Lu - über uns die Sterne

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Endlich waren wir angekommen. Müde lief ich die paar Meter im Sand ans Wasser und streckte dabei meine Arme in die Höhe, um endlich sämtliche Verspannungen zu lösen. Es war einfach nur traumhaft hier zu sein, und ich freute mich auf jede weitere Stunde der Zweisamkeit, die wir uns heute für uns nahmen.

Frisch wehte der Wind von der See, ließ die Wellen tanzen und die Gischt schäumen. Weit über dem Wasser bildeten sich die ersten dunklen Wolken und kündeten ein Gewitter an. Nicht mehr lange und über dem Meer würde sich ein Schauspiel ereignen, welches mich immer wieder auf Neue verzauberte.

„Lu", rief er meinen Namen und nach einem weiteren Blick hinaus, auf diese wunderschöne Naturgewalt, wandte ich mich nach ihm um. „Kommst du?" Schwer damit beschäftigt, die Pizza aus dem Karton auf die Teller zu verteilen und den Wein einzuschenken, die wir Heim zu besorgt hatten, sah er nicht einmal auf.

Ich blieb still, beobachtete aus der Ferne seine Gestalt, die tüchtig am Werk war. Die letzten Sonnenstrahlen waren gerade dabei zu verblasen, streiften ihn, streichelten sanft über sein Haar. Ließen ihn im letzten Licht der Sonne erstrahlen, weich und in voller Schönheit. Noch nie zuvor hatte ich mir die Zeit genommen, ihn so intensive zu betrachten. Jedes Detail in mich aufzusagen, im vollen Bewusstsein, das er mein Mann war, meine Zukunft, mein Leben. Fasziniert sah ich ihm dabei zu, wie er ein Stück der Pizza auf einen Teller vor ihm hievte und dabei verzweifelt versuchte, den Käse, der sich in ewig langen Fäden zog, auf der Pizza zu behalten. Dabei biss er sich auf die Lippe und zog seine Stirn konzentriert in Falten.

Ich hätte einfach zurückgehen können, ihm helfen können. Genoss diesen Augenblick aber viel zu sehr, um meinen Beobachtungsposten aufzugeben.

Als er den Kampf mit der Pizza letztendlich gewonnen hatte, schien er meinen Blick zu spüren. Fragend sah er auf, stemmte seine Arme in die Hüften, nur um mir gleich drauf einen skeptischen Blick zuzuwerfen. „Wird's bald? Oder braucht der Herr eine Extraeinladung?" „Kommt drauf an, wie die aussieht!", konnte ich mir nicht verkneifen und wackelte grinsend mit den Augenbrauen. Kurz schien er zu überlegen, bevor er nach einem Glas Wein griff und es in seiner Hand schwenkte. „Dann muss ich wohl den hier ganz alleine trinken." Führte sein Glas an die Lippen und nippte daran. Wieder umspielte ihn das sterbende Licht, ließ ihn leuchten und wie einen Engel erscheinen. Ob dieser Engel tatsächlich dem Himmel entsprungen war, war schwer zu bezweifeln. Vor allem jetzt, da er sich sehr langsam und aufreizend über die Lippe leckte, um den letzte Tropfe Wein daran zu schmecken. Mich dabei natürlich keine Sekunde aus den Augen lassend. „Und er ist ja so gut ..." teuflisch zuckten seine Grübchen. Ja, die Fantasie mit dem Engel konnte ich mir getrost sonst wohin stecken. Vor mir stand ein waschechter Teufel.

Wie eine Motte vom Licht, wurde auch ich von ihm angezogen und schritt langsam, wie in Trance, auf ihn zu. Geblendet von ihm, auch wenn die Sonne sich für den heutigen Tag endgültig verabschiedet hatte und er inmitten des Dämmerlichts stand. „Was hast du?" Besorgt kam er mir einen Schritt entgegen und fuhr mir sanft, mit seinen langen Findern in den Nacken. Streichelte immer wieder meinen Haaransatz, wobei sein Augenmerkmal sorgenvoll auf meinem Gesicht lag, keine meiner Regungen unbeobachtet ließ. „Du bist wunderschön ...", entkam es mir ehrfürchtig, nachdem ich einen Augenblick gebraucht hatte, bis der Sinn seiner Worte zu mir durchdrang. Wie von selbst nährte sich meine Hand seinem Gesicht und strich ihm eine verirrte Locke aus den Augen. „So ... wunderschön ...", wiederholte ich mehr zu mir selbst, als wirklich an ihn gewandt.

Kurz schien er verwirrt zu sein, wusste mit meinen Worten nichts anzufangen, bevor sich ein Lächeln auf seine Lippen stahl. „Du bist aber auch nicht grade von schlechten Eltern!" Beugte sich vor und hauchte mir einen Kuss auf die Nasenspitze. Nun war ich derjenige, der verwirrt blinzelte, rausgerissen aus einem tranceartigen Zustand, zurückgekehrt in die Wirklichkeit. „Essen wird kalt." Wieder waren da diese Grübchen, die sein ganzes Auftreten nur noch sympathischer machten. Sanft löste sich seine Hand aus meinem Nacken und sein Daumen streifte dabei kurz, liebevoll meine Wange, bevor sie ganz verschwand und eine Kälte hinterließ, die mich schaudern ließ. Gemeinsam, Hand in Hand, stiegen wir die drei Stufen der Veranda hinauf und setzten uns an den gedeckten Tisch.

Die Pizza war zu kalt und der Wein zu warm und doch konnte ich mir gerade keinen schöneren Augenblick vorstellen, als hier, ganz alleine mit ihm zu sein. Nur wir beide und über uns die Sterne.

Blue eyes (Cupcakes 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt