Ein tiefes, summendes Geräusch vermischte sich mit meinem Traum, den ich jede Nacht durchlebte. Das Summen wurde stärker, je näher ich dem Abgrund kam. Doch ich wusste, auch wenn ich in den dunklen Schlund stürzte, würde ich wieder am gleichen Punkt aufwachen und die Jagd begann von Neuem. Gerade als ich einen Fuß über das dunkle Nichts hielt, um zu fallen, schlug ich plötzlich die Augen auf. Erste Sonnenstrahlen schlichen sich schleichend durch die bodenlangen, seidenen Vorhänge und erhellten den Raum mit schwachem Licht.
Ich blinzelte, um mich zu orientieren. Weiße Wände und ein Fußboden, der noch immer von meinen Klamotten übersät war, starrten mir entgegen. Neben meinen rosaroten Socken und meiner dunklen Jeans sah ich einen schwarzen, langen Mantel, der sich nahezu perfekt in dem Chaos anzupassen schien.
Wie gestern Abend und all die vergangenen Nächte zuvor, seit ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, wachte ich jeden Morgen auf einer weichen Brust auf, die sich stetig hob und senkte. Noch immer lag mein Arm auf seinem Oberkörper und unsere Beine waren eng verschlungen. Meine Fingerspitzen ruhten auf der Stelle seiner Brust, unter der sich sein Herz befinden sollte. Und auch wenn Atlas sich sicher war, dass er keines besaß, spürte ich das leise, dumpfe Pochen, das vibrierend über meine Finger züngelte.
Je länger ich so liegen blieb und seinen ruhigen Atemzügen lauschte, umso größer wuchs dieses Geschwür von Angst in mir, nicht zu wissen, wie viele Tage ich noch auf diese Weise erwachen würde.
Vorsichtig wanderten meine Finger federleicht über seine nackte Brust. Mit jeder Berührung sprangen klitzekleine Funken auf meine Haut über. Seine Wärme hüllt mich ein wie eine dicke Wolldecke. Wenn ich bei ihm war, meine Seele ganz nah an seiner, dann spürte ich, wie mein Körper zur Ruhe kam und das Gefühl von innerem Frieden mich durchströmte. Wenn wir zusammen waren, fühlte ich mich endlich vollkommen. So musste es sich anfühlen, endlich nach Hause zu kommen.
Noch ein paar Momente erlaubte ich mir, in seiner Umarmung zu verweilen, auch wenn meine Augen die ganze Zeit an seinem Brustkorb hängen blieben, an dem seine Knochen scharf hervorstachen. In den letzten Tagen war mir aufgefallen, wie die Muskeln an seinem Oberkörper schwanden. Auch seine hohen Wangenknochen stachen immer mehr aus seinem schmalen Gesicht hervor und ließen ihn krank wirken. Fast skelettartig.
Langsam hob ich meinen Kopf von seiner Brust und sah in sein Gesicht. Statt wie jedem Morgen der vergangenen zwei Wochen seinen silbernen Iriden zu begegnen, die mich munter anfunkelten, stellte ich zu meiner Überraschung fest, dass er tief und fest schlief. Eine Falte bildete sich auf meiner Stirn, als ich meine Augen zusammenzog. Das dumpfe Pochen in meinem Inneren verstärkte sich.
In diesem Moment erinnerte ich mich an eine ähnliche Situation von vor ein paar Tagen, als ich ihn gefragt hatte, ob er jemals schlief.
,,Ein Toter schläft nicht'', antwortete er mir und wandte den Blick von mir ab.
,,Du bist nicht tot'', flüsterte ich und zog sein kantiges Gesicht zu mir zurück. Als seine hellen Augen auf mich trafen, erfüllte mich eine Hitze, die ich nicht bezwingen konnte.
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Soulless - Auf ewig verbunden
Fantasy„Ihre Zeit ist gekommen", ertönte Athanasios' dunkle Stimme durch den dichten Nebel. ,,Ich werde sie nicht sterben lassen." ,,Das ist nicht deine Entscheidung!", schrie er aufgebracht. Die Welt um mich herum begann zu beben. ,,Das Gleichgewicht mu...