Sandro - das schwarze Loch

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Ja, Lu... was ist mein Problem? Gute Frage...

Ich wusste grade selber nicht so recht, was mit mir los war. Dieses ständige Auf und Ab der Gefühle, setzte mir mehr zu, als mir lieb war. Es machte mich schwach ... es machte mich verletzlich.

DU machst das alles mit mir... aus mir!   

Schweigend sah ich in sein Gesicht, in diese wunderschönen braunen Augen, die ich so liebte, so begehrte, in welchen nun Angst und Wut um die Vorherrschaft kämpften.

Aber ich wollte doch nie wieder schwach sein ... Ich hatte es mir geschworen ... und jetzt kommst du daher und machst alles zunichte ... Kannst du das verstehen, Lu? Kannst du mich verstehen? Ich will dich, aber ich will diese Schwäche nicht! Es war das, was ich all die Jahre wollte. Dich, und zwar immer nur dich! Du allein, nach dem ich mich gesehnt hatte. Jetzt hab ich es und muss einsehen, dass es mir Angst macht ... Wahh ... so schwach ... es kotzt mich an ... Diese Schwäche, die Angst zu versagen, nur um am Ende wieder alleine zu sein. Hörst du? Alles schwebt über mir, wie ein Damoklesschwert. Wartet nur darauf, auf mich nieder zu sausen, mich in Stücke zu reißen, mich in ein kaltes, dunkles Loch zu ziehen...

Doch meine Lippen blieben still. Immer noch sah ich ihm in die Augen, sah fasziniert seinem Kampf zu ... ich wollte gar nicht wissen, was sich in meinem Gesicht spiegelte, aber die Angst gewann, verdrängte seine Wut auf mich. Besorgt musterte er mich eingehend und sorgte dafür, dass ich mich noch schlechter fühlte. „Nein ...", nur ein leicht gehauchtes Wort, was der Wind auffing und davon trug. Mehr von seinen bebenden Lippen abgelesen, als bewusst vernommen. Kaum merklich schüttelte er den Kopf. „Nein ... das tust du nicht ... vergiss es ..." Auf Knien rutschte er näher und fixierte mit seinen Händen mein Gesicht. Ich ließ alles Geschehen, hatte nicht die Kraft mich dagegen aufzulehnen. Sehnte mich nach seinen Berührungen. Nur wenn er mich hielt, war ich sicher ... fiel nicht, konnte dem schwarzen Loch, das unaufhörlich seine Klauen nach mir streckte, entkommen.

Kannst du mich halten, Lu? Oder lässt du mich erneut fallen? Ich will dir glauben, will dir vertrauen ... aber da ist dieses schwarze Ding ... es kriecht langsam und leise aber unaufhörlich ... erreicht meine Gedanken, mein Herz, verpestet es und ich verliere. Dann kommen die Zweifel, so viele Zweifel! Hörst du mich? Und ich falle ... verliere alles ... dich, mich, all meine Hoffnung! Wie gerne würde ich dir das alles sagen ... aber ich kann nicht ...

Seufzend unterbrach ich den Sichtkontakt. „Sandro ..."

Deine Stimme so schwach, so verzweifelt, so, wie ich mich fühle. Ich weiß, du würdest mir alles versichern, aber ich würde dir trotzdem nicht glauben. Nicht, weil ich nicht will, glaube mir, ich will es so sehr, sondern, weil dieses Etwas es nicht zulässt. Ich bin so unsicher ... alles ist unsicher ...

„Hey... schau mich wieder an ... mach nicht zu ... bitte ...", leise Worte, gefolgt von dem Streicheln meiner Wange, drangen in mein Bewusstsein.

Ich hätte glücklich sein sollen, mit dem, was ich hatte. Die Freundschaft zu dir, war wichtig, war wertvoll und ich hatte sie nicht zu schätzen gewusst. Hatte sie für etwas aufs Spiel gesetzt, von dem ich wusste, dass es nie so sein würde, wie ich es mir erträumte. Jetzt hatte ich beides verloren. Dich habe ich verloren, Lu ... Wieso? Wieso nur konnte ich nicht zufrieden sein? Lu ... sag mir doch nur wieso? Ich will dich doch nicht verlieren ...

Verzweifelt schloss ich meine Lieder und sog die Luft ein, sog seinen Geruch ein. Er roch so vertraut, so herb, so nach Sonnenschein. Einfach nur nach Lu. Schmerzlich wurde mir bewusst, dass ich aufgab ... ihn aufgab. Dieses schwarze Loch durfte nicht gewinnen, nicht heute, nicht jetzt. „Wie geht es weiter?", ich riss meine Augen auf und sah in seine, die nun ebenfalls vor Überraschung geweitet waren. „Was? Was meinst du?", panisch scannten seine Augen mein Gesicht, damit ihnen ja keine Regung entging. „Mit uns ... wie geht es da weiter?", meine Stimme noch ganz rau, einen Rest Verzweiflung an sich haftend.

Lu, bitte ... ich brauche nur diesen einen Strohhalm. Irgendwas, an dem ich mich halten kann, an dem ich mich aus diesem beschissenen Loch herausziehen kann. Irgendetwas, wenigstens für diesen Augenblick ...

„Wie meinst du das?", immer fragender sein Blick. Er konnte mir nicht folgen, sah die Angst nicht, die mir im Nacken saß, nicht das schwarze Ding, das erfreut seine Pranken nach mir streckte. „Was ist, wenn wir heimkommen? Wie wird das mit uns weiter gehen?", versuchte ich, meine Frage konkreter zu formulieren. Aber das Chaos, das erneut die Oberhand gewinnen wollte, machte es mir sehr schwer, mich solange zu konzentrieren, um eine vernünftige Aussage zu vermitteln. „Na ... so wie jetzt ...", stammelte Lu. „Nein ... also ... emm ... vielleicht nicht grade so ... emmm ... wie jetzt gerade ...", so viele Silben, keine ausreichende Antwort.

Lu ... es holt mich ... es ist fast da ...

„Stopp!", fuhr ich ihn an. Erschrocken schnappte Lu nach Luft und verschloss den Mund. „Sind wir zu Hause auch zusammen, oder ...?" Konkreter konnte ich die Frage nun wirklich nicht mehr stellen und dieses ‚oder' wollte mir einfach nicht über die Lippen. Aber das musste doch reichen.

Du musst mich doch verstehen ... Bitte! Lu ... versteh mich doch!

„Aber natürlich!" So viel Sicherheit in seiner Stimme tat gut. Ließ das schwarze Loch weichen. Weichen ... nicht verschwinden. Denn es lauerte immer noch ... sah sich noch im Rennen, schärfte die Krallen, um zum tödlichen Sprung anzusetzen. „Vor allen? Sind wir vor allen ein Paar? Oder beginnt ein Versteckspiel?", meine Stimme klang hart und anklagend, was mir wirklich leidtat, aber ich brauchte diese Antworten jetzt und gleich! Ich musste diese Angst vor der Heimkehr, von diesem Ungewissen, zerstören. „Ja, sicher doch ..." Er klang verunsichert, verstand nicht wirklich mein Problem. Langsam kam mir der Verdacht, dass er es wirklich nicht sah. „Du würdest dich damit vor allen outen, alle würden dich als schwul sehen. Deine Kollegen, deine Eltern, Geschwister und Großeltern ..."

Oh Lu ... du ahnst doch gar nicht, was noch alles auf dich zukommt. Die Welt da draußen ist nicht lieb und nett ... es ist nicht alles Wölkchen ... Sie ist eiskalt, hart und gemein. Und überall lauert das Böse ... vor allem da, wo du es am wenigsten vermutest. Liebende Eltern, fangen an zu hassen ... Geschwister zerstören einen und die netten Kollegen und vermeintlichen Freunde, wollen nichts mehr mit einem zu tun haben. Hältst du das aus Lu? Reicht deine Liebe aus? Oder fängst du an, mich zu hassen? Mich ... weil ich dein einfaches, schönes Leben zerstört habe? Es kommt Lu, es kommt wieder näher ... der Zweifel ... die Schwäche ... es will mich ganz ...

„Das ist, was dir Angst macht?" Ungläubig musterte er mein Gesicht. „Das muss es nicht! Die werden das schon verstehen. Du gehörst doch schon fast zur Familie, ich denke nicht, dass es da jetzt groß Probleme geben wird!"

Ohh Lu ... ich war auch mal so naiv ... glaubte an das Gute in den Menschen ... Aber dann kamen sie ... drängten mich in die Ecke ... brachen mich ... so schwach Lu ... ich fühl mich immer noch so schwach ...

„Mag sein, das sie mich mögen, aber bis jetzt war ich auch nur dein guter Freund. Nicht mehr. Glaub mir, für die macht es einen großen Unterschied, wenn ihr Liebling sich auf einmal für Männer bückt."

Blue eyes (Cupcakes 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt