Lu - das Meer

393 53 14
                                    

Das Rauschen der Wellen durchbrach die Stille. Hin und wieder gesellte sich der Schrei einer Möwe hinzu. Ansonsten herrliche Ruhe. Gut für mein aufgewühltes Gemüht. Genau richtig, um seine Gedanken schweifen zu lassen. Endlich mal wirklich nachzudenken. Mit einer unvorstellbaren inneren Ausgeglichenheit sah ich hinaus auf das schöne, blaue Meer. Seit Stunden saß ich hier am Strand, gepackt in eine warme Decke. Ich hatte Glück, für Februar, hatten wir einen milden Tag, selbst die See schaukelte nur ruhig dahin. Ganz sanft, spülte sie die Gischt über den Sand und floss zurück. Es wurde immer kühler, die Sonne verließ mich und die Nacht brach an. Es war mir egal. Ich blieb wo ich war, und sah weiter auf das immer dunkler werdende Meer. Blau, wie seine Augen ...

Das Knirschen von Sand unter Schuhsollen zerstörte die Ruhe. Überrascht und verärgert fuhr ich herum. Ich war alleine hier, in dem Ferienhaus meiner verstorbenen Großmutter, in diesem Ort. Jetzt im Frühjahr wirkte hier alles wie ausgestorben. Die Ferienhäuser in der näheren Umgebung standen leer. Die nächste lebendige Stadt lag einige Kilometer weit weg. So konnte ich mir nicht wirklich vorstellen, welcher Störenfried, hier und jetzt sein Unwesen trieb. Meine Einsamkeit zerrüttete.

Nur Sekunden um der Realität ins Auge zu sehen, besser gesagt in diese wunderschönen blauen Augen, die, wie das Meer, jetzt in der aufkommenden Dämmerung schimmerten. „Sandro ..." viel zu leise, geschluckt von dem Rauschen der Wellen. Er schien es trotzdem gehört zu haben. Ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen, seine völlig ausreichende Antwort für mich. Wie hatte ich mir bloß einreden können, ihn nie wieder zu sehen, ihm aus dem Weg zu gehen? Ein Blick von ihm und alle Vorsätze wurden Lügen gestraft.

Bei mir angekommen, ließ er eine Wodkaflasche vor mir, in den weichen Sand fallen und blickte nachdenklich aufs Meer hinaus. „Weißt du, du könntest jetzt ebenfalls, auf dem Grund irgendeines Gewässers, mit Betonkötzen an den Füßen, liegen. Wenn wir zurück sind, bedank dich bei Marc für seine Gutmütigkeit!" Irritiert sah ich zu ihm hoch. „Wir müssen reden!", überging er meinen fragenden Blick. „Falls du dir also zuerst noch Mut antrinken willst ..." Er untermalte seine Worte mit einem Wink zur Flasche. „Aber Black out am nächsten Morgen ist nicht drin, verstanden?"

Ja, der Seitenhieb war berechtigt und wohl auch verdient! Immer noch von unten herauf, beäugte ich ihn und musste schmunzeln. „Was gibt's da zu grinsen?", fuhr er mich an. Seine Stimmung schien mir gegenüber wohl nicht wirklich wohlwollend zu sein, obwohl er die fast tausend Kilometer auf sich genommen hatte, um zu mir zu kommen.

„Ich musste nur an Alex denken, weil er ja immer felsenfest davon überzeugt ist, dass es dich nicht ohne Anzug gibt und jetzt stehst du hier, nach Stunden Autofahrt, in einem perfekt sitzenden, nicht zerknitterten Dreiteiler."

Sandro verdrehte die Augen und wollte sich gerade in den Sand setzten, bevor mein Ausruf ihn innehielt. „Nicht doch, was wird Armani dazu sagen?"
„Armani wird's schon überleben.", kopfschüttelnd streifte er sich durch die Haare, so das vereinzelte Locken wild vom Kopf abstanden. Er brachte mich ganz durcheinander, allein sein Auftritt sorgte dafür, dass ich nur noch Bullshit redete. Wenn interessierte es schon in diesem Augenblick, was Alex und Armani dachten ...

Es war an der Zeit die Ereignisse zwischen uns zu klären. Also rückte ich, auf meiner Thermo Picknickdecke zur Seite und klopfte auf den freien Platz neben mir. Die war wirklich jeden Cent wert gewesen, sonst würd ich meinen Arsch wohl nicht mehr spüren. Sandro zögerte kurz, bevor er sich doch niederließ. Wir saßen schon recht eng beieinander, nicht viel und unsere Schultern würden sich berühren. Ich wickelte die Decke, die ich mehrmals um mich geschlungen hatte, wieder aus und hielt ihm eine Hälfte davon hin, damit auch er sich drunter kuscheln konnte. Nur im Anzug wäre er wohl bald durchgefroren. „Übrigens wenn wir schon bei Alex sind, melde dich bei ihm und sag Bescheid das du hier bist.", unterbrach er unser Schweigen, während er sich in die angebotene Decke hüllte. „Nicht nötig, der weiß das ich hier bin. Ich habe ihm einen Zettel hinterlassen, außerdem hat er mich bereits mit Nachrichten und Anrufen bombardiert, da hatte ich die österreichische Grenze noch nicht mal annähernd passiert.", überrascht blickte er mich von der Seite an, öffnete den Mund, nur um ihn verärgert wieder zuschließen.
„Dieses Arschloch!", zischte er plötzlich. „Der hat mich heute Morgen, noch vor sieben Uhr aus dem Bett geworfen, um dich bei mir zu suchen! Und mir dann den vor Sorge übergehenden Freund vorgespielt! Ich hatte sogar Mitleid mit ihm!", wütend presste er seine Lippen aufeinander. Ich wollte grade zu einer Antwort ansetzten, da ging es in die zweite Runde. „Weißt du, hätte ich damals einfach nur aufs Maul bekommen, anstatt von euch gerettet worden zu sein, wäre ich sichtlich besser davon gekommen!"
Entsetzt rückte ich von ihm ab und starrte in sein Gesicht. „Du ... du ...", er würde doch jetzt nicht wirklich diese Schläger uns vorziehen und es wirklich so sehr bereuen, mich kennengelernt zu haben. „Aber nein ..." wieder dieses liebevolle, leichte Lächeln. „Ich bereue es nicht, dich zu kennen." Erleichterung breitete sich wie ein Lauffeuer in mir aus. „Wobei es schon Situationen gab ...", setzte er hinzu, führte aber keine Beispiele an. Brauchte er auch nicht, ich wusste auch so, wovon er sprach. „Es tut mir wirklich leid!", ich umschloss meine Knie und zog sie fester an meinen Körper heran. „Und was genau?", beobachtete er mich fragend von der Seite. „Einfach alles ...", seufzend platzierte ich meine Wange auf meinen Knien und sah zu Sandro. Schweigend blickten wir uns in die Augen. Wieder diese Ruhe, nur wir, die Nacht und das Meer. Alles schien gleichzeitig einfach und so schwer zu sein. „Erklärst du mir, warum du das alles getan hast? Warum ausgerechnet jetzt?", brach seine Stimme das Schweigen. Seine Augen huschten über mein Gesicht, als versuchten sie bereits alle Wahrheiten daraus zu lesen.

Blue eyes (Cupcakes 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt