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„Isabel! Ich habe dir schon hundert Mal gesagt, dass du deinen Saustall aufräumen sollst! Die Abmachung war, dass du dich an die Putzregeln hältst, wenn wir schon zu dritt eine Wohngemeinschaft führen!"

„Sorry, Bruder! Ich verspreche dir, ich mache das gleich alles sauber! Birdie ist nur weggeflogen und ich wollte ihn einfangen, da habe ich aus Versehen die ganzen Körner umgestoßen."

„Und ich sagte ebenfalls, dass das hier kein Zoo ist! Lass diesen beknackten Vogel endlich frei."

„Was? Aber draußen wird er sterben!"

„Tch. Das arme Wesen wird eher sterben, wenn er weiterhin deine Anwesenheit ertragen muss. Vögel haben Flügel, damit sie in der Freiheit fliegen können. Lass ihn raus."

„Aber...aber Levi Bruder!"

Diese ewige Diskussion. Und das um sieben Uhr morgens. In einer Stunde beginnt meine Schicht und ich habe eigentlich meinen Plan in die Tat umsetzen wollen, meinen Tee in Ruhe zu trinken und dabei ein wenig in die Zeitung zu schauen. Ja. Im Gegensatz zu 95% der Erdbevölkerung, die damit Zugange ist, stets in ihre Handys zu glotzen, lese ich lieber die Zeitung. Oder Bücher. Man sagt nicht umsonst, wer zu lesen versteht, besitzt den Schlüssel zu großen Taten, zu unerträumten Möglichkeiten.

Bücher beflügeln unsere Fantasie. Sie unterhalten uns und wir lernen durch sie.
Was sich aber mit Tumult im Hintergrund nicht gerade vereinbaren lässt.
Isabel ist schon immer ein sehr gutmütiger Mensch gewesen. Manchmal aber, scheint sie mir zu gutmütig. Natürlich ist das eine gute Eigenschaft, jedoch strapaziert diese oft auch meine Nerven.

„Aaaaah! Bleib hier, Birdie! Warte! Nicht! Aaaah, verdammt!" Auf einmal sehe ich nur noch, wie Isabel ihrem Vogel, der leider nicht aus ihrem Kopf stammt, hinterher rennt, über den Putzeimer fliegt, der mitten im Gang in unserer Wohnküche steht und sich auf den Boden knallt. Der Vogel? Nun, der ist nun weg.

„Birdie! Nein!", flucht sie traurig.

„Na Gott sei Dank. Das arme Tier hat endlich seinen Frieden gefunden", sage ich nur monoton und trinke einen Schluck von meinem Schwarztee. Isabel entgegnet mir einen Blick, der vor lauter Enttäuschung, Frust und Ärgernis kaum zu übersehen ist.

„Das ist nicht fair von dir! Ich habe ihn großgezogen, wie mein eigenes Kind! Ich habe ihn geliebt und nun ist er weg!"

„Schön. Es bringt dir aber nichts, Dingen hinterher zu trauern, die aus deinem Leben verschwunden sind und wahrscheinlich nicht mehr zurückkommen. Räum' bitte auf."

Mit einem Murren und einem zerknautschtem Gesicht, steht Isabel wieder auf und schnappt sich den Putzeimer, über den sie gerade gefallen ist. Kleine Chaotin. Sie muss noch einiges lernen. Monoton schüttele ich sanft mit meinem Kopf, ohne den Blick von meiner Zeitung zu nehmen.
Mein Blick schweift von Beitrag zu Beitrag, bis er dann an einer bestimmten Stelle hängen bleibt.

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Hm. Liz hat also auch schon Werbung in der Zeitung geschaltet. Normaler Weise ist sie eher in der Social Media Fraktion hängen geblieben. Dass sie nun auch in der Zeitung wirbt, zeigt, wie sehr ihr das Restaurant am Herzen liegt und sie es der ganzen Welt präsentieren möchte. Ich schaue nun auf die Uhr. Zwanzig nach sieben. Ich werde nun losgehen.
Ich erhebe mich aus meinem Stuhl, ziehe meine Jacke an, lege meinen Schal um den Hals und schlüpfe in meine Schuhe. Kurz erhasche ich noch einen Blick in Isabels' Zimmer, wo ich sie am Boden knieend, Körner und anderen Dreck wegputzen sehe.

„Ich bin dann mal weg. Mach das vernünftig. Und wenn du schon mal dabei bist, kannst du auch gleich mal eine Runde Staub wischen."

Isabel seufzt genervt, schenkt mir dann aber ein gequältes Lächeln und wünscht mir eine schöne Schicht. Diese werden wir wohl nie zusammen führen können. Vielleicht. Vielleicht ist es auch besser so. Mit seinen Freunden, seiner Familie zu wohnen, ist das eine. Mit ihnen zu arbeiten aber eine ganz andere Sache.
Draußen angekommen erwischt mich der kalte Wind. Der Winter rückt wohl immer näher, was für diese Jahreszeit keine Seltenheit ist. Umso nervtötender ist es manchmal zur Arbeit laufen zu müssen. Weit habe ich es nicht. Ich laufe circa eine Viertelstunde. Dabei lasse ich meine Gedanken in Erinnerungen schwelgen.
Oft denke ich an die Zeit im Untergrund zurück. Dann verdränge ich sie wieder. Will sie nicht mehr Realität werden lassen. Mich an der Oberfläche beweisen? Ich bin gespannt, wie gut das klappen wird.

Stalked! (Levi X Reader)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt