Kapitel 11

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Sicht Mike:

Es kommt mir so vor, als würde ich eine halbe Ewigkeit warten. Es dauert und dauert, bis ich endlich leise Schritte höre, die eindeutig zu Stacy gehören. Sie öffnet die Tür und starrt mich erschrocken an, als sie mich sieht. Sogar ich kann nicht anders als sie anzustarren. Ihr offenes braunes Haar bedeckt ihre schmalen, nackten Schultern, die aus dem schulterfreien, grauen Kleid hervorlugen, dass so kurz ist, dass sie sich nur einmal zu bücken braucht, damit ich erkennen kann, welche Farbe ihr Höschen hat. Die langen Ärmeln gehen ihr bis zu die Handgelenke und das komplette Kleid besteht aus weich aussehende Wolle. Es liegt so eng an ihr, dass ich jede einzelne Kurve erspähen kann, der sich mir offenbart. Sie hat schon immer attraktiv und heiß ausgesehen, aber in dieses Stückchen Stofffetzen, da sieht sie so verführerisch, verrucht und doch so unschuldig aus in ihrer Haltung, die sie annimmt, als die Überraschung aus ihren Augen wieder verschwindet und stattdessen Platz macht für leicht aufkeimende Wut. Die Wut in ihren leuchtend grünen Augen und das kurze Kleid, dass sich wirklich sehr eng um ihren Körper schmiegt. Himmel, nochmal, sie bringt mich um den Verstand.

"Was willst du hier?", bringt sie mit stumpfer Stimmer hervor, der mir eindeutig ihre Gleichgültigkeit zeigt. Aber auch, dass sie es nicht schön findet, mich hier zu sehen.

"Du hast dich nicht zurückgemeldet und keine meiner Nachrichten beantwortet geschweige denn gelesen."

"Ich habe dir auch gesagt, dass du dich nicht mehr bei mir melden sollst", erinnert sie mich daran und verschränkt die Arme. "Nun sag, was willst du wirklich?"

So wie sie mit mir redet, tut weh. Erneut spüre ich diesen unangenehmen Knoten im Magen. "Ich wollte dich wiedersehen. Und mit dir reden."

Ihre zart gezupften Augenbrauen ziehen sich zu einer schmalen Linie zusammen. "Über was sollen wir bitte schön nochmal reden? Du hast deine Geheimnisse, und ich meine. Also fertig, kannst du jetzt bitte gehen." Sie will die Tür zumachen.

Doch ich stelle ein Fuß dazwischen und hindere daran, dass sie zugeht und Stacy mich anhört. Sie schaut mich entgeistert an. "Stacy, bitte, lass uns reden. Bitte. Dann bin ich auch weg, wenn du es noch weiterhin wünschst."

Auch wenn es wehtut, dass sie nach dem Gespräch nicht mehr mit mir befreundet sein will, ich würde sie trotzdem in Ruhe lassen, wenn sie es noch wünscht.

Leise seufzt sie und öffnet die Tür weiter, damit ich eintreten kann. "Danke."

Sie schließt die Tür hinter mich und tritt wieder vor mir, wieder mit verschränkten Armen. "So, nun sprich." Und erneut dieser Gesichtsausdruck von vorhin. 

Ich stecke meine Hände in die Jackentaschen meiner schwarzen Jacke. Tief atme ich durch, bevor ich zu sprechen beginne. "Stacy, ich weiß, ich habe Mist gebaut, wirklich großen Mist. Und mir tut es leid, dass ich dir nicht genügend vertraut habe, um dir die Wahrheit zu sagen. Über Julie und Emily. Aber ...", ich suche die richtigen Worte, "... aber, Julie hat sich so geschämt. Sie hat nicht so enden wollen. Seit Jahren wurde sie nicht mehr an den Vorfall vor vielen Jahren erinnert, erst wieder, als Leifs Vater Dana belästigte und ich sie vor Schlimmeren gerettet habe. Und dann, beim Prozess, als Julie ihn wiedererkannt hat, dass Er der Mann ist, der sie vergewaltigt hat, da hat sie wieder die Angst ergriffen und da haben wir einfach ... beschlossen, dass ihr das nicht erfährt. Aber wir haben, seitdem du nicht mehr mit mir redest, darüber gesprochen und ihr ist nun klar, dass das so nicht mehr weitergehen kann."

Sie spricht nicht, reagiert nicht, ihre Miene bleibt regungslos und ihre Arme weiterhin verschränkt. Doch sie blinzelt mehrmals und schaut leicht nach unten, so als überlegt sie, was sie sagen soll oder ob sie das Gesagte glauben soll. Dann blickt sie wieder auf. "Warum habt ihr uns das nicht schon früher gesagt?", will sie leise wissen.

Desire in the FallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt