Schon als ich gemeinsam mit Horus vor einem Einfamilienhaus mit einem penibel gepflegten Vorgarten landete, kroch ein ungutes Gefühl durch unsere Verbindung in mir hoch. Ardmore war ein typischer Vorort Philadelphias für Familien, die abseits vom stressigen Stadtleben ihren tristen Alltag nachgingen. Das mit Steinen verzierte Haus, das oberhalb des ersten Stockwerkes mit Holz verkleidet war, reihte sich in eine Straße, die voller solcher Häuser war.
Unschlüssig stand ich auf dem gegenüberliegenden Fußweg und starrte geradewegs auf die Doppelgarage, die direkt an die Wohnung angeschlossen war. Als hätte ich eine Vorahnung, konnte ich den Blick nicht von dem weißen Tor lösen.
Es ist bald an der Zeit, Herr. Lass uns zu ihm gehen.
Dieses Mal flog Horus nicht voraus, sondern verweilte ruhig auf meiner Schulter. Gestern Abend hatten wir beide eine Veränderung in unserer Verbindung gespürt. Sie war minimal gewesen, doch irgendetwas hatte sich aus unserem Band gelöst. Ich konnte es nicht erklären, aber ich fühlte eine Leere in mir, als hätte ich einen Teil von mir verloren. Auch Horus war beunruhigt darüber. Er hatte schon den ganzen Tag verdächtig geschwiegen, suchte aber gleichzeitig nach meiner Nähe.
Und so überquerten wir gemeinsam die leere Straße. Es war früher Mittag. Die meisten Menschen waren auf der Arbeit oder in der Schule. Nur nicht der Todgeweihte, der bald kein Teil der Realwelt mehr sein würde. Das dumpfe Pochen in meiner Brusthöhle hörte sich dieses Mal unnatürlich laut an. Dieser Mensch würde gleich seinen letzten Atemzug nehmen. Ich konnte deutlich spüren, wie das Leben aus ihm wich und die tickende Zeitbombe letztlich leise hochging. Niemand würde seinen Tod bemerken. Er starb allein.
Die Stille, die diesen Ort umfing, war gespenstig. Der dichte Nebel, der die Stadt fast gänzlich verschlang, vollendete das Bild. Ich, als Vertreter des Todes, passte perfekt in die Szenerie.
Noch ehe ich die Garagentür öffnen konnte, durchzuckten Bilder meinen Kopf. Ruckartig blieb ich stehen und hielt mir die pochenden Schläfen, während Horus' Vorsehung meine Gedanken erfüllte. Ich sollte nicht mehr geschockt über einen solchen Anblick sein und doch erwischte ich mich dabei, wie es mir kalt den Rücken herunterlief. Meine Hand lag fest um den Türgriff, und obwohl ich wusste, was mich dahinter erwarten würde, hielt ich inne. Ich war noch nicht bereit, diese Schwelle zu übertreten.
Ich atmete kräftig ein und aus, hörte tief in mich rein und vergewisserte mich, dass da nichts in mir war, außer einer tiefen Leere.
Keine Gefühle.
Keine Schwäche.
Kein Mitleid.
Kein Bedauern.
Immer wieder wiederholte ich das Mantra in meinen Gedanken, während ich langsam den Türknauf nach rechts drehte. Als ich ein leises Klicken vernahm, schloss ich noch einmal für einen Sekundenbruchteil die Augen, ehe ich die Tür öffnete und mich dem Anblick, der sich mir bot, stellte.
DU LIEST GERADE
Soulless - Auf ewig verbunden
Fantasy„Ihre Zeit ist gekommen", ertönte Athanasios' dunkle Stimme durch den dichten Nebel. ,,Ich werde sie nicht sterben lassen." ,,Das ist nicht deine Entscheidung!", schrie er aufgebracht. Die Welt um mich herum begann zu beben. ,,Das Gleichgewicht mu...