Kapitel 15

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Sicht Mike:

Ich runzle die Stirn und lausche auf. Sie hört sich ernst an. Also muss es Emily betreffen. Kurz gucke ich zu ihr rüber und schaue zu, wie sie und ihre Mom ein Puzzle zusammensetzen, das ein Kätzchen auf einer Picknickdecke darstellen soll. Emily ist so süß, wenn sie so lacht und sich amüsiert. Sie ist so eine kindliche, liebe Unschuld. Und es wäre schön, wenn sie ein perfektes Leben hat.

"Was genau ist es, Stacy?", frage ich sie leise, damit Julie nichts wahrnimmt.

"Es geht um Emily. Und um Leif." Und genau das habe ich befürchtet. "Er muss es erfahren. Er muss erfahren, dass er eine kleine Schwester hat. Und sie muss es auch erfahren."

Leise atme ich ein und aus. Ich weiß, dass es an der Zeit ist, mit Julie darüber zu reden und Emily zu sagen, dass sie einen großen Bruder hat, der sogar fast so alt ist wie ich. Aber mich beschleicht die leise Angst, dass sie es uns beide übel nehmen wird und weint. Ich habe das noch nie sehen können, wenn sie das tut. Jedes mal, wenn ich sehe, dass sie traurig ist, zieht es mir unangenehm und schmerzvoll in meiner Brust. Ich möchte meiden, dass sie verletzt wird, aber manchmal muss man halt tun, was man tun muss.

"Ich weiß, Stacy."

Nochmal gucke ich zu Julie und Emily und sehe, dass Julie aufgeschaut hat. Ihre Stirn runzelt sich. Sie ahnt, wer das am Handy ist und warum ich so rede. Ich nicke, sie versteht sofort und redet mit Emily. Diese steht auf und eilt aus der Küche. Sicher holt sie ihre Elsa Puppe.

"Wir werden darüber reden."

"Gut. Und es wäre gut, wenn ich mich mal kurz mit ihm treffe."

"Ich denke, es sollen alle wissen", sage ich und schaue wieder zu meiner Schwester, die nach anfänglichem Zögern dann doch nickt.

"Gut", höre ich sie leise sprechen wünscht mir noch einen schönen Abend.

Den wünsche ich ihr auch und wir legen auf. Leise atme ich durch die Nase ein und durch den Mund wieder aus, bevor ich mich ganz zu Julie umdrehe. Heute trägt sie dem Wetter passend einen dunkelgrünen Pulloverkleid und Strumpfhose und ihre Füße tragen dazu kuscheligen Hauspantoffeln. Ihr langes Haar trägt sie offen. Auch wenn sie glatt sind, fallen sie ihr durch das viele Zausen in leichte Wellen. 

"Julie-"

"Ich weiß", unterbricht sie mich und sieht mich verstehend an. "Sie muss es erfahren."

"Doch du hast Angst, wie sie reagieren wird." Eine Tatsache, keine Frage.

"Ja." Unsicher guckt sie runter auf ihre Zehenspitzen, die in den Pantoffeln nicht zu sehen sind. 

"Es wird schon", versuche ich sie aufzumuntern.

"Was macht dich so sicher?", fragt sie und blickt wieder auf. 

"Wir kennen Emily, sie wird es bestimmt schön finden, wenn sie weiß, dass sie einen großen Bruder."

"Einen Bruder?" Oh oh!

Wir drehen uns erschrocken um und sehen Emily, wie sie wie erstarrt und sprachlos vor uns steht, mit der Elsa Puppe in der Hand, und uns mit große Augen ansieht. 

***

Der erste Schock, den Emily überfallen hat, überwindet sie ganz gut. Erstaunlich gut für ein Mädchen ihren Alters. Als sie vernommen hat, dass sie einen älteren Bruder hat, war sie so erschrocken gewesen, dass sie fast ihre Puppe hat fallen lassen. Aber sie fing sich wieder und hat gefragt, ob das wirklich stimmt, dass sie einen Bruder hat.

Als sie uns das gefragt hat, haben Julie und ich uns nur angesehen und uns drei zusammen am Tisch gesetzt, wo wir Emily alles gesagt haben. Was es mit Leif auf sich hat, wer er ist und dass er ein guter Freund von Stacy ist, die sie vor einigen Tagen kennengelernt hat. Emily hört still zu und nickt hier und dort verstehend. Sie ist ziemlich klug und gelassen für ein junges Mädchen. Es ist erstaunlich, wie meine kleine Nichte das alles aufnimmt. 

Desire in the FallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt