Kapitel 31

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Evelynn war egal wie schwach sie war, oder sein sollte, das Adrenalin und die Wut gaben ihr mehr als genug Kraft um aufzuspringen und nach oben zu stürmen. „Evelynn?", fragte die verwirrte Jane, welche gerade die Treppe runter kam, doch die Braunhaarige stoppte nicht, noch weniger als sie ein dumpfes Dröhnen in ihrem Kopf vernahm. „Verpiss dich aus meinem Kopf du Monster."
Sie rannte in Jacks Zimmer, doch sie wusste, das sie dort keine Ruhe bekommen würde. Somit schloss sie sich im Badezimmer ein, dort konnte niemand sie dazu zwingen rauszukommen. Sie war fest entschlossen, lieber würde sie sterben als sich dem Monster dort unten zu unterwerfen.

Es waren nun schon drei Tage vergangen seitdem Evelynn sich im Bad eingeschlossen hatte. Sie hatte niemandem die Tür geöffnet, auch nicht um ihr was zu essen zu geben. Auch Slenderman hatte nicht zu ihr durchkommen können, es war als hätte sie eine Blockade in ihrem Kopf aufgebaut.
Nun lag Jack erneut in seinem Bett und konnte nicht schlafen, der starke Geruch nach Angst und Verzweifelung der aus dem Bad kroch hielt ihn wach. Und wieder spielte sich vor seinem inneren Auge die Szene ab: Wie Evelynn fragte warum Slenderman versucht hatte ihr Erzfeind zu werden, wie der Raum binnen einer Sekunde totenstill wurde und wie sie dann begann die Kreatur vor ihr anzuschreien. Wie sie weg stürmte und wie er dort saß und nichts getan hatte. Bei dem Gedanken wurde ihm etwas schlecht, er fühlte sich schuldig. Und es wurde nicht besser als er sich an die vergangenen Tage erinnerte, egal wer es versuchte Evelynn aus dem Bad zu bekommen, wenn er eine Antwort bekam, dann das sie niemanden sehen will der sie an das Monster, Slenderman, ausliefen würde.
Und so lag er erneut dort, so wie die vergangenen Nächte und hoffte darauf, dass sich die Tür doch noch öffnen würde, dass der Lichtspalt unter der Tür größer werden würde oder dass wenigstens das Schloss der Tür klicken würde und er in das dahinter liegende Zimmer kommen würde um Evelynn aus ihren dunklen Gedanken zu reißen und dafür an sich selbst drücken könnte, ihren Geruch nach Gänseblümchen riechen könnte und nicht die ewige Angst.
Nach langer Zeit die er still liegend und lauschend verbrachte rollte der Schlaf doch über ihn. Sein Traum war allerdings nicht viel besser. Er fand sich selbst alleine in einem Schuppen auf einer kaputten Matratze mit einem halbverspeißten Organ in der Hand, das war das letzte Mal als er seinerseits von Evelynn getrennt war. Und nun war es die Frau die sich von allem und jedem fern hielt.
Ein leises Geräusch, Jack wachte auf und wendete seinen Kopf zur Badezimmertür. Doch es war nur das leise Plätschern des Wasserhahns. Er war zwar froh darüber, dass Evelynn wenigstens etwas trank, doch erneut packte ihn die Wut, die Verzweifelung, die ihn dazu bringen wollte einfach die Tür zu durchbrechen. Er wusste nicht wie lange er noch dagegen ankämpfen konnte, er wollte nicht von Evelynn getrennt sein, aber er wusste, dass sie dadurch auch ihn als einen Verräter ansehen würde und ihn fürchten würde.

Es waren weitere zwei Tage vergangen und Evelynn reagierte weiterhin auf nichts und niemand. „Jack, versuch du es doch nochmal, vielleicht reagiert sie wenigstens auf dich, bitte", fragte Jane den Kannibalen nun schon zum zehnten Mal seitdem er sich an den Tisch gesetzt hatte. In ihrer Stimme schwang beinah so viel Verzweiflung mit wie er selbst fühlte. „Also wirklich wenn sie sich nicht langsam zusammen kriegt reiße ich die Tür höchst persönlich aus den Angeln", kam die wütende Stimme von Jeff, welcher nun schon seit drei Tagen kaum eine andere Gefühlslage zeigte, immerhin spürte er wie sehr sein bester Freund darunter litt, dass Evelynn den Kontakt vermied. „Nein", kam die leise Antwort des Kannibalen, er hatte noch nicht aufgegeben.
Nachdem er fertig war mit seiner Mahlzeit erhob er sich und ging nach oben, niemand hielt ihn auf, alle sahen ihm nur mitleidig nach. Jack interessierte das aber nicht, diese Blicke verfolgten ihn nun schließlich schon einige Tage. Stattdessen setzte er sich in seinem Zimmer auf die Kante seines Bettes und starrte auf die Tür.
Er hatte gelogen als er erzählt hatte, dass er bereits versucht hätte mit Evelynn zu reden, er hatte es nicht. ‚Vielleicht sollte ich es trotzdem mal versuchen...', überlegte er still, zwar war die Angst von Evelynn gehasst zu werden immernoch da, aber über die letzten Tage hinweg hatte die Verzweiflung immer mehr Kraft gewonnen.
Somit stand er auf und ging auf die Tür zu.
Noch drei Schritte...
Zwei...
Er kniete sich hin.
„Evelynn...? Kannst du mich hören...?", fragte er etwas unsicher. Es kam keine Antwort, doch er hörte ein leises Geräusch das sich der Tür nährte.
„Evelynn... wenn du willst können wir reden, ich verspreche dir auch, dass ich alleine bin", sagte er in der ruhigsten Stimme die er aufbringen konnte.
„Und das Monster...?", kam leise die Frage der Frau, ihr Stimme hörte sich rau an, aber Jack war viel zu froh ihre Stimme überhaupt zu hören als dass ihm das überhaupt auffallen würde.
„Der ist auch nicht hier, nur wir beide", antwortete er. „Und er kommt auch nicht in meinen Kopf wenn ich mit dir rede...?"
„Nein", sagte Jack schnell. Die folgende Stille war ohrenbetäubend.
„Kannst du vielleicht die Tür aufmachen...?", fragte Jack dann vorsichtig. Erneut folgte nur Stille. Als er bereits die Hoffnung aufgegeben hatte hörte er das leise Klicken der Tür.

Toxic Flesh (xEyeless Jack)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt