Sandro - Versuch und Irrtum

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Das heiße Wasser prasselte auf mich herab und wärmte meine steifen Glieder. Die ersten Tropfen fuhren wie Nadelstiche in meine Haut und ließen mich innerlich aufstöhnen. Der Schmerz war verflucht und willkommen zugleich.

So wie mein Körper, war auch mein Geist zwiespaltig. Was war nur los mit mir? Niedergeschlagen senkte ich meinen Kopf an die kalten Steinfliesen und atmete den warmen Dampf des Wassers ein. Lu musste mich doch sicher für total bescheuert halten ... halb nackig im Freien und völlig weggetreten auf der Veranda rum zu lümmeln. Von mir selbst mal wieder angepisst, stellte ich das Wasser ab und angelte nach dem Handtuch.

Vielleicht war das Ganze auch einfach nur eine bescheuerte Idee gewesen. Freunde war doch auch was, hatte sich schließlich die letzten 15 Jahre bewährt. Ich hätte einfach nicht hier her kommen sollen, dann hätte es nicht diese Situation gegeben, der ich mich jetzt erst recht nicht stellen müsste.

Mich mittlerweile ganz abgetrocknet, trat ich vor den kleinen Spiegel und sah hinein. Mein Gesicht wirkte in letzter Zeit immer häufiger blass, ich sollte eindeutig öfters in die Sonne und an die frische Luft.
Ein Gedanke schoss mir durch den Kopf. So verlocken, dass ich ernsthaft überlegte, ihn in die Tat umzusetzen. Aber dazu sollte ich wohl erst mal Lus Meinung einholen, bevor ich hier eigenständig etwas über seinen Kopf entschied.

Mit einem Handtuch um die Hüften tapste ich ins Schlafzimmer, um mir etwas mehr als die Pyjamahose anzuziehen, wobei ich außer meinem Armani von gestern, nichts weiter bei mir hatte. Selbst die Schlafanzugshose hatte mir Lu liehen müssen. Aber diese ganze Aktion bestand schließlich ausschließlich aus einer Kurzschlusshandlung. Und im Augenblick konnte ich mich wirklich nicht entscheiden, ob ich tatsächlich den richtigen Weg eingeschlagen hatte.

„Na du ...", ertönte hinter mir seine Stimme und ich fuhr überrascht herum. „Alles klar bei dir?" Er lehnte sich in den Türrahmen und musterte mich, mit verschränkten Armen, eingehend. „Klar ..." Ich versuchte ihm zu zulächeln und wirkte wohl wie ein verschrecktes Reh, denn seine Augenbraue schoss kommentarlos in die Höhe, bevor er sich vom Rahmen stieß und langsam auf mich zuging. „Hey ...", seine Stimme nicht mehr als ein Flüstern, als er nach einer nassen Haarlocke griff und sie zur Seite strich. „Ich habe Frühstück gemacht." Seine Mundwinkel hoben sich und ein liebevolles Lächeln zierte sein Gesicht. „Hoffe, du hast Hunger ...", seine Fingerspitzen streiften meine Stirn, um anschließend über meine Wange zu fahren und diese sanft zu streicheln. Seine großen, braunen Augen strahlten so viel Zuneigung aus, dass es mir kalt den Rücken runter rieselte. Wenn er mich so ansah, dieser Blick, dieses Gefühl, das er in mir verursachte, dann war alles klar. Es gab nichts zu bereuen. Ich wusste haargenau, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte. Und doch war mein Innerstes in Aufruhr, sträubte sich, bäumte sich auf und schimpfte mich einen Narren, der sich zu leichtgläubig auf etwas einließ, das kein gutes Ende nehmen würde.

Ein fürchterlicher Gedanke. Gänsehaut kroch meinen Rücken hinab und nahm auch meine Arme und Beine in Beschlag. Am liebsten hätte ich Lu an mich gerissen und ihn nie mehr losgelassen. „Hey ... dir ist ja schon wieder ganz kalt!", erneut riss mich seine Stimme aus meinen Gedanken. Wieso konnte ich nicht wie jeder normale Mensch einfach nur glücklich darüber sein, dass meine Gefühle von dem Mann, den ich so sehr liebte, erwidert wurden? Nein, ich musste da jetzt ein Drama daraus machen!

Ich schloss für einen kurzen Moment die Augen, unterdrückte das Seufzen, das sich meine Kehle hinauf bahnte, so gut es ging, und öffnete sie wieder, nur um noch einen dunklen Schatten über sein Gesicht huschen zu sehen, bevor er mich wieder anlächelte. „Soll ich dir was leihen? Meinen Armani hab ich aber nicht dabei ..." Versuchte er eine lockere Stimmung aufkommen zu lassen, was ihm jeder Andere wohl anstandslos geglaubt hätte, aber ich nicht, ich hörte das leichte Zittern in seiner Stimme, die von seiner Unsicherheit zeugte.

Irgendwo waren wir doch beide irrsinnig. Versuchten uns hier gegenseitig vorzumachen, dass alles in Ordnung war, und ignorierten einfach die Tatsache, jede Gefühlsregung des anderen so gut zu kennen, dass allein der Versuch witzlos war. „In deinen Armani würde ich wohl nicht passen ..." Schelmisch grinsend sah ich auf ihn herab. Ach scheiß doch die Wand an, wir waren jetzt nun mal hier und das wollte ich jede verdammte Minute genießen. Also griff ich kurzerhand in seinen Nacken und zog ihn zu einem Kuss heran. Für Zweifel und ernste Gespräche war später noch Zeit genug.

Blue eyes (Cupcakes 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt