Kapitel 1: Sol

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,,Sehen Sie den faustgroßen Fleck in der linken Gehirnhälfte?'' Sie deutete mit dem Zeigefinger auf die Röntgenaufnahme meines Gehirns

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,,Sehen Sie den faustgroßen Fleck in der linken Gehirnhälfte?'' Sie deutete mit dem Zeigefinger auf die Röntgenaufnahme meines Gehirns. ,,Es ist ein Glioblastom.''

Ich blinzelte. In mir wurde alles still, während meine Augen sich nicht von der faustgroßen Kugel abwenden konnten. Dieses Ding sollte in meinem Kopf sein?

Es war erstaunlich, wie nüchtern Dr. Foster diese Worte über ihre Lippen brachte. Für sie musste dieses Gespräch Routine sein.

,,Ah. Ich verstehe.'' Ich öffnete den Mund einen Spalt breit und nickte, den Blick noch immer auf die Aufnahme gerichtet. Alles schien in Zeitlupe abzulaufen.

,,Das erklärt Ihre Schwindelanfälle, die Übelkeit und das häufige Erbrechen.''

Ich schluckte und nickte stumm. Mein Mund war staubtrocken. Doch in mir war alles ruhig. Vielleicht war es der Schock. Er ließ nicht zu, dass ich etwas fühlte.

,,Es wäre ratsam, eine Operation durchzuführen.''

Sie lehnte sich zur Seite und verdeckte so die Sicht auf das Bild, das sich in meinem Kopf eingebrannt hatte. Die langen blonden Haare von Dr. Foster fielen ihr in Wellen über die Brust. Ihr ebenes Gesicht und ihre wachen Augen, die mich eingehend musterten, sagten mir, dass sie noch nicht sehr alt sein konnte. Vielleicht Mitte dreißig? Wenn überhaupt trennten uns gerade einmal zehn Jahre. Sie lächelte nicht mehr. Ihre weichen Gesichtszüge waren nun zu einer harten Linie verzogen.

Sie würde ihr erfolgreiches Leben als Ärztin weiterführen. Und ich? Würde ich nie älter als fünfundzwanzig Jahre alt werden?

,,Werde ich sterben?''

Meine Stimme klang eintönig. Noch nie in meinem Leben war sie mir so fremd vorgekommen. So war ich normalerweise nicht. Hailee, meine zwei Jahre jüngere Schwester, war der realistische Pessimist in unserer Familie. Ich war ihr Gegenteil, denn ich sah in allen Dingen das Gute. Nur im Moment schien mein Gute-Laune-Knopf kaputt zu sein.

Ich konnte erkennen, wie Dr. Foster angestrengt schluckte. Vielleicht ging es doch nicht spurlos an ihr vorbei.

,,Ja.''

Ich öffnete meinen Mund, doch kein Laut kam über meine Lippen. Noch immer regte sich nichts in mir. Sollte ich nicht traurig sein? Oder Angst verspüren?

,,Wie lange?''

Mein Blick glitt wieder zu der Aufnahme. Wie lange lebte ich wohl schon mit meinem kleinen Anhängsel? Hätte ich ahnen können, was da in mir schlummerte und langsam heranwuchs? Wie viel Zeit würde mir dieses Ding noch lassen? Jahre? Monate?

Egal, wie viele Gedanken ich mir darüber machte, ich würde keine Antwort finden. Ich konnte an der Situation nichts ändern.

Und obwohl ich mir versuchte, diese Dinge einzureden, konnte ich nicht verhindern, dass meine Hände unter dem schweren Holztisch zu zittern begannen.

Soulless - Auf ewig verbundenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt