Lu - Wut

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Wütend betrat ich mein Haus und schlug die Tür hinter mir zu. Ich war so wütend ... am liebsten hätte ich auf irgendetwas eingedroschen. Was bildete sich dieser Kerl ein? Zuerst schleppte er mich zu diesem beschissenen Fotografen und dann sollte ich der Blöde sein, wenn ich meine ehrliche Meinung zum Besten gab? Schnaubend, trat ich die Schuhe von meinen Füßen und warf den Mantel an den Hacken. Natürlich blieb dieser nicht hängen, sondern rutsche zu Boden. Was den sonst? Heute hatte sich wohl jeder gegen mich verschworen. „Du mich auch!", schnauzte ich dem Stoffstück zu, und streckte ihm den Mittelfinger entgegen. Marschierte erhobenen Hauptes an dem Mantel vorbei und ließ ihn am Boden liegen. Das hatte er nun davon, jetzt konnte er meinetwegen, da unten verrotte!

Ziellos lief ich durch mein Haus, immer noch wütend und ruhelos. In der Küche holte ich mir ein Bier und setzte mich aufs Sofa. Griff nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher an. Da kam nur Mist, also schaltete ich weiter, wieder nur Blödsinn. Nach einem tiefen Schluck aus der Flasche schaltete ich die Flimmerkiste aus und schmiss die Fernbedienung ins Eck. Ich sollte die Klappe halten ... ging's noch? Ich sprang wieder vom Sofa auf und knallte die Bierflasche auf den Wohnzimmertisch. Diese Stille im Raum machte mich ganz kirre. In wenigen Schritten war die Anlage erreicht und ich schaltete sie kurzerhand an. Nur ein Rauschen. Verdammt auch ... keine CD darin. Ich ging zu meinem Regal und sah die CDs durch. Welcher Soundtrack würde gerade wohl am besten zu meinem verkorksten Tag passen? Langsam ging ich die Rücken durch und ließ die Titel auf mich wirken. Bei Mansons „The Golden Age of Grotesque" blieb mein Finger hängen. Ein Lächeln schlich sich auf meine Mundwinkel. Kurzerhand war die CD in die Anlage geschoben und die ersten Klänge von „This ist the new shit" schalten mir entgegen. Ich drehte die Anlage bis zum Anschlag auf und ließ mich wieder auf das Sofa fallen, schloss die Augen und genoss das Dröhnen des Basses und die dunkle Stimme von Manson. Grinsend öffnete ich wieder die Augen, um im nächsten Augenblick aus voller Leibeskraft mitzugrölen. Nach dem ich mir sechsmal die Seele aus dem Leib geschrien hatte, ging es mir etwas besser. Ich stellte die Musik leiser und griff nach dem Telefon. „Geh ran, geh ran, geh ran ...", unterhielt ich mich ungeduldig mit dem Freizeichen. „Ist ja gut, bin dran.", erklang die Stimme, nach der ich mich gerade gesehnt hatte. „Er hat gesagt, ich soll die Klappe halten! Kannst du dir das vorstellen?"
„Grundsätzlich ja, aber um wen genau handelt es sich den?", wollte Alex, wie immer kein Blatt vor den Mund nehmend, wissen. „Sandro ...", presste ich zwischen den Zähnen hervor, den Seitenhieb einfach mal ignorierend. „Ärger im Paradies? Hattet ihr heute nicht euer Date?", wollte er wissen.
„Alex ...", fauchte ich durchs Telefon, meine Wutkurve stieg bereits wieder an und dieses Mal würde bestimmt auch kein Manson mehr helfen.
„Schon gut. Was ist passiert?", fragte er dieses mal ganz ernst nach. Kurz schilderte ich ihm den heutigen Tagesablauf und dessen unerfreuliches Ende. „Und was genau hat dich so ausflippen lassen?", wollte Alex wirklich ernsthaft wissen. Die Ader an meiner Schläfe begann wieder zu pochen. „Hast du mir nicht zugehört? Ich hatte keine Lust darauf!"
„Und er hat dich nicht gezwungen!", erwiderte er leichthin.
„Alex ... ich ruf gleich Mike an ...", fuhr ich ihn wütend an.
„Der wird dir auch nichts anderes sagen. Ich versuch dich doch, nur zu verstehen. Es war das eine Foto, was du gemacht hast und es hat dir nicht zugesagt. Aber jetzt ist es doch vorbei und gut ist, oder? Wieso regst du dich noch so auf? Sandro wird dich bestimmt nie wieder mitnehmen, oder dich darum bitten. Wo liegt also das Problem?" Ja ... wo lag nun das Problem? Rein theoretisch klangen seine Worte sehr vernünftig und logisch und ich hatte eigentlich keinen Grund mehr mich so aufzuregen. Rein praktisch tobte immer noch diese unerklärliche Wut in mir.
„Luigi ...?", fragte Alex nach einer Weile der Stille nach.
„Ich denke nach!", schnauzte ich in den Hörer. Alex war die letzten Wochen immer so überaus nett zu mir, da konnte er ein bisschen Retourkutsche durchaus vertragen. „Okay ...", kam es gedehnt von Alex. „Soll ich vorbeikommen?", wollte er kurz darauf wissen, weil ich immer noch schwieg. „Lass gut sein. Ich geh einfach ins Bett.", schlug ich zeitverzögert sein Angebot aus.
„Mein Schatz, es ist erst neunzehn Uhr! Du kannst auch gern im Café vorbei kommen.", schlug mir Alex noch mal vor. „Ist ja gut, Alex ... Danke, aber nein Danke. Es geht schon wieder. Ich lass es einfach ruhig angehen.", versicherte ich ihm.
„Wenn was ist, du kannst dich jeder Zeit melden!", kam es mitleidig von meinem Freund. Ja genau, das konnte ich jetzt so gut gebrauche. Sein Mitleid konnte er sich sonst wohin schieben. „Jetzt hör aber auf, ich bin nur sauer und nicht sterbenskrank. Wir hören uns." Und ohne eine Antwort abzuwarten, drückte ich den roten Knopf und pfefferte das Telefon auf den Sessel gegenüber. Das hatte ich mir von dem Telefonat mit Alex nicht erhofft. Eine Schimpftirade auf Sandro hätte ich jetzt gebraucht und keine Analyse, ob mein Verhalten gerechtfertigt war. Seine Vernarrtheit in Elias hatte ihn eindeutig verweichlicht.

