Kapitel 6: Atlas

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Triggerwarnung: In diesem Kapitel wird eine Gewaltszene beschrieben. Wer sich bei Themen wie häuslicher Gewalt und Mord getriggert fühlt, sollte dieses Kapitel nicht lesen.
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Ich hätte sie nicht retten dürfen

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Ich hätte sie nicht retten dürfen.

Es stand mir nicht zu. Wenn sich jemand in die geregelte Ordnung der Realwelt einmischte, musste es zwingend Konsequenzen für denjenigen geben.

Sie hätte in dieser Gasse sterben müssen. Doch aus einem unerklärlichen Grund hatte ich sie nicht ihrem Schicksal überlassen können. Da war noch immer dieses Gefühl in mir, sie beschützen zu müssen.

Aber ich hatte die tiefe Erschütterung von Athanasios' ungezügelten Zorn deutlich gespürt, als ich sie vor den Fängen des Todes bewahrt hatte. Die Erde hatte aufgrund meiner Tat gebebt. Das Donnergrollen, das von dem Gott der Schattenwelt gestammt haben musste, war ein deutliches Zeichen für meinen Fehltritt gewesen. Athanasios hütete das Gleichgewicht, das seinem alleinigen Schutz unterlegen war. Wir Anderswesen hatten die Aufgabe, es nach seinen Regeln zu bewahren.

Doch ich hatte gegen die vermeintlich wichtigste Regel verstoßen.

Ich hatte jemanden gerettet, der dazu verdammt gewesen war zu sterben.

Athanasios würde mir in diesem Fall keine Gnade gewähren.

Wird er uns auslöschen, Herr? Horus saß steif auf meiner Schulter, während ein Gefühl der Angst langsam durch meine Pulsadern kroch.

Ich kniff meine Augen zusammen und starrte in den dunklen Nachthimmel. Leichte Nebelschwaden formten sich um uns herum und verliehen der Situation eine unheilvolle Atmosphäre - immerhin waren wir die Boten des Todes.

Meine Muskeln spannten sich an und ich begann mit dem Kiefer zu mahlen.

Es war mir egal, welche Konsequenzen meine Handlung nach sich ziehen würde. Auch wenn es unseren Untergang bedeuten würde. Ich hatte das Gleichgewicht in Gefahr gebracht und würde deshalb meine gerechte Strafe akzeptieren.

Du hast recht. Es war meine Schuld. Ich war derjenige, der dich gerufen hat. Hätte ich nicht...

,,Ich bereue es nicht'', rief ich mit fester Stimme, die keinen Zweifel zuließ.

Auch wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, würde ich immer dieselbe Entscheidung treffen.

Ich wandte meinen Kopf zu Horus, der sich unbegründet Vorwürfe zu machen schien. Sanft, aber bestimmend legte ich einen Finger unter seinen tiefschwarzen Schnabel.

,,Es war deine Aufgabe gewesen, sie im Auge zu behalten. Du hast pflichtbewusst gehandelt, so wie ich es von dir erwartet hatte, Horus. Dafür werden wir nun die Konsequenzen tragen.''

Vor mir tauchten ihre großen, haselnussbraunen Augen mit den langen, geschwungenen Wimpern auf, die mich in meinen Gedanken verfolgten.

Es war unmöglich, sie zu vergessen.

Soulless - Auf ewig verbundenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt