Kapitel 31: Atlas

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Ein Ruck durchfuhr meinen Körper und ließ mich innehalten

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Ein Ruck durchfuhr meinen Körper und ließ mich innehalten. Der Regen prasselte auf mich nieder und perlte, ohne mich zu berühren, an mir ab. Automatisch fuhr meine Hand zu der Stelle an meiner Brust, an der ich vor meinem Leben als Sensenmann wohl ein Herz gehabt hatte.

Seltsamerweise spürte ich dieses Mal ein schnell pulsierendes Klopfen, das sich schockwellenartig über meine Finger bis hinauf zu meiner Schulter ausbreitete.

Dass es nicht mein eigener Herzschlag sein konnte, sondern der von Sol, bestätigte mich in dem, was ich bereits seit Stunden schmerzlich spürte. Ihre Angst hatte sich in meinem Körper festgesetzt. All das, mit dem ihre Seele nicht umgehen konnte, übertrug sie auf mich, wenn ich meine Energie mit ihr teilte.

Während ich sie stärkte, schwächte sie mich.

Einen Umstand, den ich bedingungslos akzeptierte, auch wenn ich insgeheim gehofft hatte, wir würden mehr Zeit haben. Doch Zeit war in dieser Welt ein Privileg, das uns nicht vergönnt war.

Obwohl alles in mir mich antrieb, zu ihr zurückzukehren, schleppte ich meinen Körper über den unbefahrenen Highway hin zu der Stelle, an der die nächste Seele auf mich wartete.

Das Feuer der brennenden Fahrzeuge spiegelte sich in Horus' Auge, der stocksteif auf meiner Schulter saß.

Es sind so viele, flüsterte der Rabe erstickt, während die Trauer meiner Seele mich beinahe in die Knie zwang.

Von überall her stiegen dunkle Rauchschwaden auf, aus der sich die Sensenmänner wie Spinnen aus ihren Netzen schälten. Es mussten an die Zwanzig sein.

Alle liefen sie auf den Ort des Geschehens zu. Manche trugen spitze Hüte, andere hatten die Kapuze ihres Umhangs tief ins Gesicht gezogen und wieder andere, mehr Skelett als menschliches Fleisch am Körper, schritten auf das Inferno zu.

Für einen Moment fühlte ich mich in vergangene Kriegszeiten zurückversetzt, in denen sich die Berge der Leichen nur so getürmt hatten. Nur dass sich dieses Mal nicht mit Kugeln durchlöcherte Körper vor mir wanden, sondern teilweise zerstückelte und abgetrennte Körperteile aus den demolierten Fahrzeugen herauslugten.

Unfälle passierten täglich. Es war nichts Neues, dass Menschen dabei starben. Doch dieser Anblick raubte sogar mir den Atem. Durch den starken Regen und den Sturm, den Athanasios in seiner blinden Wut erzeugt hatte, war es zu einer Massenkarambolage gekommen.

Die Sensenmänner würdigten sich gegenseitig keinen Blick. Ihr einziges Ziel war es, die Seelen der Verstorbenen so schnell wie möglich in die Zwischenwelt zu bringen. Sie interessierte es nicht, ob sie die Seelen von ihrem Leid erlösten und was mit ihnen passierte.

Mit schmerzenden Gliedern glitt ich durch die brennenden Fahrzeuge. Von überall her waren quälende Schreie und Hilferufe zu hören. Sanitäter kümmerten sich um die Verwundeten, während einige Feuerwehrleute Menschen aus den Fahrzeugen zogen. Es herrschte blanke Aufruhr, aber das war es nicht, worum wir Sensenmänner uns kümmerten. Denn wir Schatten hatten kein Interesse an den Überlebenden, nur an den Verstorbenen. Der Geruch des Todes lag bittersüß in der Luft und verkündete unsere Ankunft.

Soulless - Auf ewig verbundenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt