,,Hey, kannst du mir endlich verraten, wo du mich hinbringst?'', rief Sol, während sie mit ihren Armen hilfesuchend in der Luft ruderte. Sie versuchte etwas zu ertasten, doch sie griff jedes Mal ins Leere.
Ich schmunzelte und führte sie an den Schultern weiter. Die dunkle Augenbinde verdeckte ihre Sicht. Bei ihrer Höhenangst war das vielleicht auch besser so. Keine zehn Pferde hätten sie erneut auf dieses Hochhaus gebracht.
,,Du kannst noch so oft fragen, wie du willst, aber ich werde es dir nicht verraten. Vertrau mir einfach'', murmelte ich und beugte mich dabei so nah an ihr Ohr, dass mein Atem ihren schlanken Hals entlangstrich. Sie erschauderte. Eine Gänsehaut überzog ihre nackten Schultern. Gebannt starrte ich auf ihre weiche Haut, ehe ich mich im nächsten Moment nicht mehr stoppen konnte und meine Lippen auf ihr Schlüsselbein legte. Ihr süßer Duft umhüllte mich. Und als wäre es das Natürlichste der Welt, spürte ich, wie mein Herz sich mit Liebe füllte und ich zu lächeln begann.
Wie sehr ich mich danach sehnte, sie jeden Tag auf diese Weise lieben zu können. Aber unsere gemeinsame Zeit neigte sich dem Ende zu. Ich konnte es deutlich spüren.
Heute war der letzte Tag meines Daseins.
Ein letztes Mal würde ich sie noch glücklich machen, ohne dass wir an das Ende dachten.
Sie kicherte und zuckte spielerisch vor mir zurück.
,,Atlas, komm schon. Nach deiner letzten Aktion auf dem Hochhaus erwartest du, dass ich dir vertraue?''
Ihr Lachen erfüllte mein Inneres und ließ mein Herz auf die doppelte Größe anschwellen.
Sie würde mich umbringen, wenn sie in wenigen Augenblicken herausfand, dass wir eben auf diesem Hochhaus waren und sie nur drei Schritte weg vom Abgrund stand.
,,Du musst zugeben, dass es schon lustig war'', schmunzelte ich, während ich sie an den Rand des Abgrunds steuerte.
Oh ja, sie würde mir den Kopf abreißen, wenn sie die Augen öffnete. Allein bei dem Gedanken musste ich grinsen.
Sol schnaubte. ,,Für dich vielleicht. Ich hatte damals fast einen Herzinfarkt bekommen, als du mich einfach vom Dach gestoßen hast.''
,,Es war ein leichter Schups. Kein Grund, die Mücke zum Elefanten zu machen'', murmelte ich und hielt sie gerade noch im richtigen Moment fest, damit sie nicht wieder über die schmale Absicherung nach unten fiel.
Ihren Gesichtsausdruck von damals würde ich nie vergessen. Die vor Schock groß gewordenen Augen, der weit geöffnete Mund und ihr panischer Schrei– ich musste jedes Mal grinsen, wenn ich daran zurückdachte.
,,Atlas'', sagte Sol mit bebender Stimme, als würde sie etwas ahnen und drehte sich zu mir um. Ihre welligen, haselnussbraunen Haare wehten im Wind. Sie rümpfte die Nase und kam mit vorgehaltenem Zeigefinger auf mich zu. Auch wenn es nicht möglich sein sollte, vergrößerte sich mein Grinsen. Für einen Moment vergaß ich den Schmerz, der meinen gesamten Körper erfüllte.
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Soulless - Auf ewig verbunden
Fantasy„Ihre Zeit ist gekommen", ertönte Athanasios' dunkle Stimme durch den dichten Nebel. ,,Ich werde sie nicht sterben lassen." ,,Das ist nicht deine Entscheidung!", schrie er aufgebracht. Die Welt um mich herum begann zu beben. ,,Das Gleichgewicht mu...