Diese innere Unruhe ließ einfach nicht locker, so sprang ich wieder vom Sofa, fackelte nicht lange rum, holte meine Lederjacke und die Schlüssel zu meiner schwarzen Ninja und schwang mich kurze Zeit später auf mein Bike. Eine Spritztour auf der Autobahn würde jetzt genau das Richtige sein. Einfach nur das Gas durchdrücken und die Geschwindigkeit auf sich wirken lassen. Die paar Kilometer bis zur Autobahn waren schnell bewältigt und dann hatte ich endlich freie Fahrt. Die Landschaft flog nur noch an mir vorbei, es gab kein Ziel, es mussten keine Entscheidungen gefällt werden. Nur der Weg nach vorne. Hauptsache kein Stillstand. Ein Gefühl von Freiheit schoss mir durch die Adern. Endlich fühlte ich so etwas, wie Ruhe in mir aufsteigen. Hier war ich frei! Hier konnte ich alles hinter mir lassen. Nur leider hielt man bei dieser Kälte, diese schnelle Geschwindigkeit nicht lange aus, vor allem nicht, wenn man sich nur Lederjacke und Handschuhe geschnappt hatte. So blieb mir nichts anderes übrig, als durchgefroren den Weg nach Hause einzuschlagen. Aber es hatte sich eindeutig gelohnt, ich war wieder ruhig. Noch mal ließ ich mir unseren Streit durch den Kopf gehen, während ich meine Kawa wieder in der Garage verstaute. „Mist auch!", entkam es mir und ich schlug mit der Faust gegen die Haustür. Ich hatte wirklich über reagiert. Es hatte tatsächlich keinen Grund gegeben, so auszuticken. Ich hatte keine Ahnung, was da in mich gefahren war. Was mich so rot sehen hat lassen. Morgen würde ich als Erstes zu Sandro fahren und mich entschuldigen, das war das Mindeste, was ich tun konnte. Immer noch über mich selbst den Kopf schütteln, betrat ich mein Haus und ging erst einmal heiß duschen.

Blue eyes (Cupcakes 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt