Kapitel 44: Atlas

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Ich spürte, dass es das letzte Mal sein würde

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Ich spürte, dass es das letzte Mal sein würde.

Nur noch ein einziges Mal würde der Nebel über meine Hände kriechen und mich an dem Ort bringen, an dem eine verstorbene Seele auf meine Ankunft wartete.

Noch nie in meiner Existenz als Schattenmann hatte ich mich so gebrechlich gefühlt. Ich konnte kaum aufrecht stehen. Es war, als wäre ich in dem Körper eines Greises gefangen. Sol saugte mit jeder Berührung die Lebensenergie aus mir heraus. Doch zu sehen, wie sie jeden Tag immer stärker wurde, gab mir das Gefühl, alles richtig gemacht zu haben. Das war alles, was ich gewollt hatte – sie sollte leben, lang und glücklich.

Mit meiner Seele in ihr würde sie sich niemals unvollständig fühlen. Auf diese Weise fiel es mir leichter, zu gehen.

Ich sah sie an. Dabei schlich sich automatisch ein Lächeln auf meine Lippen. Ich war niemals vollkommen gewesen und nun lag ich hier, neben dieser wunderschönen Frau und konnte mein Glück kaum fassen. Denn sie gehörte zu mir.

Am Anfang dachte ich, Dante musste sich einen Scherz erlaubt haben, ausgerechnet Sol, die so hell strahlte wie die Sonne selbst, an mich, dem Fährmann des Todes, zu binden. Und obwohl sie gesehen hatte, wie groß die Dunkelheit in mir war, hatte sie sich nie abgewandt. Nicht einmal an dem Tag, als ich hier das Herz gebrochen hatte, da ich dachte, sie würde nur auf diese Weise vor mir gerettet werden. Sie bis zum Ende zu beschützen – das war alles, was für mich zählte.

Es war früher Morgen und alles, an was ich denken konnte, war sie. Ganz langsam zog ich ihre schlafende Gestalt zu mir. Sie allein nahm mir die Angst, vor dem, was in der Grenzwelt auf mich wartete. Ihre Augenlider zuckten für einen Moment. Ich hielt den Atem an, als sie ihren Arm um meinen Bauch schlang und sie mir im Traum einen hauchzarten Kuss auf die Wange gab, ehe sie sich in meiner Halsbeuge vergrub. Ihre braunen Haare, die in Rekordzeit zu wachsen schienen, breiteten sich wie ein Fächer über ihren schmalen Rücken aus. Bis noch vor wenigen Wochen hatte sie sie schulterlang getragen, doch nun, während der Großteil meiner Macht in ihr pulsierte, reichten sie ihr bis unterhalb der Brust. Noch immer waren sie weich und wellten sich hin bis zu den Spitzen.

Ich zog sie an mich, atmete noch einmal ihren unverkennbaren Duft nach Kokosnuss und Vanille ein. Wer hätte gedacht, dass diese Kombination einmal mein Lieblingsgeruch sein würde? Sie trug die Süße des Lebens mit jeder Faser ihrer Präsenz.

Und auch wenn ich stark sein wollte, spürte ich in diesem Moment tiefes Bedauern. Ich würde nicht mehr lange in den Genuss kommen, sie so zu halten. Denn es war kaum noch etwas übrig von mir. Aber das war der Preis, den ich zahlen musste.

Wenn man es so betrachtete, war es eigentlich tragisch. Damit sie leben konnte, musste ich sterben. Eine Liebe, die nur einen Moment existierte und doch für alle Ewigkeiten währte.

Als ich das altbekannte Ziehen in meinen Schläfen spürte, wollte ich plötzlich nicht, dass es zu Ende ging. Aber ich wusste, dass ich keine andere Wahl hatte.

Soulless - Auf ewig verbundenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt