bitte weiter Don Rossini ...", gab Luigi kichernd seine Anekdoten zum Besten.
„Nein, hat er nicht.", antwortete ich trocken, mich erst gar nicht auf dieses Niveau herablassend.
„War der überhaupt schon achtzehn?", wollte der Gute jetzt auch noch wissen. „Wusste gar nicht, dass du auf solch junges Gemüse stehst."
„Ja, er war sogar 21, wenn dich das irgendwie beruhigt.", brummte ich. Die fünf Tausend hätte ich bestimmt besser investieren können, hätte ich geahnt, das mich dafür so ein Tag erwarten würde und er hatte doch grade erst begonnen.
„Wow ...", strapazierte Lu weiter meine Nerven. „Du weißt nicht, wie er heißt, aber sein Alter kannst du problemlos abrufen?"
„Dafür hab ich gutes Personal.", erwiderte ich etwas angepisst, über den Verlauf unseres Gesprächs. Wenn mir so viel Schlaf abging, war ich nur noch ein halber Mensch.

Etwas verzweifelt raufte ich mir die Haare und sah meinen Freund an, der sich darüber sichtlich amüsierte. „Ich bin dann mal ...", verkündete ich ihn einfach ignorierend und machte mich auf den Weg zurück ins Schlafzimmer. Luigi sprang sofort von seinem Platz auf dem Sofa auf und lief mir hinterher. Ihn weiterhin nicht beachtend, kam ich grade am Bad vorbei, riss mir das Handtuch von den Hüften, und warf es durch die offene Tür. Ein nackter Arsch würde ihn schon nicht umbringen. „So, deine erste Amtshandlung. Ab in die Federn, von mir aus darfst du auch Don Rosinni stöhnen." Und ließ mich der Länge nach auf das Bett fallen. Schlaf war einfach zu verlockend. Nur ganz kurz die Augen schließen.
Ich war so in der verlockenden Phantasie, ein bisschen Schlaf nachzuholen, versunken, dass ich jetzt erst bemerkte, dass es totenstill im Zimmer geworden war. Es kam wirklich nicht oft vor, dass man Lu mundtot bekam. Vor allem, nach dem ich ihm so eine tolle Vorlage geboten hatte. Langsam hob ich meinen Kopf und sah mich nach ihm um. Bleich stand er im Türrahmen und starrte mich an. Erstaunt, nein, eher schockiert.
„Was ist los, Lu?", fragte ich leicht beunruhigt nach, immer noch bewegungslos gaffte er mich an. „Das war nur Spaß ...", ergänzte ich sicherheitshalber. Jetzt war ich wirklich verunsichert. Ich konnte mich nicht erinnern, ihn jemals so aus dem Konzept gebracht gesehen zu haben. Und ich hatte doch gar nichts gemacht! Auf einmal blinzelte er und ein Ruck ging durch seinen Körper. Er setzte ein schiefes Grinsen auf und spottete mir im nächsten Augenblick entgegen: „Also in das eingesaute Bett bekommst du mich bestimmt nicht. Geh duschen, Sandro ... und ich reiß alle Fenster auf ... frische Luft hat dieses Zimmer dringend nötig." Schon machte er sich auf den Weg, um die Fenster zu öffnen. Jetzt war ich derjenige, der ihm fassungslos hinterher starrte. Irgendwas war grade passiert, nur was? Ich konnte mir diese absurde Situation einfach nicht erklären. Schwerfällig gab ich trotzdem mein weiches Bett auf und ging, wie mir aufgetragen worden war, zum Duschen.

Als ich meine Morgentoilette beendet hatte, betrat ich vollständig angezogen meine Küche. Lu war gerade dabei Spiegeleier auf zwei Teller zu verteilen. „Du machst mir Frühstück?", fragte ich, über dieses Bild, Lu in Anzug und Schürze am Herd, schmunzelnd und nahm am Tisch platz.
„Si. Wenn ich dich schon nicht ausschlafen hab lassen, muss ich mich doch wenigstens so revanchieren." Grinsend stellte er den Teller vor mir ab und setzte sich dazu.
„Grazie, Lu!", bedankte ich mich und griff nach der Gabel, die bereits auf dem komplett gedeckten Tisch lag. Er hatte sich ja wirklich Mühe gegeben, wenn man bedachte, dass mein Kühlschrank leer war.
„Mist, die Semmeln!" Luigi sprang noch mal auf und holte ein Körbchen mit Gebäck von der Küchenzeile. „Wo hast du denn die hergezaubert?", wollte ich nun doch erstaunt wissen. Dass man bei mir irgendwo noch Eier fand, war das Eine, aber frisches Gebäck hatte ich definitiv nicht. „Bäcker?!", fragte er nach, als gäbe es nur die eine richtige Antwort. „Emm ... so lang war ich doch gar nicht im Bad.", erwiderte ich irritiert.
„Schau mal auf die Uhr ... du kannst Alex wirklich Konkurrenz machen.", erklärte er. Ein Blick auf die Uhr zeigte, dass es mittlerweile nach elf Uhr war und ich somit etwas mehr als eine halbe Stunde gebraucht hatte. Das war nun wirklich nicht lange. Der sollte sich nicht so haben. Kamen schließlich nicht alle, wie aus dem Ei gepellt, jeden morgen aus dem Bett.
„Also, was haben wir heute vor?", wollte Lu neugierig wissen. „Wir haben um 14 Uhr unseren ersten Termin. Wenn wir dort fertig sind, geht's ins Heaven, dort besprechen wir mit dem Team den Ablauf des Abends und dann kann die Party beginnen.", zählte ich unseren groben Tages- bzw. Nachtablauf auf.
„Was für einen Termin?" Wollte mein überaus wissbegieriger Freund auch gleich wissen. „Lass dich doch überraschen!", flötete ich liebreizend. Luigi lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Mit einem perfekten Schmollmund versuchte er mich nun nieder zu starren. „Das mein Herz!", versicherte ich ihm. „Klappt bei mir nicht! Du wirst es schon noch früh genug erfahren!" Lu schenkte mir einen bösen Blick, aß aber artig sein Frühstück weiter. Na, das würde noch ein aufregender Tag werden. Irgendwie war Luigi in letzter Zeit nicht mehr derselbe. Immer so wechselhaft, mürrisch und vor allem empfindlich. So kannte ich ihn gar nicht.

Als wir mit dem Essen fertig waren, durfte er als Wiedergutmachung einen Blick auf die Arbeit meines Steuerberaters werfen. Bei solch Aktivitäten ging ihm immer das Herz auf. Schließlich war Lu Steuerberater mit Leib und Seele und liebte seien Job. Ich hatte vor der Eröffnung sogar mit dem Gedanken gespielt, ihn dafür zu beauftragen, mich aber dennoch dagegen entschieden. Ab und an, hatte ich aber das Gefühl, das er mir das krummnahm. Aber Job war nun mal Job und Freundschaft eben Freundschaft. Es gab Sachen, die sollt man einfach nicht vermischen. Außerdem verbrachten wir sowieso schon genügend Zeit miteinander. Ab und zu war es auch mal gut, eine Pause von ihm zu haben. Das war gewiss nicht böse gemeint, aber hin und wieder tat mir der Abstand gut.

„Wir müssen los.", unterbrach ich seine Sichtung der Unterlagen. Und Lu stöhnte traurig auf, weil er noch nicht alles sichten konnte. Es war bereits nach Eins und wenn ich nicht zu spät zu unserem Termin kommen wollte, sollten wir uns langsam auf den Weg machen. „Und wohin?", fragte er mich nun hoffnungsvoll. „Das wirst du gleich sehen! Geduld!", besänftigte ich ihn, gute Stimmung würde er bei meinem Vorhaben gewiss brauchen.

Und so fuhr ich eine halbe Stunde später auf den Parkplatz eines Fotostudios. „Was wollen wir hier?", wollte mein Freund sogleich etwas panisch wissen. „Ich habe hier einen Termin.", erklärte ich das Offensichtliche.
„Und wofür?", kam es wie aus der Pistole geschossen. „Für ein Fotoshooting?", stellte ich die Aussage eher als Frage, weil mich Lu entsetzt vom Beifahrersitz anstarrte.
„Vergiss es!", donnerte es mir von meinem Nebenmann entgegen.
„Jetzt wart doch erst mal ab, du weißt doch gar nicht, was wir hier genau machen!" Versuchte ich, den aufgebrachten Lu, zu beruhigen. „Und was machen wir hier?", wollte er natürlich sogleich wissen. Irgendwo war diese Frage ja durchaus berechtigt. „Ich habe Fotos für das Heaven beauftragt, wir sehen nur dabei zu. Also ganz ruhig!", besänftigte ich ihn. „Außer du möchtest doch ein Foto von dir machen lassen, dann sag ich natürlich nicht nein!" Fügte ich grinsend hinzu. Ein bisschen ärgern war schon drin! Es war schließlich mein Lu.

„Niemals!"

Blue eyes (Cupcakes 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt